BLKÖ:Szlávy, Joseph von
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Szlávy, die Familie, Genealogie | ||
Band: 42 (1880), ab Seite: 217. (Quelle) | |||
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Adelsfamilie, über die unsere Quellen S. 221 Näheres berichten. Sein Vater Anton war nach Einigen Oberstabsarzt zu Preßburg, [218] nach Anderen Major im Infanterie-Regimente Kaiser Alexander. Seine Mutter Louise ist eine geborene Spirk. Die Kinderjahre verlebte Joseph in Italien, wo das Regiment seines Vaters stand. Als dasselbe nach Wien translocirt wurde, kam auch er mit seinen Eltern dahin, die ihn im Jahre 1829 auf die theresianische Ritter-Akademie brachten. Als Curator dieser berühmten Anstalt fungirte zu jener Zeit der Vater des gegenwärtigen Ministerpräsidenten Grafen Taaffe, als Lehrer in den politisch-juridischen Fächern unter Anderen Hye [Bd. IX, S. 458], Kalchberg [Bd. X, S. 384], Leopold Neumann [Bd. XX, S. 273][WS 1]. Nach eilfjährigem Unterrichte in diesem Institute bezog Joseph 1840 die Bergakademie zu Schemnitz, wo er durch drei Jahre den montanistischen Studien oblag. 1843 kam er als Praktikant an das Berggericht zu Oravicza im Banat, 1845 in gleicher Eigenschaft zur Hofkammer für Montan- und Münzwesen in Wien und von da 1846 als Concipist zur ungarischen Hofkammer in Ofen, wo er bald zum Secretär aufstieg. In dieser Eigenschaft wurde er im Jahre 1848, als das erste selbständige ungarische Ministerium ins Leben trat, in das ungarische Finanz-Ministerium berufen. In derselben Stellung ging er mit Duschek [Bd. III, S. 396] nach Debreczin, von wo er im Mai 1848 als Regierungscommissär nach Orovicza beordert ward. Hier blieb er selbst nach der Katastrophe von Világos, um die zahlreichen Montanbeamten vor der Willkür und den Verfolgungen der damals allmächtigen Militärbehörden dadurch zu schützen, daß er für alle Handlungen der ungarischen Regierung die volle Verantwortlichkeit auf sich nahm. Die wiederholten Aufforderungen und Mahnungen zur Flucht ins Ausland wies er aus der angedeuteten Rücksicht zurück. Nun wurde er verhaftet, vor das Kriegsgericht in Temesvár gestellt und von demselben am Weihnachtsabend 1849 zu fünfjähriger Festungshaft verurtheilt. Nach zweijähriger Internirung zu Olmütz, wo er sich vorzugsweise mit mathematischen Studien beschäftigte, durch eine Specialamnestie begnadigt, nahm er als Andenken die Steifheit eines Beines mit, welche er sich im Gefängnisse zugezogen hatte. Die erste Zeit seiner Freiheit brachte er bei seinen Eltern in Preßburg zu, dann verweilte er seiner angegriffenen Gesundheit wegen ein Jahr in Gräfenberg und begab sich von da auf das elterliche Gut Almosd im Biharer Comitate, wo er, der Landwirthschaft und wissenschaftlichen Studien hingegeben, in voller Zurückgezogenheit bis zum Jahre 1860 verlebte. Auf Wunsch und nach vielem Drängen der damaligen Regierung verließ er im letztgenannten Jahre den ihm liebgewordenen ländlichen Aufenthalt, um als Secretär bei der Statthalterei in Ofen einzutreten. Aber schon 1861 gab er diese Stellung auf und zog sich von Neuem nach Almosd in seine ländliche Einsamkeit zurück, wo er als stiller Beobachter der politischen Ereignisse, die sich in ungeahnter Weise abspielten, verweilte, bis er 1865 das ihm übertragene Amt eines Obergespans des Biharer Comitates antrat. Der Ausgleich stimmte ganz mit seinen Absichten wie seinen politischen Neigungen überein, und so nahm er denn im Jahre 1867, in welchem er auch Mitglied des Reichstags war, nach Bildung des Cabinets Andrássy die Stelle eines Unterstaatssecretärs im Ministerium des Innern an. An der Drangsalirung der Deutschen in Ungarn, welche [219] zu jener Zeit stattfand, hatte er keinen Antheil. Streng politisch und constitutionell geschult, schied er aus dem Amte, als sein Minister Béla Baron Wenckheim das Portefeuille in die Hände des Monarchen zurücklegte, um nach dem Grafen Festetics das Ministerium um die Person des Königs zu übernehmen. Ein solches echt parlamentarisches Vorgehen konnte ihm nur die Sympathien aller Kreise gewinnen, und als im Frühjahre 1869 durch den Uebertritt Gorove’s in das Communications-Ministerium das Portefeuille für Handel und Ackerbau zu vergeben war, wurde er von dem Grafen Andrássy als Handelsminister in dessen Cabinet berufen. Sein conciliantes, aber immer selbstbewußtes Auftreten, verbunden mit edlen weltmännischen Formen, machte ihn auch in den höchsten Kreisen sehr beliebt, und bei den verschiedensten und wichtigsten Anlässen wurde er von Seiner Majestät dem Kaiser als einer der ersten Vertrauensmänner nach Wien berufen. Nachdem dann Graf Andrássy als Beust’s Nachfolger zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten ernannt worden, ward Szlávy der erste von ihm zum ungarischen Minister-Präsidenten vorgeschlagen. Aber er lehnte entschieden ab, und Graf Lonyay übernahm das ungarische Minister-Präsidium. Am 14. November 1871 trat dieser seine schwierige Stellung an, am 1. December 1872 mußte er sie wieder niederlegen. Auf Niemand als auf Szlávy richteten sich nun Aller Blicke. Die Verhältnisse hatten sich mittlerweile nur verwickelter gestaltet, aber Szlávy wurde vom Kaiser berufen, und nach langem Sträuben übernahm er unter der denkbar schwierigsten Position den Vorsitz in der Regierung. Seine Ministerpräsidentschaft war eine lange Reihe bitterster Enttäuschungen. Hervorzuheben ist daraus nur die Perfection des ersten Ausgleichs mit Croatien. Coloman Tisza stand damals im Zenith seiner oppositionellen Thätigkeit, Franz Deák, bereits leidend, betheiligte sich kaum noch activ an der Politik. Die Anzeichen der nachmaligen Fusion der beiden großen Parteien traten immer deutlicher zu Tage. Szlávy war ebenso wenig ein Gegner derselben, als er an sein Portefeuille sich klammerte. Wie er es damit hielt, bewies er, als er in der Debatte über die Angelegenheit der Ostbahn eine Majorität von nur noch vierzehn Stimmen an seiner Seite sah. Von der Ansicht ausgehend, mit kleinen Majoritäten nicht regieren zu können, nahm er seine Entlassung, um dem Uebergangsministerium Stephan Bittó’s Platz zu machen, und wirkte fortan nur als einfacher Abgeordneter. Den Platz als solcher behielt er bis zu dem Augenblicke, da Coloman Ghyczy ins Privatleben sich zurückzog. Nun zeigte es sich, wie das Vertrauen des Abgeordnetenhauses auf Szlávy ruhte, denn er wurde als Ghyczy’s Nachfolger auf den Präsidentenstuhl erhoben. In dieser ebenso schwierigen als wichtigen Stellung wirkte er bis zu seiner Berufung als Finanzminister der gemeinsamen Angelegenheiten im April 1880 als Nachfolger des Freiherrn von Hofmann. Wie er seinen Platz als Präsident des Unterhauses ausgefüllt, wie sein gewinnendes Benehmen, die Makellosigkeit seines Charakters bei allen Parteien gleich angesehen und beliebt war, bewies der 10. April 1880, an welchem er sich vom Hause verabschiedete. Auch die äußerste Linke des ungarischen Abgeordnetenhauses, in ihrer Leidenschaftlichkeit, Unduldsamkeit und [220] Zähigkeit etwa nur mit der äußersten Linken des englischen Parlaments, welcher sie jedoch an parlamentarischem savoir faire weit nachsteht, vergleichbar, selbst diese unberechenbare Partei nahm einstimmig Theil an der Ovation, welche dem scheidenden Staatsmanns dargebracht wurde. Der von Jókai eingebrachte Antrag: „Das Haus beschließt, daß die Verdienste des scheidenden Präsidenten Joseph Szlávy, die sich derselbe im Dienste des Hauses und des Vaterlandes erworben hat, im Protokoll des Hauses mit patriotischer Anerkennung verewigt werden sollen“, wurde einstimmig angenommen, Albert Apponyi, der Führer der vereinigten Opposition, feierte in Szlávy den beredten Anwalt der ungarischen Interessen in der gemeinsamen Regierung. Er und Jókai stimmten darin überein, daß der Posten eines Reichsfinanzministers nunmehr, nachdem ein Ungar ihn einnehme, zu einem politisch bedeutenden geworden sei. Szlávy selbst betonte in seiner Abschiedsrede, daß er auch in Wien nicht aufhören werde, ein treuer Sohn Ungarns zu sein. Die ungarischen Blätter, der „Pesther Lloyd“ an der Spitze, besprachen die Ernennung und die Person Szlávy’s in wärmster und höchst sympathischer Weise; und das ebenso unbefangene als rücksichtslose „Neue Wiener Tagblatt“ that den Ausspruch: „Die Abschiedsscenen im Parlament beweisen, daß Ungarn seinen besten Mann nach Wien geschickt“. Szlávy ist ein Staatsmann von einer Ehrenhaftigkeit des Charakters wie sie heutzutage kaum noch in der Wirklichkeit vorkommt. Wissenschaftlich durchgebildet, steht er mit seiner vielseitigen Belesenheit auf dem Niveau moderner europäischer Bildung. Er ist Vollblutmagyar, aber dabei ein politischer consequenter Denker. Er ist ein eminent nüchterner Verstand, ein entschiedener Charakter, ein Patriot vom reinsten Wasser und erkennt als solcher, daß Oesterreich und Ungarn unzertrennlich, daß eine Trennung derselben, erfolge sie auf welch immer einem, auf friedlichem oder gewaltsamem Wege, die Vernichtung beider, aber vorerst die Vernichtung Ungarns sei. Seinem äußeren Wesen nach bezeichnet ihn ein politischer Essayist als einen Mann, gewohnt, kurz aber mit Verstand zu sprechen, mehr zu denken und, wo es sein muß, energisch zu handeln; kritisiren ist ihm lieber als schmeicheln. Szlávy ist seit 21. October 1869 Commandeur des St. Stephan-, seit 2. Juli 1873 Großkreuz des Leopold-Ordens.
Szlávy, Joseph von (Staatsmann, geb. zu Raab 23. Nov. 1818). Der Sproß einer ungarischen- Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber, kl. Fol.) LX. Bd. (1873), S. 5, 6 und 8. – Dieselbe, LXXIV. Bd. (1880), S. 378. – Ueber Land und Meer (Stuttgart, Hallberger, Fol.) XXIX. Bd. (1873), S. 357 und 370. – Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.) 1875, Nr. 160, S. 2503: „Pesth, 6. Juni“; – 1878, Nr. 31, S. 446: „Pesth, 27. Jänner“; – Nr. 52, S. 754: „Die panslavistische Agitation in Ober-Ungarn“; – Nr. 281, S. 4136: „Oesterreichisch-ungarische Monarchie. Aus dem Pesther Lloyd“; – Nr. 325, 24. November; – 1879, Nr. 325, S. 4781: „Pesth, 18. November“; – 1880, Nr. 404, S. 1509: „Aus Oesterreich, 11. April“. – Neue Freie Presse, 2. December 1872, Nr. 2973: „Die ungarische Cabinetskrise“; – 3. December, Nr. 2974: „Der neue ungarische Minister-Präsident“; – 5. December, Nr. 2976, in der „Kleinen Chronik“: „Der ungarische Minister-Präsident“; – 5. März 1874, Nr. 3421: „Pesth. 3. März (Die Ministerkrisis)“. – Der Correspondent. Organ für Politik, Volkswirthschaft u. s. w. (Wien, Fol.). Herausgeber: Julius Spitz. 8. December 1872, Nr. 49: „Das Ministerium Szlávy“. – Aranyos Kákay, Licht- und Schattenbilder zur Charakteristik des ungarischen Landtags (Pesth 1867, W. Lauffer, 8°.) S. 111. – Nagy (Iván), Magyarország családai czimerekkel és nemzékrendi táblákkal, [221] d. i. Die Familien Ungarns mit Wappen und Stammtafeln (Pesth 1863, Moriz Ráth, 8°.) Bd. X, S. 761 u. f. -
- Porträte. 1) Unterschrift: „Joseph von Szlávy“. Holzschnitt in der „Neuen illustrirten Zeitung“ (Wien, Zamarskii, kl. Fol.) 18. April 1880, Nr. 30. – 2) Lithographie (von Dombi?) im „Floh“, 23. Mai 1875, Nr. 21, Umschrift: „Joseph von Szlávy“. – 3) Unterschrift: „Joseph von Szlávy, transleithanischer Minister-Präsident“. Holzschnitt von H. S., in der „Illustrirten Zeitung“. 4. Jänner 1873, Nr. 1540. – 4) Unterschrift: „Joseph von Szlávy Ungarns Minister-Präsident“. Holzschnitt von Rusz, in der „Neuen illustrirten Zeitung“, 5. Jänner 1873, Nr. 1. – 5) Holzschnitt von Bichler, nach Zeichnung von F. Graetz im „Wiener illustrirten Tagblatt“, 9. December 1872.
- Chargen. 1) Im „Floh“, 6. December 1872: „Auf der Suche“. – 2) In den „Humoristischen Blättern“. Herausgegeben von K. Klič, 1873, Nr. 46. Zeichnung von Klič, E. Angerer sc. Ueberschrift: „Finanz-Minister-Präsident Szlávy“. Unterschrift: „Nun plagt mich auch noch das Rechnen | Zu meinen anderen Sorgen | Achtzig von Null – das kann ich nicht | Natürlich muß ich dann – borgen“.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: [Bd. XX, S. 272].