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BLKÖ:Riese-Stallburg, Mathias Friedrich Freiherr

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 26 (1874), ab Seite: 144. (Quelle)
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Riese-Stallburg, Mathias Friedrich Freiherr (Humanist und großer Landwirth, geb. in Böhmen 17. Mai 1787, gest. auf seinem Gute in Jungfern-Břežan 14. April 1864). Aus der alten hessischen Familie der Riese – den Namen Stallburg hat erst Freiherr Mathias Friedrich von seiner Mutter Marie Friederike von Stallburg, der letzten ihres Geschlechtes, angenommen – abstammend, über welche die Quellen S. 146 nähere Aufschlüsse ertheilen, ist Freiherr Mathias Friedrich der Sohn des Johann Friedrich von Riese – Senators und regierenden Bürgermeisters der Stadt Frankfurt a. M. – aus dessen zweiter Ehe mit der oberwähnten letzten Namensträgerin des Geschlechtes derer von Stallburg. Im Elternhause erhielt er von seinem Erzieher, einem Schweizer aus Genf, eine tüchtige Ausbildung, und da er oft längere Zeit auf dem Gute seines Vaters zu Münzenberg in der Wetterau zubrachte, zeigte er schon in jungen Jahren eine besondere Vorliebe zur Landwirthschaft. Aber die kriegerischen Ereignisse, welche in seine Jugendzeit fallen, eigneten sich wenig zu seinen Neigungen, und so trat er im Jahre 1803 als Cadet in die kaiserliche Armee, wurde bald Fähnrich im Infanterie-Regimente Hoch- und Deutschmeister, aus welchem er als Lieutenant zu dem 3. Dragoner-Regimente Herzog von Württemberg kam. Mit demselben machte er im Jahre 1805 einen Theil der Campagne in Tirol mit. Als im Jahre 1809 der Kampf gegen Napoleon von Neuem ausbrach, wohnte R. als Oberlieutenant der Schlacht von Aspern bei, in welcher er in einem Reitergefechte sieben Wunden, darunter eine schwere über das Gesicht erhielt, in Folge welcher er sich genöthigt sah, noch im nämlichen Jahre mit Beibehalt seiner Charge zu quittiren. Er widmete sich fortan seiner Lieblingsneigung, der Landwirthschaft. Durch den Tod eines Oheims in den Besitz einer ansehnlichen Erbschaft gelangt, kaufte er im Jahre 1811 die Güter Kamena und Wysoka bei Przibram in Böhmen und bewirthschaftete sie selbst. Die Schwierigkeiten, welche ein steriler Boden seinen Bemühungen entgegensetzte, entmuthigten ihn nicht nur nicht, sondern ließen ihn auf Mittel sinnen, dieselben zu bewältigen, und so erzielte er bei rationellem Betriebe der Landwirthschaft und sorgfältigster Pflege der Bodencultur die erfreulichsten Resultate. Er führte auf seinen Gütern die Fruchtwechselwirthschaft mit bedeutendem Kartoffelbaue ein, errichtete eine Brennerei und betrieb ausgedehnte Viehmästung. Schon im Jahre 1812 begann er mit der Rapscultur auf seinem Gute Kamena und dieß war der erste gelungene Versuch des nachmaligen ausgedehnten Rapsbaues in Böhmen. Dem Wiesenbaue wandte R. große Aufmerksamkeit zu und legte mit dem besten Erfolge Kunst- und Wässerungswiesen an. In dieser Zeit entwarf er auch die trefflichen statistischen Tabellen, welche noch heute bei dem Betriebe mancher Wirthschaft als Muster gelten, und führte ein Rechnungswesen ein, das von vielen Oekonomen seiner inneren Vorzüglichkeit wegen angenommen wurde. Im Jahre 1826 [145] kaufte R. die Herrschaften Jungfern-Břežan, Wodolka und Chwatěrub und konnte nun seine auf dem Gebiete der Landwirthschaft bereits gemachten Erfahrungen im größeren Umfange erproben. Um aber seine Thätigkeit nicht zu sehr zu zersplittern, verkaufte er das Gut Kamena. Auf seinen neuen Gütern setzte er nun mit dem besten Erfolge den schon erprobten Rapsbau fort; um aber auch die bäuerlichen Grundbesitzer aufzumuntern, unterstützte er dieselben mit eigenen Sämereien und setzte Prämien für erzielte vorzügliche Producte aus. Auch begann er den Anbau der Runkelrübe, gegen welche unter den damaligen Landwirthen ein durchaus unberechtigtes Vorurtheil herrschte, da sie ja, wie es sich bald herausstellte, bei der um sich greifenden Runkelrübenzucker- Fabrication eine in die national-ökonomischen Verhältnisse tief eingreifende Culturpflanze ist. Er erbaute auch eine Zuckerfabrik – die zweite im Lande, nach jener von Königsaal – befaßte sich anfänglich lediglich mit der Syruperzeugung, später aber führte er in Wodolka auch die Zuckerraffinerie ein. In gleicher Weise leistete er auch in der Schafzucht, in Obst- und Gartencultur Ausgezeichnetes. Im Sommer 1834 gesellte er sich seinen ältesten Sohn, Werner Friedrich, in seinen landwirthschaftlichen Arbeiten bei, führte ihn überall in die Praxis ein, übergab ihm unter seiner unmittelbaren Oberleitung den technischen Theil der Geschäftsführung und schickte ihn dann zur Vervollkommnung seiner landwirtschaftlichen Kenntnisse auf die berühmte Anstalt nach Hohenheim. Dabei stand R. mit dem wissenschaftlichen Ergebniß in der Landwirthschaft immer auf gleicher Höhe. Als großer Verehrer Liebig’s suchte er dessen wichtige Lehren der bis vor ihm wenig beachteten Bodenerschöpfung und des Ersatzes der Praxis dienstbar zu machen. Fast bis zu seinem Ableben führte er meist eigenhändig die Rechnung des Kraftzustandes jedes einzelnen Feldes, schrieb demselben jede Verbesserung und Düngung zu und brachte jede Ernte in Abschlag. Aber nicht blos als Landwirth stand R. auf seinem Platze, er war überdieß ein liberaler Staatsbürger, ein Verehrer der Kunst und Wissenschaft und ein großer Wohlthäter, wenn er auch nicht, sobald er spendete, die Klingel zog. Evangelischen Glaubens, war er sehr religiös und die Liebe der Menschheit seine Religion. Als am 28. August 1862 in Nürnberg auf der 19. Hauptversammlung des evangelischen Vereines der Gustav Adolph-Stiftung bei dem Jahresberichte die Liebesgaben einzelner Wohlthäter vorgelesen wurden, hieß es am Schlusse ganz einfach: „Von einem böhmischen Großgrundbesitzer sechstausend Thaler“. Dieser böhmische Großgrundbesitzer war Mathias Freiherr von Riese-Stallburg. Dieß eine Beispiel für viele. Aber nicht blos die evangelische Mutterkirche, auch die katholische bedachte R. mit reichen Liebesgaben. Die schöne Kirche auf seiner Herrschaft Wodolka hatte er erbauen lassen; alle Sonn- und Feiertage betheilte er eine große Anzahl von Armen mit Geld oder ließ sie verköstigen. Oft wurden an einem einzigen Feiertage über Tausend Gulden zu humanen Zwecken gespendet. Der Prager und den übrigen evangelischen Gemeinden in Böhmen ließ er reichliche Unterstützungen zukommen. In den Jahren 1854 und 1855, in welchen die evangelische Kirche in Oesterreich sich nicht solcher Freiheit des Bekenntnisses erfreute wie in der Gegenwart, versah R. den schwierigen Posten [146] eines Vorstandes der deutschen evangelischen Gemeinde in Prag, später bekleidete er die Stelle eines Curators derselben bis an seinen Tod. Was seine Stellung in der Gesellschaft betrifft, so zählte er zu den geachtetsten Cavalieren Böhmens, der mitten im slavischen Lande seine deutsche Gesinnung ohne Hehl bekannte und für sie mit dem ganzen Gewichte eines deutschen Edelmannes einstand. Der Freiherr glänzte ebenso durch den Geist und Gewandtheit seiner Rede, sowie durch die ungewöhnliche Stärke seines Gedächtnisses, das ihn in den Stand setzte, statistische Zahlen und sonstige Daten mit staunenswerther Raschheit zu citiren, welche Gabe ihn bis an sein Lebensende nicht verließ. Von seltener Ordnungsliebe, schloß er am Vorabende seines Todestages seine Rechnungen mit minutiöser Genauigkeit ab. Bei vollem Bewußtsein verschied er im Alter von 77 Jahren nach kurzer Krankheit in Gegenwart seiner zweiten Gemalin und aller durch den Telegraphen herbeigerufenen Kinder sanft und ruhig. In Anerkennung seiner Verdienste um die Landwirthschaft wurde ihm schon im Jahre 1846 der österreichische Freiherrnstand verliehen und unter Einem die Verbindung seines Namens mit jenem seiner Mutter, einer gebornen von Stallburg, der letzten ihres Stammes, gestattet. Der Freiherr Mathias Friedrich war zweimal vermält; aus seiner ersten Ehe (seit 1. Jänner 1813) mit einer gebornen Freiin von Hochberg hinterließ er drei Söhne, Werner Friedrich, Anton und Adolph, und zwei Töchter, Marie und Leopoldine; alle Kinder sind verheirathet [siehe die Stammtafel]; die zweite Ehe (seit 1. September 1858) mit der Baronin Leonhardy, der Schwester des k. k. Universitäts-Professors Freiherrn Leonhardy in Prag, blieb kinderlos.

Freiherrnstands-Diplom ddo. 30. März 1846 für Mathias Friedrich Ritter von Riese-Stallburg. – Komers (A. L.), Jahrbuch für österreichische Landwirthe (Prag,. J. G. Calve, 8°.) VI. Jahrg. (1866), S. 339. – Prager Morgen-Post (polit. Blatt) 1864, Nr. 94, im Feuilleton. – Bohemia (Prager polit. und belletr. Blatt, 4°.) 1864, Nr. 96, S. 1122, in der „Local- und Provinzial-Chronik“. – Mährischer Correspondent (Brünner polit. Blatt) 1864, Nr. 97. – Auch enthalten August Hamilton’s Sämmtliche Schriften eine Biographie Riese-Stallburg’s.