BLKÖ:Naprstek, Adalbert
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 20 (1869), ab Seite: 83. (Quelle) | |||
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Joseph Jungmann [Bd. X, S. 319], hörte alsdann die Philosophie und ging im Jahre 1846 nach Wien, um die Rechte zu studiren. Dort übernahm er auch eine Erzieherstelle in einer adeligen Familie. Schon in jener Zeit beschäftigte er sich mit literarischen Arbeiten und schrieb fleißig für die von Havliček [Bd. VIII, S. 98] redigirte Biene (Včela). Am 13. März 1848 von der allgemeinen Bewegung mitgerissen, hielt er vor dem Ständehause eine Rede an das Volk, in welcher er auf die Gleichberechtigung der Nationalitäten unter Oesterreichs Scepter besonderen Nachdruck legte und welche enthusiastische Aufnahme fand. Nun warf er sich kopfüber in die politische Bewegung, begründete in Wien den čechisch-mährisch-schlesischen Verein, dessen Entwickelung er auf das Regsamste förderte und wohl fühlend, welch ein mächtiger Factor durch Einbeziehung des weiblichen Geschlechts in die Bewegung für dieselbe gewonnen würde, erließ er die Parole: Gleichberechtigung der Frauen. Unter Einem machte er – um sich zu unterrichten oder vielmehr seine agitatorischen Zwecke zu fördern – Reisen durch ganz Böhmen, Mähren, die Erzherzogthümer, nach Bayern hinaus, und weil er demnächst vorhatte, auch Asien zu bereisen, betrieb er mit großem Eifer das Studium der orientalischen Sprachen. Die October-Revolution [84] in Wien veranlaßte jedoch eine Aenderung seines Reiseplans, statt nach dem Osten, wanderte er, da er in Folge seiner Agitationen besorgte, zur Verantwortung gezogen zu werden, deren Folgen bei den damaligen Verhältnissen unabsehbar waren, über Hamburg zur See nach dem Westen und wählte nun Amerika zum Schauplatze seiner wechselvollen Thätigkeit. Von allen Mitteln entblößt, arbeitete er in New-York zuerst als Handlanger in einer Fabrik. Um neue Beschäftigung zu finden, begab er sich dann nach Neu-London in Conecticut, wo er als Steinmetz und später in einer Tischlerei Arbeit fand. Aber bald fühlte er, daß seine Kräfte für schwere Taglöhnerarbeit nicht ausreichten, glücklicherweise erhielt er auch aus seiner Heimat Geld zugesendet, und so errichtete er zu Milwaukie im Staate Wisconsin eine Buchhandlung, mit der er eine Bücher- und Musikalienleihanstalt, später einen Papierhandel und den Verkauf von Instrumenten, welche letztere er aus Böhmen zugeschickt bekam, ferner von Zwirn, Nadeln, Spielzeug und Nürnberger Waaren verband. In seiner Buchhandlung fanden sich vornehmlich liberale Werke der vorgeschrittensten Richtung. So hatte er sich allmälig ganz anständig fortgebracht und wollte im Jahre 1852 in Handelsgeschäften sein Vaterland Böhmen besuchen, aber in Bremen, wohin ihm sein Bruder entgegengeeilt war, erfuhr er, daß eines angeblichen politischen Verschuldens wegen in Oesterreich ein Verhaftbefehl gegen ihn erlassen sei. So gab er denn seinen Besuch der Heimat auf, und kehrte über Paris nach Amerika zurück. In Paris befand sich N. eben zu der Zeit, als Napoleon den Staatsstreich ausführte. Nachdem er nach Milwaukie zurückgekehrt, begann er seine frühere Thätigkeit, sofort ließ er ein politisches Journal erscheinen, zu welchem Zwecke ihm die Gleichgesinnten eine Druckerei eingerichtet hatten, dabei entwickelte er für seine, d. i. die republikanische Partei große Rührigkeit. Dann wurde er im J. 1856 zu den čechischen Ansiedlungen gesendet, um für die Candidatur Fremont’s zur Präsidentschaft zu agitiren. Aus diesem Anlasse fand am 2. November 1856 die erste große Zusammenkunft der Čechen in Amerika – über dreihundert Personen beiderlei Geschlechts – in der Nähe von Monitowok Statt, bei welcher Gelegenheit auch die Herausgabe der ersten čechischen Zeitung in Amerika beschlossen und sofort veranlaßt wurde. Eine zweite Versammlung wurde bald darauf in Milwaukie selbst im Versammlungshause der republikanischen Partei abgehalten. Von Milwaukie aus unternahm N., um sich mit den Verhältnissen im Allgemeinen mehr und mehr vertraut zu machen, von Zeit zu Zeit kleine Reisen in das Innere des Landes und in die Nachbarstaaten. Sein ausgebreitetes Geschäft veranlaßte, daß man ihm die Stellung eines beglaubigten Notars übertrug; dann wurde er Agent der Gesellschaft für Auswanderer, vornehmlich jener aus Böhmen, Deutschland und Holland, Mitglied des Schulvereins, gerichtlicher Uebersetzer für slavische Sprachen und Geschworner; der großen Zahl čechischer Auswanderer nach Amerika war er aber bei ihrer Ankunft in der neuen Welt ein willkommener Rathgeber. Auch war er Mitglied der zu den Dakota-Indianern abgeschickten Expedition, deren Sitten er genau kennen lernte und bei deren gegenseitigen Verhandlungen er gute Dienste leistete. Nun begann er noch für das čechische Museum in Prag zu sammeln, trat aus diesem Anlasse in [85] brieflichen Verkehr mit 180 Amerikanern und 45 Amerikanerinen in 54 verschiedenen Städten und Ortschaften, und wurde auf diese Art bei seiner Sammlung amerikanischer Naturproducte und Druckwerke in ausgiebigster Weise unterstützt. Er gab nun sein bisheriges Geschäft auf, verkaufte seine Buchhandlung und begann seine Reisen in die Nachbarstaaten, auf denen er längere Zeit zubrachte. Er besuchte auf diesen Reisen die Städte Chicago, Springfield, St. Louis, New-Orleans, Mobile, Montgomery, Charleston, Washington, zuletzt New-York, wo er überall seine Sammlungen auf das Reichhaltigste vermehrte. Dabei wendete er auf diesen Wanderungen seine Aufmerksamkeit den Bildungs- und Wohlthätigkeitsanstalten zu, mit deren Organisation und inneren Einrichtungen er sich vollkommen vertraut machte, ferner den neuesten Erfindungen im Gebiete der Industrie, um bereichert mit diesen Erfahrungen, wie sie einzig in ihrer Art nur in der neuen Welt gewonnen werden können, dereinst seinem eigenen Vaterlande nützlich sein zu können. In Chicago, St. Louis und New-York organisirte er die čechoslavischen Vereine, dabei war sein Hauptaugenmerk auf die Centralisirung derselben und auf die Belebung čechoslavischen Elements in Amerika gerichtet. Von New-York unternahm er im December 1857 eine zweite Reise nach Europa und begab sich vorerst nach Paris, wo er sich mehrere Monate aufhielt und von dort, nachdem er die Erlaubniß zur Rückkehr in sein Vaterland eingeholt, nach Prag zurückkehrte. Dort rief er nun, um etwas zu thun, vorerst industrielle Unternehmungen in’s Leben, nämlich eine Bierbrauerei und eine große Fabrik von Spirituosen. Aber das war es nicht, was er wollte; erst, als im J. 1860 eine freiere Strömung in den socialen und politischen Verhältnissen sich bemerkbar machte, jetzt erst gerieth der Čecho-Amerikaner in’s rechte Fahrwasser, jetzt erst betheiligte er sich an Allem, was den čechischen Nationalgeist hob und wurde Mitglied aller patriotischen Vereine. Vornehmlich aber hatte er die čechischen Frauen im Auge, denn nach dieser Richtung war noch wenig geschehen und waren mit kleinen Erfolgen große Wirkungen – wenigstens viel Lärm – zu erzielen. Den čechischen Frauen zunächst hatte er die Segnungen der Emancipation zugedacht, jedoch nicht jener Emancipation, welche durch gesteigerte Bildung und echte Kenntnisse das Weib zur wahren Gefährtin des Mannes, so recht eigentlich zu dessen ergänzender Hälfte macht, sondern jener haarsträubenden, alle Sitte verkehrenden Yankee-Emancipation, welche dem Weibe den Zauber der Weiblichkeit nimmt und es zum Zerrbilde des eigenen Geschlechts entwürdigend, dem verdienten Spotte des Mannes preisgibt. Um sich vorerst bekannt zu machen, schlug er einen recht praktischen Weg ein. Er veranstaltete nach englischem Muster eine Industrie-Ausstellung, und indem er selbst den Cicerone machte, erreichte er das Ziel, sich in Frauenkreisen eingeführt zu haben, am leichtesten. So war im Jahre 1863 das čechische Industrie-Museum, ein Abklatsch des bekannten Kensington-Museums in London, entstanden. N. hatte diese Ausstellung in Gemeinschaft mit Doctor Frič zu Stande gebracht, die Ausstellung wurde stark besucht und N. wagte es mit einer zweiten, die auch großen Zuspruch fand; auch stiftete er mit besonderem Hinblicke auf die böhmischen Frauen den sogenannten „amerikanischen Clubb“, dessen Hauptaufgabe die praktische Durchführung der [86] Frauen-Emancipation in Böhmen war Sehr beherzigenswerthe Worte über diese Angelegenheit und überhaupt über diese Verirrung der Gegenwart sind mit besonderem Hinblicke auf Naprstek und sein Wirken in Lehmann’s „Magazin für die Literatur des Auslandes“ (Leipzig, 4°.) Jahrg. 1866, S. 39, im Aufsatze: „Frauen-Emancipation und ihre Apostel in Böhmen“ zu lesen. Im Uebrigen entfaltet N. eine große Thätigkeit, führt zur Förderung seiner mannigfaltigen, Böhmen beglückenden Zwecke eine ausgebreitete Correspondenz, die sich bis England und Amerika erstreckt; seine reichhaltige englisch-amerikanische Bibliothek enthält werthvolle Werke, die er mit aller Bereitwilligkeit Kennern der Sprache zur Benützung freigibt. Im Jahre 1864 wurde er von dem Wahlbezirke der Ortschaften Lomnitz, Zopten und Neupaka von Seite der Landbevölkerung in den böhmischen Landtag gewählt.
Naprstek, Adalbert (Humanist, geb. zu Prag 17. April 1826). Heißt eigentlich Fingerhut und Naprstek ist nur eine Čechisirung des deutschen Namens. Adalbert besuchte das Gymnasium in der Prager Altstadt unter- Slovník naučný. Redaktor Dr. Frant. Lad. Rieger, d. i. Conversations-Lexikon. Redigirt von Dr. Franz Lad. Rieger (Prag, Lex. 8°.) Bd. V, S. 639.