BLKÖ:Schmoranz, Franz
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 30 (1875), ab Seite: 335. (Quelle) | |||
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[WS 1][WS 2] (Architekt, geb. zu Weißwasser im vormaligen Königgrätzer Kreise Böhmens am 30. December 1814). Gärtnerssohn, der den ersten Unterricht in der Ortsschule erhielt. Als der Caplan von Weißwasser, der den Knaben liebgewonnen, nach Zleb versetzt wurde, empfahl er dem dortigen Baumeister B. Skvor, als dieser einen anstelligen Lehrling suchte, den jungen Schmoranz, und so kam derselbe zu dem Baumeister Skvor in die Lehre. Im Jahre 1831 wurde er Maurergeselle und arbeitete nun als solcher bei den verschiedenen Bauten seines Meisters, der mit zahlreichen Stadt- und Landbauten beschäftigt war, so daß Schmoranz Gelegenheit hatte, im Bauwesen sich praktisch, vielseitig und gründlich auszubilden. Insbesondere, als Skvor in den Jahren 1830 und 1831 den Bau eines Strafhauses in Kuttenberg unternahm, führte Schmoranz, damals bereits Polier, größtentheils den Bau seines Meisters und wurde bei der dortigen berühmten gothischen St. Barbarakirche zum ersten Male mit der Gothik in der Baukunst bekannt. Während er so praktisch immer tüchtiger wurde, versäumte er auch nicht, sich andere Bildungselemente anzueignen: lernte ordentlich deutsch und böhmisch, studirte fleißig Geschichte, Geographie, Mythologie, Archäologie und Mathematik, so daß er bald mit allen Kenntnissen, wie sie ein geschickter Baumeister haben soll, ausgerüstet dastand. Nachdem er mehrere Jahre in dieser Weise theoretisch und praktisch sich vorgebildet, ging er nun zur weiteren Ausbildung in seinem Fache nach Wien, wo er bei einem der damaligen tüchtigeren Baumeister, Namens Jacob Hainz von Korbest, in Dienste trat, anfänglich als gewöhnlicher Maurer, später als Polier und Bauzeichner. Damals begann auch im Baufache an der Wiener technischen und Kunstakademie ein regeres Leben. Der alten, durch Peter Nobile [Bd. XX, S. 376] vertretenen Schule standen die jüngeren Kämpen Förster [Bd. IV, S. 270], Rösner [Bd. XXVI, S. 247], Sprenger gegenüber und dieser Kampf machte Schmoranz auf die verschiedenen, im Bauwesen vertretenen und sich geltend machenden Richtungen erst recht aufmerksam, forderte ihn zum Nachdenken auf und regte ihn zu neuen und gründlicheren Studien an; er begann fleißig zu zeichnen, interessantes Detail, wo er es fand, zu copiren, die architektonischen Quellenwerke eines Durand, Quebel, Hacqault, Stuart u. A. zu studiren, worauf er zur stammverwandten Kunstliteratur hinübergriff und sich mit den Schriften von Hagedorn, Visconti, Winkelmann, Pozzo, Schinkl u. A. bekannt machte, so daß er immer umfangreichere und gründlichere Kenntnisse in seinem Fache und in den mit demselben verwandten Gebieten gewann. Aus diesen Studien riß ihn 1837 die Zurückberufung seines früheren Meisters Skvor, der ihn nach Zleb kommen ließ. Nach seiner Rückkehr begann aber S. auch bereits selbstständig Bauten auszuführen und ein Haus in Chrudim, das er im Jahre 1838 baute, war sein erstes Werk, das so gelungen ausgefallen war, daß bald sein Ruf im ganzen Kreise sich verbreitete. Im Jahre 1844 wurde er zum Stadtbaumeister von Chrudim ernannt und als solcher erbaute er zwei [337] Steinbrücken über den Fluß Chrudimka, entwarf den Plan zur neuen schönen Wasserleitung und baute, als im Jahre 1850 Chrudim abbrannte, die meisten Privathäuser, das Spital mit der Capelle, die Dechantei, das neue Theater u. s. w. Da er auch in der Gothik bewandert war, so wurde ihm nicht selten die Restauration alter Bauten, die im ursprünglichen Geiste auszuführen war, übertragen; so unterstützte er seinen schon mehrerwähnten Meister in der Restauration des fürstlich Auersperg’schen Schlosses Zleb, dessen weiteren Ausbau er im Jahre 1865 allein in prächtiger Weise vollendete; führte im Jahre 1851 die schwierige Restauration der alten gothischen Kirche zu St. Jacob bei Pracow nächst Chrudim aus; wurde mit dem Ober-Ingenieur Wach zur Untersuchung der im Jahre 1845 abgebrannten Decanatskirche in der Stadt Polizka abgesendet und vollendete den gothischen Neubau unter Wach’s Oberleitung von 1853 bis 1865; in den Jahren 1854–1856 baute er die neue evangelische Kirche zu Dvekačovice im romanischen Style und in den Jahren 1854 und 1855 in gleichem Style die Schule zu Hohenmauth. Durch diese Bauten richtete sich immer mehr und mehr die öffentliche Aufmerksamkeit auf S., der nun in allen wichtigeren Baufragen, wo es galt, den Ausspruch eines tüchtigen Fachmannes einzuholen, zu Rathe gezogen oder doch um seine Ansicht befragt wurde. Die Sachkenntniß, die er bei Restauration älterer Bauwerke an den Tag legte, hatte zur Folge, daß ihn das Ministerium des Innern im Jahre 1854 zum Conservator des Chrudimer Kreises ernannte. In den Jahren 1855 und 1856 restaurirte er die gothische Kirche St. Michael, 1859 und 1860 die St. Katharinenkirche zu Chrudim; 1857 entwarf er Pläne und Zeichnungen zu einer umfassenden Restauration der Decanatskirche zu U. L. Frau ebenda und überwachte deren Ausführung; 1860 restaurirte er die Pfarrkirche zu Slatina, 1863 jene zu Přelauc und die Spitalskirche zu Skutec; 1866 die Filialkirche zu Zivanic, sämmtliche im gothischen Style. Im Jahre 1863 machte er die Entwürfe und Zeichnungen zu einer umfassenden Restauration der Kathedrale von Königgrätz, leitete im Jahre 1864 die vollständige Restauration des dortigen Presbyteriums und begann 1865 die Restauration der alten h. Kreuzkirche zu Chrudim. Neben dem Umbaue und der Restauration der vorerwähnten älteren Kirchen führte er auch mehrere Neubauten aus, so im Jahre 1858 die gothische Mariencapelle zu Sezemic, in den Jahren 1862 und 1863 die Capelle im romanischen Style auf dem Friedhofe zu Choteboř und im gothischen jene zu Dvekovice, machte Pläne und Entwürfe der neuen evangelischen Kirchen zu Bukowec, Bohden und Časlau und der Mariencapelle zu Ust an der Orla im reichen Renaissancestyle. Nicht minder zahlreich sind die weltlichen und Privatbauten, welche der Meister in der bereits erwähnten Periode zu Stande gebracht, so in den Jahren 1860–1866 die Schulen zu Chrudim, Pardubitz, Bohdanec, die Restauration der Façade des Rathhauses zu Trautenau, das allgemeine Krankenhaus zu Deutsch-Brod, die große Dampfmühle, das Spital, das Kreisgerichtshaus mit Capelle zu Chrudim in den Jahren 1858–1861 und viele Privatbauten in den verschiedenen Ortschaften und Städten des Chrudimer Kreises, wie z. B. Bidschow, Trautenau, Vrchleb u. a. Später trat S. als Architekt[WS 2] in [338] die Dienste des Khediwe Ismael Pascha in Egypten und erbaute als solcher für die Wiener Weltausstellung 1873 im Prater die allgemein bewunderten egyptischen Gebäude, bei denen er als Decorateur im egyptischen Style Herrliches geleistet. Nach der Ausstellung verließ er aber trotz der glänzendsten Anerbietungen des Khediwe dessen Dienste und ließ sich vorläufig in Wien nieder. Daselbst entstand sein großartiges Project für ein Residenzgebäude des griechisch-orientalischen Bischofs in Zara nebst Seminar und theologischer Schule, das er mit seinem Freunde Machytka im Auftrage des Cultusministeriums vollendet hat und in seiner Ausführung wohl zu den schönsten Bauwerken der Neuzeit gehören dürfte. Die vorstehende Schilderung der Thätigkeit S.’s, womit dieselbe noch lange nicht erschöpft ist, da man immerhin annehmen kann, daß kein einigermaßen bedeutender Bau in der Zeit von 1850 bis 1865 in einem bedeutenden Theile Böhmens ausgeführt worden, an welchem nicht S. in geringerem oder größerem Maße betheiligt gewesen, gibt Zeugniß seiner Tüchtigkeit im Fache, in welchem er als Autodidakt, denn das ist S. in des Wortes strengster Bedeutung, so Vieles und Bemerkenswerthes geleistet. Dabei muß hinzugefügt werden, daß, während S. mit der Ausführung der vorgenannten neuen oder mit der Widerherstellung älterer Bauobjecte beschäftigt war, er sich auch die Ausbildung der bei diesen verschiedenartigen Bauten in Verwendung kommenden Kräfte auf das Ernstlichste angelegen sein ließ und einen ganz tüchtigen Stamm von Zeichnern, Steinmetzen, Maurern, Polieren u. s. w. herangebildet hat, so daß die Chrudimer Bauschule und Bauhütte, an deren Spitze S., so lange er in Böhmen gewirkt, stand, um den zeitgemäßen Fortschritt im Bauwesen Böhmens ihre unabweisbaren Verdienste besitzt.
Schmoranz, čechisch Šmoranć, Franz- Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.) 1875, Beilage Nr. 220, S. 3462 u. 3463, im „Wiener Briefe XLIX“ von v. V.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vergleiche dazu die Vorrede zum XXXI. Bande auf Seite XX.
- ↑ a b Vergleiche dazu die Berichtigung zum gleichnamigen Sohn, dem Architekten Franz Schmoranz.