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BLKÖ:Sulzer, Julius

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Sulzer, Salomon
Band: 40 (1880), ab Seite: 308. (Quelle)
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Sulzer, Julius (Tonkünstler, geb. in Wien um das Jahr 1837). Ein Sohn des berühmten Obercantors der Wiener Israelitengemeinde Salomon Sulzer, dessen Biographie[WS 1] Seite 311 folgt. Mit einem nicht gewöhnlichen Talente für Musik begabt, erhielt er von seinem Vater den ersten Unterricht in dieser Kunst, in welcher er dann unter dem berühmten Simon Sechter [Band XXXIII, S. 250) seine Ausbildung fortsetzte und später in Italien bei verschiedenen Meistern vollendete. So wirkte er denn bereits in jungen Jahren als Maestro concertatore längere Zeit an italienischen Bühnen. Daß er aber gleichzeitig auch schon auf dem Felde der Composition thätig war, geht aus einem Schreiben, ddo. Wien 4. Juni 1857, des damals in Wien weilenden Maestro Meyerbeer hervor, welcher darin von Sulzer sagt: „Ich habe mit wahrem künstlerischen Interesse seine Gesangsvorträge gehört und seine Compositionen durchgelesen“. Als Tondichter ließ sich Sulzer im Mai 1861 im Wiener Musikvereinssaale in einem Concert hören, in welchem nur seine eigenen Compositionen zum Vortrage kamen: ein symphonisches Tongemälde, eine Preghiera für Horn mit Clavierbegleitung und eine Anzahl Lieder und Clavierstücke. Die Fürst Czartoryski’schen „Recensionen“, ein als Musikblatt hochgestelltes Organ, wiesen diese Production mit einer Entschiedenheit ernstester Art [309] zurück, und mochte dieser strenge Ausspruch einer berechtigten Kritik den jungen Tonsetzer veranlaßt haben, seine Studien zu vertiefen und energisch fortzusetzen. Nun begab er sich auf Kunstreisen, auf welchen er Europa und Asien besuchte, im November 1864 aber zu Constantinopel mehrere Concerte gab und auch vor dem Sultan spielte, von welchem er das Officierkreuz des Medschidje-Ordens erhielt. Das Urtheil, welches man von ihm über die Leistungen der türkischen Militär-Musikcapellen abverlangte, fiel nicht zu Gunsten derselben aus. Als einen Hauptgrund des Mißerfolges bezeichnet er die Verschiedenheit der Instrumente, welche aus allen möglichen Fabriken Frankreichs und Italiens bezogen wurden. Er rieth zum Bezug von Instrumenten aus den Wiener Fabriken, welche bekanntlich mit ihren Leistungen jene der Pariser Fabrikanten überflügeln, und sein Rath wurde auch befolgt. Mittlerweile hatte er sein erstes größeres Tonwerk, die dreiactige Oper „Johanna von Neapel“, nach einem Textbuche von Otto Prechtler vollendet. Es wurde vom Prager ständischen Theater zur Aufführung angenommen und unter seiner persönlichen Leitung auch am 9. August 1865 auf demselben zum ersten Male gegeben. Während die Kritik an dem Libretto Vieles zu tadeln hatte und den Ausfall eines vollständigen Erfolges rein auf Rechnung des verfehlten Textbuches setzte, vernahm man über die Composition nur Stimmen wohlwollendster Anerkennung. Das Debut des jungen Operncomponisten war demnach ein glückliches, und er wurde von der Fachkritik als zu den schönsten Hoffnungen berechtigend begrüßt. Zu Anfang des Jahres 1868 finden wir ihn als ersten Capellmeister der italienischen Oper in Bukarest, als welcher er durch seine Energie in der Leitung des Orchesters glänzende Erfolge erzielte. Nach der ersten Aufführung des Gounod’schen „Faust“ ließ Fürst Karl ihn zu sich bescheiden und ertheilte ihm mündlich die Bewilligung zur Gründung einer Hofcapelle, welche Sulzer selbst beantragt hatte, woraus dieser noch im Mai d. J. zum Hofcapellmeister des Fürsten Karl ernannt wurde. Im Lande der in Permanenz erklärten Verfolgung der Juden war die Ernennung eines solchen zu einer Hofcharge immerhin eine bemerkenswerthe Thatsache. Auch um das Bestehen des deutschen Theaters in Bukarest, das alljährlich nach kurzem Wirken seine Thätigkeit einzustellen sich gezwungen sah, machte sich Sulzer wesentlich verdient, indem er ein Comité gründete, welches sich die Aufgabe stellte, das Interesse der deutschen Bühne zu wahren, und zu diesem Zwecke von dem Fürsten Karl eine jährliche Subvention von fünfhundert Ducaten erhielt. Auf einem noch im genannten Jahre unternommenen Künstlerausflug nach Constantinopel ließ er sich vor dem Vicekönige von Aegypten hören und erntete auch von diesem reichlichsten Beifall. Nach seiner Rückkehr aus Constantinopel wurde ihm von dem rumänischen Cultusministerium der Auftrag, eine große Oper über einen nationalen Stoff zu componiren. Er unterzog sich dieser Aufgabe und vollendete noch im Jahre 1869 die dreiactige Nationaloper „Held Michael“, deren Partitur das Ministerium ankaufte, indem es zugleich beschloß, das nationale Tonwerk im Jahre 1870 in prachtvoller Ausstattung zur Zeit der italienischen Opernsaison zur Aufführung zu bringen. Aber noch im October 1869 [310] erhielt Sulzer auf telegraphischem Wege den Antrag, während der Carnevalsstagione 1870 die obere Leitung der großen Oper am königlichen Hoftheater Vittorio Emanuele in Turin zu übernehmen, wozu er sich auch entschied. Von Turin machte er einen Kunstausflug nach Mailand, wo er mit glänzendem Erfolge in mehreren Privatsoiréen auftrat, dann aber im Scalatheater ein großes Concert für den unglücklichen italienischen Dichter F. M. Piave veranstaltete. Im Frühling 1871 finden wir den Componisten in Malta, wo er im königlichen Opernhause mit außergewöhnlichem Erfolge concertirte. Im Jahre 1872 aber wurde ihm in Gemeinschaft mit Alexander von Barathy von der niederösterreichischen Statthalterei die Bewilligung ertheilt, während der Dauer der Wiener Weltausstellung in einer im Prater befindlichen Oertlichkeit theatralische Vorstellungen und Concerte, insbesondere italienische Opern, Spielopern, Volksdramen, Possen und Ballete zu geben, kurz er erhielt eine Theaterconcession vom weitesten Umfange. Seit 1875 ist er als Capellmeister des Hofburgtheaters in Wien thätig. Von Julius Sulzer erzählt man sich auch Folgendes. In einer Audienz bei Papst Pius IX. geschah es, daß einer der Anwesenden sich gegen die Ertheilung des Segens mit den Worten verwahrte: „Heiligkeit, ich bin ein Jude!“ (Einer anderen Version zufolge soll der Betreffende im Cabinet des Papstes einige Clavierpiecen vorgetragen und nach Beendigung des Spieles – wofür er wahrscheinlich den Dank in klingender Münze oder dergleichen erwartet hatte – mit den obigen Worten den Segen abgelehnt haben). Der Papst betrachtete den bekennungsmuthigen Israeliten einen Moment und sagte dann in seiner gewohnten freundlichen Art: „Nun, wenn Sie auch den Segen des Papstes verschmähen, den Segen eines alten Mannes brauchen Sie darum doch nicht zurückzuweisen. Nicht der Priester und der Katholik segnet Sie, sondern der Greis“. – Als dieser Israelit wurde allgemein Julius Sulzer genannt. Aehnliche Fälle kamen sehr häufig vor, so daß Pius nicht immer mit gleicher Milde darüber urtheilte, sondern manchmal mit begreiflichem Unwillen dagegen protestirte, lediglich als ein Schaustück zu gelten, dem man die Rücksicht der Höflichkeit schuldig bleiben dürfe, wenn man seinen Vorwitz befriedigt habe. Bei der ungemein scharf ausgeprägten jüdischen Physiognomie des jungen S. erscheint übrigens auch schon der Umstand auffallend oder vielleicht charakteristisch, daß Sulzer seine jüdische Confession erst ausdrücklich betonte. Pius IX. besaß ein scharfes Auge und wußte gemeiniglich schon auf den ersten Blick, mit welchem Geisteskind er es zu thun hatte. Von S.’s Compositionen ist Einiges auch im Druck erschienen, und zwar: „Anliegen. Vergissmeinnicht. Zwei Gedichte“, Op. 1; – „Orientalischer Liebesgruss“ Op. 2; – „L’addio a Milano, Notturno“, Op. 10 (Mailand, Ricordi ); – „Rimembranze del Lago di Como, Notturno“, Op. 18 (ebd.); – „Invito alla Danza. Passegiata notturna sul mare. Due Melodie“ (ebd.); – „Adio mia cara Venezia! Notturno“ (ebd.); – „Trois Chansons d’amour“ (ebd.); – „Je pense à toi! Chanson“ (ebd.); – „Ave Maria. Solo per Br. con accomp. ad libitum di Pfte. o Fisarmonica od Organo“ (ebd.); – „Der Wanderer in der Sägemühle“, Op. 17 (Wien, Spina); – „Morgenlied von Uhland“, [311] Op. 18 (ebd.); – „Vier Lieder“. Op. 21 (ebd.) Nr. 1: „An das Mädchen im Walde“. Nr. 2: „Wunsch“. Nr. 3: „Frühlingssehnen“ von Keck. Nr. 4: „Muth“ von Geibel; – „Schönes Loos. Lied“ (Wien, Keck); – „Schwarz-Roth-Gold“. Gedicht von Uhland. Der Gräfin Mitrowsky gewidmet“; – „Drei Lieder ohne Worte“, Op. 22 (Wien, Haslinger); – „Trost. Lied“ (Wien); – „Drei Phantasiestücke für Pfte.“ (Wien, Schreiber). – Außer den bereits in der Lebensskizze erwähnten Auszeichnungen erhielt Sulzer die herzoglich Sachsen-Coburg’sche Medaille für Kunst und Wissenschaft, das herzoglich sächsisch-ernestinische Verdienstkreuz und das Ritterkreuz des italienischen Kronenordens.

Wiener Mittheilungen. Zeitschrift für israelitische Cultur u. s. w. Redigirt von Dr. M. Letteris[WS 2] (Wien, 4°.) III. Jahrg. (1857) Nr. 26. – Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) 1864 Nr. 388; 1866 Nr. 120; 1868 Nr. 22, 143, 283; 1869 Nr. 227; 1870 Nr. 90; 1871 Nr. 87; in den „Notizen über Theater und Kunst“. – Recensionen und Mittheilungen über Theater und Musik (Wien, 4°.). Herausgeber Jos. Klemm (recte die Fürsten Czartoryski) VII. Jahrg. (1867) Nr. 20, Seite 320: „Das Concert des Herrn Sulzer“. – Neuer Theaterdiener. Theaterblatt (Berlin) 1865 Nr. 35: Die Oper „Johanna von Neapel“. – Zwischenact (Wiener Theaterblatt, kl. -Fol.) 1865, 6. März: „Johanna von Neapel“. – Tagesbote aus Böhmen (Prager polit. Blatt) 1865 Nr. 221: „Johanna von Neapel“. – Bohemia (Prager polit. und belletr. Blatt, 4°.) 1865 Nr. 190 (11. August): „Die Oper Johanna von Neapel“. – Neue Freie Presse 1868 Nr. 1220; 1869 Nr. 1850; 1870 Nr. 2008 in den Theater- und Kunstnotizen. – Deutsche Zeitung (Wiener polit. Blatt) 1872 Nr. 233.
Porträte und Chargen. 1) Unterschrift: „Julius Sulzer“. Von Weir im Wiener Spott- und Witzblatt „Kaktus“, 1875 Nr. 5. – 2) Ueberschrift: „Die neue Goldgrube im Theater an der Wien“; im „Floh“ 16. Juni 1871 Nr. 29. Zeichnung von Klič [Sulzer und Sänger Patierno].

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Biograpie.
  2. Vorlage: M. Lottiens.