BLKÖ:Riedel, Friedrich Justus
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 26 (1874), ab Seite: 86. (Quelle) | |||
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[87] seiner Zurückkunft nach Jena wurde er Magister der Philosophie und lehrte und schrieb einige Jahre mit großem Beifalle. Bei Wiederherstellung der Erfurter Universität im Jahre 1768 erhielt R. durch Klotzen’s Vermittelung das Lehramt der Philosophie an derselben und hatte an den Einrichtungen zur Consolidirung und Vervollkommnung dieser Hochschule nicht unwesentlichen Antheil. Insbesondere erwarb er sich als akademischer Lehrer durch seine philosophischen Vorträge, welche eine freiere und gründlichere Behandlung der Wissenschaft anbahnten, unbestreitbare Verdienste. Hand in Hand mit seiner nutzbringenden literarischen Thätigkeit ging auch die schriftstellerische, in welcher er eine seltene Rührigkeit entfaltete. So war es Riedel, der in Erfurt eine gelehrte Zeitung begründete; der ferner den Plan zu Klotzen’s „Deutscher Bibliothek der schönen Wissenschaften“ entwarf, wodurch man den Einfluß der „Berliner“ Literaturbriefe abzuschwächen und wohl gar vollends zu vernichten suchte. Er nahm sich auch dieser Angelegenheit sehr ernst an und führte im Anbeginn das große Wort, als er aber den Widerstand von Seite des Publicums, der sich in voller Theilnahmslosigkeit an diesen literarischen Plänkeleien kundgab, inne ward, zog er sich schon nach dem vierten Hefte von dem Unternehmen zurück und spannte auch in seinem eigenen philosophischen Journale, wie in der Erfurter gelehrten Zeitung die Saiten etwas herunter. Indessen entfaltete er noch immer große Rührigkeit, und wie einer seiner Biographen schreibt: dirigiren, reformiren, neue Einrichtungen durchsetzen, das waren seine Lieblingsgeschäfte. Daß einem Manne von solcher Thätigkeit, einem reformatorischen Geiste, wie es Riedel unbestritten war, die in ziemlich enge Grenzen gebannte und stets bevormundete Thätigkeit eines akademischen Lehrers auf die Dauer nicht zusagen konnte, wird Niemand befremden. Er selbst schaute daher nach einer anderen, ihm mehr zusagenden Stellung aus, wenn sie ihm auch von einer Seite ward, von welcher er sie wohl am wenigsten erwartet hatte. Er erhielt nämlich im Jahre 1772 eine Berufung nach Wien. Die Sache aber verhielt sich, wie der in dergleichen sonst gut unterrichtete Gräffer mittheilt, so: Der kunstsinnige, um die Akademie der bildenden Künste in Wien hochverdiente Baron Sperges hatte nach Winkelmann’s Ermordung in Triest des großen Kunstforschers neubearbeitete Geschichte der Kunst, die in den Besitz der kais. Akademie der bildenden Künste in Wien gerathen war, in Ordnung zu bringen und herauszugeben beschlossen. Auf seiner Suche nach einer dieser Arbeit gewachsenen Persönlichkeit in den nächsten Kreisen wollte sich ihm Niemand tauglicher zeigen. Als dem Baron nun in einer Buchhandlung zufällig Riedl’s Theorie der schönen Wissenschaften in die Hände fiel und ihm das Buch zusagte, sprach er dieses Urtheil in Gegenwart des Buchhändlers aus, der ihm erwiderte, daß Riedl sein Landsmann sei. Nun gab Baron Sperges dem Buchhändler den Auftrag, an Riedel zu schreiben und ihn zu fragen, ob er geneigt wäre, nach Wien zu kommen? Der Buchhändler schrieb an Riedel und dieser, ohne sich viel zu besinnen, machte sich auf die Beine und reiste nach Wien. Die mit ihm angesponnenen Verhandlungen waren von kurzer Dauer. Er wurde sofort zum k. k. Rathe und Lehrer an der Kunstakademie mit einem ansehnlichen Gehalte angestellt. Ueber sein komisches, ja lächerliches Auftreten, [88] seine erste Vorstellung bei Fürsten Kaunitz berichtet auch Gräffer, jedoch gehört dergleichen nicht hierher. Riedel hatte seinen Posten angetreten, aber Baron Sperges an ihm nicht jene Erwerbung gemacht, die er beabsichtigt hatte. Denn die von Riedel besorgte Ausgabe von Winckelmann’s „Geschichte der Kunst“ ist durch Nachlässigkeit und Fehler aller Art so entstellt, daß sie den Erwartungen der Kenner durchaus nicht entspricht. Auch über die Ursachen dieses Mißerfolges berichtet Gräffer. Riedel entsprach in seiner neuen Wirkungssphäre nichts weniger als den gehofften Erwartungen. Von früher her einem ziemlich wüsten Lebenswandel zuneigend, setzte er denselben in Wien, wo sich ihm die Gelegenheit dazu von allen Seiten darbot, fort, jedoch würde er wahrscheinlich unbehelligt seinen Pfad weiter gewandelt sein, wenn ihm nicht das Unheil in Gestalt eines Denuncianten nachgeschlichen wäre. Meusel erzählt, daß der Erfurter Augustinermönch Jordan Simon nach Wien gekommen und dem Beichtvater der Kaiserin Maria Theresia über Riedel’s Lebenswandet und Charakter haarsträubende Eröffnungen gemacht, ihn als einen lüderlichen Menschen, als einen Freigeist, der an keinen Gott glaube, geschildert habe. Der Prälat säumte nicht, diese Eröffnungen zur Kenntniß seines kaiserlichen Beichtkindes zu bringen, und Riedel’s Unglück war besiegelt. Er wurde ohne Umstände seines Lehramtes entsetzt, ihm zwar ein nicht unansehnliches Gnadengehalt ausgesetzt, welches jedoch nicht ausreichte, um seine durch einen ausschweifenden Lebenswandel gesteigerten Bedürfnisse zu decken. Er sank immer tiefer und alle Versuche, ihm emporzuhelfen, scheiterten., So nahm sich z. B. Fürst Kaunitz seiner mitleidig an und wollte es mit ihm als Vorleser versuchen; aber es war von keiner Dauer, er arbeitete zu jener Zeit auch an einem Kataloge der Bibliothek des Fürsten, welcher aber nicht im Drucke erschien. Nur der berühmte Compositeur Ritter von Gluck vergaß die Dienste nicht, welche der geistvolle Autor ihm in besseren Tagen erwiesen. Er gab ihm freien Tisch und im Sommer freie Wohnung in seinem Gartenhause. Indessen machte Riedel’s zerrüttete Gesundheit in ihrem Verfalle immer größere Fortschritte. Die Hypochondrie, zu der er seit längerer Zeit hinneigte, wurde immer heftiger und artete endlich in völligen Wahnsinn aus; er mußte zuletzt in das Spital zu St. Marcus gebracht werden, wo er im Alter von erst 43 Jahren seinem Leiden erlag. Riedel’s literarische Thätigkeit ist eine ziemlich fruchtbare; jedoch der größere Theil der von ihm vor seiner Berufung nach Wien herausgegebenen Schriften hat für Oesterreich geringe Bedeutung, daher von deren Aufzählung in diesem Werke um so leichter Umgang genommen werden kann, als das Bessere und Werthvollere in der nach seinem Tode veranstalteten Sammlung seiner Werke enthalten ist. Wer jedoch die einzelnen Ausgaben derselben nach ihren bibliographischen Titel kennen lernen will, den verweisen wir auf „Meusel’s „Lexikon der von 1750–1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller“, wo sie im XI. Bande, S. 304–309, genau aufgezählt werden. Die Titel seiner für dieses Werk erheblichen Werke sind demnach: „Sämmtliche Schriften“, 5 Theile (Wien 1786 und 1787, 8°.). Diese fünf Bände erschienen zuerst unter selbstständigen Titeln, und zwar: „Zehn Satyren nebst drei Anhängen“. 1. Band (Wien 1785, 8°.); – „Satyren“, [89] 2. Band (ebd. 1786); – „Philosophische Schriften“, 3 Bände (ebd. 1786), worauf sie erst als „Sämmtliche Schriften“ in 5 Bänden zusammen ausgegeben wurden. Ihr Inhalt ist. Erster Band: Die Uebersetzungen aus der Sprache der Thiere, – Eines Kunstrichters Abhandlung von Wortspielen, – das Märchen von dem Hute, – Neues Lehrgebäude von der Seelenwanderung, – Umständlicher Beweis, daß im h. römischen Reiche viele Narren sind, – Commentatio historico-critica de Autosatyricis, oder von Leuten, die sich ihre Satyre selbst machen, – Skribleriana; – Zweiter Band: Der Trappenschütze, komisches Heldengedicht in 3 Gesängen, – Die kranke Freundlichkeit, Lustspiel in 1 Aufzuge, – Briantes der Dritte oder Lobrede auf einen ... der Wahrheit willen verabschiedeten Sergeanten; – mehrere auf Erfurt und die damaligen Verhältnisse[WS 1] dieser Stadt sich beziehende Spottschriften, – Eigenlob, Drama in[WS 2] 1 Aufzuge; – Dritter Band: Ueber die Unsterblichkeit der Seele, – Ueber Lessing’s Laokoon, – Ueber M. Mendelsohn’s Phaedon, – Fragen über die Selbsterkenntniß, – Ueber die Laune, – Vom Lächerlichen und Belachenswerthen, – Vom Neuem, Unerwarteten und Wunderbaren, – Schicklichkeit, Anstand, Würde und Tugend, – Ueber das Genie und über den Geschmack, – Philantropinischer Erziehungsplan, – Geschichte der Schamhaftigkeit; Vierter Band: Briefe literarischen Inhaltes, unter Anderem über ein Ideal einer literarischen Dichtkunst; – Ueber die Kunst, sich in fremde Situationen zu versetzen, – Ueber eine Geschichte der Satyre, – Ueber Kunstrichterei u. dgl. m. an Weiße, Flögel, Moses Mendelssohn, Wieland, Jacobi, Klotz, Kästner, Nicolai in Berlin, Thümmel, – dann Briefe über die Physiognomik, – Briefe plagiatischen Inhalts; – Fünfter Band: Vorrede zu Winckelmann’s Geschichte des Alterthums; – Denkmal des Herrn Joh. Nic. Meinhard, – Gedichte. Diese Ausgabe von Riedl’s Schriften ist mehr vollständig als mit feinem Geschmacke ausgewählt. Von Riedel’s in die vorerwähnte Sammlung nicht aufgenommenen Werken sind noch anzuführen: „Theorie der schönen Künste und Wissenschaften“ (Jena 1767, 8°.; neue Auflage Wien und Jena 1774, gr. 8°.), das erste bequeme und mit Geist zusammengestellte Compendium der Aesthetik in Deutschland; ein zweiter, in Aussicht genommener Theil ist nicht erschienen; – „Philosophische Bibliothek“. 4 Stück (Halle 1768 und 1769, 8°.), meist größere und kleinere Anzeigen von Büchern, darunter über Arbeiten von Iselin, Herder, Wieland u. dgl. m. enthaltend; – „Der Einsiedler. Eine Wochenschrift“ (Wien 1774, 8°.), enthält unter anderen eine Abhandlung über schlechte Zeiten, Gedichte, einen Auszug aus Zimmermann’s Buch über die Einsamkeit nebst eigenen Gedanken darüber, – über Gleim’s Gedichte nach den Minnesängern. – Die Versöhnung der Erde mit Gott, – Empfindsamkeit ohne Empfindung, oder York der jüngere. – Anmerkungen über die Klugheit bei dem öffentlichen Unterrichte der Jugend. Ferner sind von Riedel’s Schriften noch bemerkenswerth: „Ueber die Musik des Ritters Christoph von Gluck verschiedene Schriften, gesammelt und herausgegeben von F. J. A. Riedel“ (Wien 1775, 8°.) und „Nöthige Beilage zu der Rautenstrauch’schen Biographie Maria Theresien’s“ (Wien 1780), über welche in Rautenstrauch’s Biographie [Bd. XXV, [90] S. 62 u. 63] Näheres bemerkt ist; auch fand ich von ihm ein Buch, betitelt: „Denk- und Merkwürdigkeiten für grosse Leute“ (Wien 1783) verzeichnet, dessen keiner seiner Biographen erwähnt. Ferner redigirte Riedel die „Literarischen Monate“, eine Wochenschrift, an welcher Denis, Mastalier, Alxinger, Retzer u. A. theilnahmen, schrieb viel für die Weiß’sche „Bibliothek der schönen Wissenschaften“, für die „Erfurter gelehrte Zeitung“ und für die „Wiener Real-Zeitung“, welche erstere er in den Jahren 1769 und 1770 und letztere im Jahre 1780 selbst redigirte. Schließlich sei noch bemerkt, daß er die Ausgabe von Winckelmann’s „Geschichte der Kunst des Alterthums“, in 2 Bänden (Wien 1776, gr. 4°.) und im Jahre 1780 bei Gebauer in Halle die erste Ausgabe von Alxinger’s Gedichten besorgt hat. Riedel gehört nicht zu Deutschlands classischen, aber immer zu seinen besseren Schriftstellern. Mit guten Geistesanlagen ausgestattet, würde er unter anderen Umständen sich günstiger entwickelt und in der Literatur wohl gar eine einflußreiche Rolle gespielt haben. Er besaß einen leichten und mitunter feinen Witz, eine vortreffliche Bildung und ein ausgebreitetes Wissen. Sein Unheil war, daß er mit einem Manne wie Klotz in engere Berührung kam, wodurch sich sein Geist in einer für seinen eigenen Vortheil und dem edleren Geschmacke am wenigsten zusagenden Richtung entwickelte. Am glücklichsten war R. in der Satyre, worin er vielleicht Rabener an Wirkung übertrifft und an Persiflage und Bitterkeit Liscov zunächst kommt. Seine „Theorie der schönen Künste“ war, wie schon bemerkt, zur Zeit, als sie erschien, das erste gute derartige Buch, welches Deutschland besaß, zeigt von geläutertem Geschmacke, großer Belesenheit, leider hatte er in der zweiten Auflage die Revision nicht über den sechsten Bogen fortgesetzt, wodurch dem Buche nicht unwesentlicher Nachtheil erwuchs. In seinen in den dritten Band der sämmtlichen Schriften aufgenommenen „Briefen“ findet sich neben manchem Ungehörigen, Verfehlten doch wieder viel Geistvolles, was einen guten Geschmack und die Gabe, es gut vorzutragen, verräth. Selbst an poetischer Begabung fehlte es ihm nicht, wie sich dieß in den „Launen an meinen Satyr“ überschriebenen Poesien kundgibt. Daß seine Ausgabe Winckelmann’s verfehlt, wurde schon angedeutet, und sein „Einsiedler“ ist eine mittelmäßige Wochenschrift, deren abgeschmackter Charakter sich vielleicht noch zunächst aus den farblosen Zuständen, welche damals im Kaiserstaate durch eigenthümliche Verhältnisse veranlaßt waren, erklären lassen.
Riedel, Friedrich Justus (Schriftsteller, geb. im Dorfe Wisselbach bei Erfurt 10. Juli 1742, gest. zu Wien 2. März 1785). Sohn eines Predigers; besuchte das Gymnasium zu Weimar, hörte Philosophie und Rechtswissenschaften zu Jena und vollendete seine wissenschaftliche Bildung an den Hochschulen zu Leipzig und Halle, an welch letzterem Orte er mit den Professoren Meyer und Klotz bekannt wurde, welcher Umstand für seine spätere literarische Thätigkeit nicht ohne Einfluß blieb. Er widmete sich nun fortan dem Studium der schönen Wissenschaften und ihrer Theorie. Bei- Baur (Samuel), Interessante Lebensgemälde der denkwürdigsten Personen des achtzehnten Jahrhunderts (Hof, G. A. Grau). Bd. VI, S. 602. – Baur (Sam.), Gallerie historischer Gemälde aus dem achtzehnten Jahrhundert. Ein Handbuch für jeden Tag des Jahres (Hof 1805, G. A. Grau, 8°.) Theil III, S. 58. – Journal von und für Deutschland 1786, Stück 4, S. 310: „Ueber die Unabhängigkeit der Gelehrten gelegentlich Einiges über den verstorbenen Rath Riedel“. Von Christian Heinrich Schmid. – Weckherlin’s Graues Ungeheuer, Bd. IV, Nr. 10, S. 39: „Riedel, eine biographische Skizze“. – (Küttner’s) Charaktere deutscher Dichter und Prosaisten, S. 479. – Engel’s Magazin der Philosophie und schönen Wissenschaften, Heft II, S. 171. – Göttinger gelehrte Anzeigen 1788, Stück 2, S. 11. – Frankl (L. A.), Sonntagsblätter (Wien, 8°.) III. Jahrgang (1844), S. 1014: „Der Erfurter Riedel, saubere Geschichte“. – Gräffer (Franz), Kleine Wiener Memoiren (Wien 1845, 8°.) Bd. III, S. 245: „Riedel der Professor“. – Meusel (Joh. Georg), Lexikon der vom Jahre 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller [91] (Leipzig 1811, Gerh. Fleischer d. Jüng., 8°.) Bd. XI, S. 304. – (De Luca). Das gelehrte Oesterreich. Ein Versuch (Wien 1778, v. Trattnern, 8°.) I. Bds. 2. Stück, S. 54. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1833, 8°.) Bd. IV, S. 386. – Laube (Heinrich Dr.). Geschichte der deutschen Literatur (Stuttgart 1839, Hallberger, gr. 8°.) Bd. II, S. 77, 139 u. 140. – Austria. Kalender (Wien, gr. 8°.) Jahrgang 1842, S. 161. – Oesterreichischer Zuschauer, herausg. von J. S. Ebersberg (Wien, 8°.) Jahrg. 1838, Bd. III, S. 108 [gibt abweichend von allen anderen Quellen den 8. Juli 1742 als Riedel’s Geburtsdatum an]. – Porträt. Osmann p., G. C. Schmidt sc. 1773 (8°.)