BLKÖ:Kemény, Joseph Graf
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Kemény, Sigmund Baron | ||
Band: 11 (1864), ab Seite: 150. (Quelle) | |||
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[151] – sind seine eigenen Worte – wohl selbst ein Magyar aus altem Schrott und Korn und lese doch gerne und sogar mit besonderer Vorliebe die in deutsches Sprache geschriebenen Geschichtswerke unserer biederen Sachsen und schreibe wohl selbst in deutscher Sprache so manche Abhandlungen“, nur wollte er, und das mit allem Recht, daß andererseits auch die ungarischen Werke gelesen und studirt werden, weil die Kenntniß auch dieser Sprache eine durchaus unerläßliche Bedingung für einen siebenbürgischen Geschichtsforscher sei. Im Jahre 1837 erschien in ungarischer Sprache das siebenbürgische Geschichtsmagazin Erdély történetei tára, von ihm in Gemeinschaft mit Kowacs herausgegeben, und bald darauf veröffentlichte Kemény allein die „Deutschen Fundgruben zur Geschichte Siebenbürgens“. 2 Bde. (Klausenburg 1839, 8°.). Viele Aufsätze und Abhandlungen aus seiner Feder finden sich zerstreut in ungarischen Zeitschriften, als „Nemzeti Társalkodó“, „Tudományos Gyüitemény“, „Arpádai“, „Uj magyar Muzeum“ u. a., dann besonders in dem von A. Kurz herausgegebenen „Magazin für Geschichte, Literatur und alle Denk- und Merkwürdigkeiten Siebenbürgens“, dessen Träger eigentlich Graf Kemény gewesen, wenigstens war er der fleißigste Hauptarbeiter dabei und auch was der Herausgeber geschrieben, hatte dieser bloß der Bereitwilligkeit zu danken, mit welcher der Graf seine reichen Sammlungen ihm frei zur Benützung überließ. Von K.’s Arbeiten in letzteren Jahren führen wir an: im Magyar Muzeum 1854: „Geheime Tendenzen zur Wiederverbindung Siebenbürgens mit Ungarn im Jahre 1561“; – „Erinnerung an Mikó Újvár“; – „Das Leben des Bonsinius und dessen Werke“; – „Ursprung der Familie Lißt von Nagyköpcsényi, ihr Emporkommen, ihr Verfall“; –1855: „Vertrag zwischen dem Fürsten Sigmund Báthory und dem Kaiser Rudolph, betreffs der Uebergabe Siebenbürgens“– „Stephan Báthory als Begünstiger des Katholicismus und eine bisher unbekannte Presse der Jesuiten in Klausenburg“ – „Johann Száß, Richter zu Zeben“; – „Das Leben des Johann Erdösy“; – „Johann Szalárdi, der Geschichtsforscher“– im Pester Lloyd 1855: „Die Hornyaken und ihre Heirats-Zeremonien“ (Nr. 128, 180, 228); – in der Zeitschrift Transilvania 1855: „Ueber Siebenbürgens Alterthümer“ (Nr. 25). Um sich einen Begriff von der Reichhaltigkeit seiner Sammlungen zu machen, folgt hier, auf des Grafen eigene Angaben gestützt, eine Aufzählung derselben: Eine zahlreiche Sammlung von Originalurkunden aus dem Zeitraume vom 12. bis 16. Jahrhundert; – 13 Foliobände authentischer Urkunden-Transumte; – 30 voluminöse Quartbände, einfache Urkundencopien enthaltend, durchaus von seiner Hand geschrieben; – 4 voluminöse Quartbände mit Verzeichnissen der in den meisten Archiven Ungarns und Siebenbürgens befindlichen diplomatischen Urkunden, in welchem mehrere tausend Urkunden auszugsweise aufgezeichnet sind; – 41 ziemlich umfangreiche Foliobände mit 3426 Originalbriefen, Gesandtschaftsberichten vom Jahre 1526 bis auf die neuere Zeit; – ein starker Folioband mit theils originalen, theils authentisch ausgefertigten gleichzeitigen Pacificationsinstrumenten Siebenbürgens; – 12 starke Quartbände gleichzeitiger Briefe rein historischen Inhalts aus älteren Zeiten, welche er aus Originalien eigenhändig abschrieb; – eine wahrhaft große [152] Sammlung historischer Handschriften, älterer und neuerer Zeiten; – 6 Foliobände gleichzeitig und authentisch ausgefertigter siebenbürgischer Landtagsartikel mit den Reichstagsabschieden von 117 einzelnen siebenbürgischen Landtagen; – ein Folioband gleichzeitiger Abschriften von alten Landtagsartikeln; – ein Folioband einer kostbaren Sammlung von Landtagsartikeln vom Jahre 1586 bis 1645, welche in diesem letzteren Jahre zum Gebrauche des siebenbürgischen Fürsten Georg Rakotzi I. geschrieben wurde und am Ende mit dessen Siegel versehen ist; – das handschriftliche Werk der Beurtheilungs- und Censurscommission in Betreff der sogenannten Approbaten – ein exemplar unicissimum; – die gleichzeitigen, durch fürstliche Unterschrift und Siegel bestätigten Exemplare der Approbaten und Compilaten (siebenbürgische Landesgesetzsammlung aus der Periode der Nationalfürsten) – eine Seltenheit von hohem Werthe; endlich reiche Sammlungen archäologischer Gegenstände und eine auserlesene Bibliothek, darunter Werke von großer Seltenheit, die in keiner zweiten Büchersammlung Siebenbürgens und Ungarns sich vorfinden dürften. „Und alle diese reichhaltige Sammlungen, schreibt Kemény noch im Jahre 1844 in seiner Abhandlung über die ältesten Papiermühlen des Auslandes, Ungarns und Siebenbürgens, ein baldiges Eigenthum eines siebenbürgischen Landesmuseums, und so manch Anderes noch, stehen jedem Geschichtsfreunde mit offenen Armen zu Diensten und sind hier zu Gerend, wo ich diese Abhandlung schreibe, stets zu besichtigen und zu benützen – haec diurna mihi otia, his et nocturna delector manu.“ Mit gleicher Bereitwilligkeit stellte der Graf dem Vereine für siebenbürgische Landeskunde, dessen Ausschußmitglied er gewesen, alle seine Urkundenschätze zur Verfügung, als dieser daran ging, die Materialien für das erste siebenbürgische Urkundenbuch zu sammeln, welches die kais. Akademie der Wissenschaften in Druck zu legen beschloß. Graf Kemény war ein lebendiges Archiv. Ueber tausend Fragen in der Geschichte des Landes wußte er Aufschluß zu geben, über die anscheinend geringfügigsten Einzelnheiten um die sonst nicht leicht ein Forscher sich kümmert, ganze Abhandlungen zu schreiben, in denen man staunend sein ungemeines Wissen bewundert. So die Briefe über Michael Csáki, wo er, um der Sache auf den Grund zu kommen, von allen Familien, die einst diesen Namen führten, eine ganze Geschichte liefert. Ein echter Forscher, nur vom Streben nach historischer Wahrheit geleitet, hat er mit gleicher Liebe alle Zweige und Momente umfaßt, die in den Kreis einer siebenbürgischen Landes- und Völkergeschichte fallen. Hier galt ihm kein Unterschied der Nationen, Stande und Sprachen. „Jene Städte und Bezirke unseres Sachsenlandes – sind wieder seine eigenen Worte – welche gestaltend und umbildend auf allgemeine Verhältnisse einwirken und als mehr oder minder selbstständige Glieder in dem Ganzen der Geschichte unserer Sachsen dastehen, haben eine solche Fülle politischer und rechtlicher Schöpfungen erzeugt, daß ihre Geschichte gleichsam wie in einem Brennpunkt alle etwa vereinzelten Richtungen, die das öffentliche und bürgerliche Leben in unserem Vaterlande verfolgte, concentrirt zeigt. Ich meinestheils getraue es offen zu sagen, daß die specielle Geschichte unserer Sachsen nicht nur in historischer, sondern auch in moralischer Hinsicht einen Glanzpunct (ich möchte als Ungar [153] vielleicht gerne etwas wenigeres sagen, doch die Wahrheitsliebe verbietet es) unserer siebenbürgischen Geschichte ausmache; – Alles, was im Einzelnen sowohl, als auch im Allgemeinen die specielle Geschichte unserer einstigen Leidensgefährten, der Sachsen, beleuchtet, muß daher jedem unbefangenen Geschichtsforscher von nicht geringem Werthe sein.“ Und als in den bewegteren Zeiten des Nationalitäten- und Sprachenstreites unter historischer Hülle zwei Machwerke parteivollen Inhaltes gegen die Sachsen erschienen, war es der Ungar Kemény, der gegen solch’ würdelose Anfechtungen offen in die Schranken trat und den ungenannten Verfassern den reinen Spiegel der Geschichte vorhaltend, diese beschämte. Ein größeres umfassenderes Werk hat Graf Kemény nicht hinterlassen. Er hatte wohl eine Geschichte Siebenbürgens geschrieben, verwarf aber selbst diese „mühevolle“ Arbeit und ließ später ein „offenes Bekenntniß“ seiner Ansichten über das Schreiben einer Geschichte Siebenbürgens drucken, worin er geradezu sagt, daß derjenige, der schon jetzt von einer histoire raisonnée Siebenbürgens faselt, in seinen Augen ein Schwindler sei. Er selbst befasse sich schon seit einigen Decennien mit der Geschichte seines kleinen Vaterlandes, habe Zeit, Materialien und unermüdete Lust dazu, glaubte eingedrungen zu sein und hätte sich stets nur in den Vorhallen befunden; darum müsse er die Erreichung einer Palme in dieser Hinsicht der spätern Nachkommenschaft überlassen und sich lediglich mit der Eröffnung der Geschichtsquellen, als einer Vorbereitung, beschäftigen. Viel zu bescheiden und anspruchslos lehnte er das Verdienst eines Geschichtsforschers ab und wollte nur „als ein fleißiger Sammler und Handlanger“ gelten. Ehrend für ihn, rührend für uns ist das Selbsturtheil, welches er kaum vor einem Jahre, am Schlusse seiner mehrerwähnten drei Briefe über sich ausgesprochen hat: „Daß ich, schreibt er, aus der Geschichte meines Vaterlandes Vieles wisse, das fühle ich wohl und eben daher ist es, daß ich stets zu weitläufig werde, bin jedoch weit entfernt zu glauben, ich wisse in dieser Hinsicht Alles. All’ meine historischen Arbeiten sind nur Bruchstücke, welche Ergänzungen und Berichtigungen benöthigen – warum? – weil ich das Studium der Geschichte mit all’ seinen Nebenzweigen (als Diplomatik, Heraldik, Genealogie, Archäologie u. s. w.) auf einmal erfassen wollte, – und eben hierin liegt die Strafe meines Uebermuthes und meiner Ueberschätzung; denn hätte ich mich nur einzig einem Zweige des Studiums gewidmet, so hätte ich vielleicht ein großes erschöpfendes Werk leisten können, so aber blieb ich für immer nur ein fleißiger Handlanger, konnte aber kein genialer Baumeister werden; die gelehrte Welt möge indessen mit mir Nachsicht haben, ich habe ja als Handlanger und Sammler doch auch etwas genützt. Unersättlich war mein Wille und Wunsch, doch die Kraft war viel zu gering. Auf dem Felde unserer Geschichte mag ich wohl in einzelnen Kleinigkeiten großartig sein (dieses ist meine vanitas erudita), ohne jedoch auf wirkliche Große einen Anspruch machen zu dürfen (und dieses ist meine fragilitas humana.). Mein zukünftiger Biograph wird ganz richtig über mich einst sagen: Er hätte mehr leisten können, wenn er nicht so viel hätte wissen wollen.“ Die Sammlungen des Grafen sind, wie es sein Wille gewesen, Eigenthum des siebenbürgischen Landesmuseums geworden. [154] Der Graf war seit 14. Mai 1847 wirkliches Mitglied der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Ehrenmitglied der ungarischen Gelehrtengesellschaft zu Pesth und langjähriges Ausschußmitglied des Vereins für siebenbürgische Landeskunde. Der Graf war verheirathet und hatte zwei Kinder, einen Sohn Wolfgang und eine Tochter Malvine, aber beide sind vor ihm gestorben, so daß die gräfliche Linie der Kemény, als im Jahre 1861 des Grafen Joseph Vetter, Graf Samuel, starb, mit ihnen erloschen ist.
Kemény, Joseph Graf (Geschichtsforscher, geb. zu Gerend in Siebenbürgen 11. September 1795, gest. ebenda 12. September 1855). Sohn des 1806 in den Grafenstand erhobenen Wolfgang Freiherrn von Kemény aus dessen Ehe mit Therese Gräfin Batthyany. Der Graf, der eine ausgezeichnete Erziehung genossen, widmete sich anfänglich dem Staatsdienste; aber so glänzende Aussichten sich ihm in Rücksicht auf seine Talente, seine Kenntnisse und seine sociale Stellung darboten, er zog die wissenschaftliche Forschung in unabhängiger Zurückgezogenheit allem Glanze und den äußeren Ehren vor und verließ den Staatsdienst. „Das Grübeln nach historischer Wahrheit“, schreibt er in einem der drei wissenschaftlichen Briefe, welche er im Jahre 1854 über den siebenbürgischen Kanzler Michael Csáki verfaßte, die aber erst nach seinem Tode gedruckt erschienen sind, „ist meine Leidenschaft, mein Vergnügen, mein tägliches Brot und mein Leben, huic studio vitam damus, huic tandem immorimur“. Jedoch stelle man sich des Grafen Joseph eigentlich literarische Thätigkeit nicht allzu groß vor, im Gegentheil ist seine Productivität eine sehr geringe, nichtsdestoweniger war und bleibt er einer der größten Förderer der siebenbürgischen Geschichte, der sich weise im Schaffen nur deßhalb beschränkte, weil er die von so vielen Historikern außer Acht gelassene Regel, einen Bau nur auf festen Grundlagen, ein Werk nur auf der Basis völlig zu Tage gebrachter Quellen auszuführen, beständig vor Augen hatte. Im Jahre 1832 gab K. noch als Thesaurariats-Secretär das unter dem Titel: „Notitia hist. diplomatica Archivi et Literalium Capituli Albensis Transilvaniae“ bekannte Werk über die Urkundenschätze des siebenbürgischen Capitulararchivs zu Karlsburg in lateinischer Sprache heraus, obwohl es ihm leid that, das Buch nicht ungarisch geschrieben zu haben; aber nicht aus Magyaromanie, die, wenn sie nicht ausschließlich nur in der Muttersprache redet, liest und schreibt, die Nationalität zu verläugnen meint. „Ich bin- Die feierliche Sitzung der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften am 30. Mai 1856 (Wien, Staatsdruckerei, kl. 8°.) S. 68. – Transilvania, Beiblatt zum Siebenbürger Boten (Hermannstadt, 4°.) 1855, Nr. 14. – Blätter für Geist, Gemüth und Vaterlandskunde (Beilage zur „Kronstädter Zeitung°.), XIII. Jahrgang (1855), Nr. 2. – Oesterreichische Blätter für Literatur und Kunst (Beilage zur amtlichen Wiener Zeitung) 1855, Nr. 43, S. 323. – Magazin für die Literatur des Auslandes (Berlin, kl. Fol.) Jahrgang 1850, Nr. 102, S. 104: „Die neueste Literatur Siebenbürgens“. – Ujabb kori ismeretek tára, d. i. Neues ungarisches Conversations-Lexikon (Pesth 1852, Heckenast, 8°.) Bd. V, S. 54. – Magyar Sajto (Pesth, Fol.) 1855, Nr. 90, von Joseph Vaß. – Danielik (József), Magyar irók. Életrajz-gyüjtemény. Második, az elsőt kiegészitő kötet, d. i. Ungarische Schriftsteller. Sammlung von Lebensbeschreibungen. Zweiter, den ersten ergänzender Theil (Pesth 1858), S. 140.