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BLKÖ:Reiser, Othmar

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 25 (1873), ab Seite: 245. (Quelle)
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Reiser, Othmar (Bürgermeister der Stadt Marburg, geb. zu Kappel bei Villingen im Schwarzwalde am 21. August 1792, gest. zu Marburg in Steiermark Mitte Jänner 1868). Stammt aus einer Tiroler Familie, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Großherzogthum Baden sich seßhaft gemacht. Sein Vater, ein Grundbesitzer zu Kappel bei Villingen in Schwaben, ließ den talentvollen Knaben studiren, da er auf die Unterstützung des damaligen Fürstabts Berthold von St. Blasien, eines nahen Verwandten, rechnete. Als aber in den Jahren 1806 und 1807 die Aufhebung des Stiftes erfolgte und Abt Berthold mit seinen Conventualen Schutz in Oesterreich fand, wo ihm das Stift St. Paul in Kärnthen angewiesen wurde, blieb Othmar R. sich selbst überlassen und fand endlich keinen anderen Ausweg, als den, seinem Gönner, dem Abte, nachzureisen. Er führte diesen Entschluß im Hochsommer 1810 auch aus und gelangte nach einer beschwerlichen Wanderung nach St. Paul, wo ihm sein Oheim, der Fürstabt, gestattete, die philosophischen Studien in Klagenfurt zu vollenden und die Ferien in St. Paul zuzubringen. Im Uebrigen mußte sich R. seinen Lebensunterhalt als Lehrer in einem achtbaren Klagenfurter [246] Bürgerhause selbst verdienen. In den Ferien 1811 ließ sich R. weniger aus Beruf, als um dem Wunsche des Abtes zu genügen, in St. Paul einkleiden, aber schon nach dreiviertel Jahren kam er zur Erkenntniß, daß nur Noth und Dankbarkeit ihn in diese Stellung gedrängt hatten und trat aus dem Stifte, beladen mit der vollen Ungnade des Fürstabtes, entblößt von allen Mitteln. Aber der Klagenfurter Bürger, in dessen Hause R. Lehrer gewesen, nahm sich seiner an und ermöglichte ihm die Fortsetzung der Studien, worauf R. auch von anderer Seite Unterstützung fand, die ihm zur Gründung einer ehrenvollen Stellung behilflich waren. Nach beendigten Studien trat er in Privatdienste, wurde Gutsverwalter, Bezirkscommissär, Ortscommissär, Ortsrichter und im Jahre 1825 reichte ihm der Fürstabt selbst die Hand zur Versöhnung und übertrug ihm die Verwaltung der Herrschaft Victringhof, in Folge dessen R. bleibend nach Marburg übersiedelte. Daselbst, in einem zwar kleinen Wirkungskreise, entfaltete R. eine segensvolle Thätigkeit, die ihm bleibende Erinnerung sichert. Nach Aufhören der Patrimonial-Gerichtsbarkeit wurde R. im März 1850 durch einstimmige Wahl zum Bürgermeister von Marburg erwählt und versah dieses Amt bis April 1861. Zugleich wurde er zum k. k. Notar mit dem Amtssitze in Marburg ernannt. Von 1830 bis 1861 wirkte er ferner theils als Secretär, dann als Ausschuß und Vorsteher der Landwirthschafts-Filiale Marburg. Als Bürgermeister setzte er für die Stadt Marburg eine Grundentlastungsentschädigung von 20.000 fl. durch, ungeachtet der vorige Magistrat in den Jahren 1848 und 1849 das Grundentlastungsgeschäft für Marburg als undurchführbar und gänzlich verloren gehalten und aufgegeben hatte. Seinen Bemühungen verdankte die Stadt Marburg das Obergymnasium, für welches die Gemeinde aus eigenen Mitteln die erforderlichen Räumlichkeiten und das chemische Laboratorium herstellte. Ferner war unter seiner Verwaltung das Gemeindevermögen um ein Ansehnliches vermehrt und in der Magdalena-Vorstadt ein Spital hergerichtet worden. Auch erlangte er die Errichtung einer Realschule, die Ausscheidung der Mädchen- von der Knabenschule, und trotz aller Anfeindungen gelang es ihm, daß in Marburg die Cadetenschule errichtet wurde, wodurch der Stadt nach verschiedenen Richtungen hin nicht zu unterschätzende Vortheile zuflossen. Seiner energischen Verwendung endlich ist die Einmündung der Kärntnerbahn in die Südbahn bei Marburg und die Durchführung der ersten Vorarbeiten für Errichtung einer Sparcasse in Marburg zu verdanken; Alles Errungenschaften, an welche sich der rasche Aufschwung der Stadt Marburg knüpft. Diese von so glücklichen Erfolgen begleitete gemeinnützige Thätigkeit Reiser’s fällt überdieß in eine Zeit, in welcher durch die politischen Verhältnisse jede selbstständige Regung der Gemeinden beinahe gänzlich lahm gelegt und die Stadt Marburg wegen ihrer politischen Haltung im Jahre 1848 bei der Regierung sehr schlecht angeschrieben war, so daß, wenn es galt, etwas für die Gemeinde durchzusetzen, das politische Vorleben derselben von ihren Gegnern stets als Waffe gegen dieselbe benützt wurde. In landwirthschaftlicher Beziehung hat sich R. namentlich um die Hebung der Weincultur verdient gemacht. Sein ganzes Leben, wie sein Nekrolog schreibt, war nur eine Verlebendigung des alten Wahrwortes: [247] „Selbst ist der Mann, hilf die selbst und der Himmel wird dir helfen“.

Tagespost (Gratzer polit. Blatt) 1868, Nr. 68: Nekrolog.