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BLKÖ:Jurende, Karl Joseph

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 10 (1863), ab Seite: 323. (Quelle)
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Jurende, Karl Joseph (Volksschriftsteller, geb. zu Spachendorf in Oesterreichisch-Schlesien 24. April 1780, gest. zu Brünn 10. Jänner 1842). Dieser merkwürdige Mann, ein vom Pfluge und aus dem Volke hervorgegangener Autodidact, ist der Reformator des österreichischen Kalenderwesens und hat auf die Veredlung in Gesittung und im Wesen der unteren und mittleren Volksclassen einen tieferen und nachhaltigeren Einfluß geübt, als man überhaupt glauben sollte. Nachdem er die Gymnasialclassen zu Jägerndorf, dann zu Troppau besucht hatte, trat er aus den Studien und wurde, damals 18 Jahre alt, Aufseher bei dem schlesisch-ständischen Getränk-Impostamte. Im Juni 1802 kam er zu dem Landschafts-Einnehmeramte nach Brünn und im November 1804 zur mährisch-schlesischen Staatsbuchhaltung [324] ebenda, wo er bis Ende Juni 1806 in Verwendung blieb. Während seines Aufenthaltes in Brünn begann er selbst nachzuholen, was er durch den unterbrochenen Schulbesuch versäumt hatte. Im Verkehr mit gebildeten Männern, wurde ihm das Bedürfniß nach[WS 1] höherer Ausbildung immer lebendiger und unter Anleitung des Astronomen Hauptmann Knittlmayr in Brünn betrieb er eifrig Physik und Astronomie. Um diese Zeit begann auch seine literarische Thätigkeit; die Journale, vornehmlich das „Brünner patriotische Tageblatt“, brachten von ihm mehrere Aufsätze. Indem er sich durch seine Arbeiten auf das Vorteilhafteste bekannt gemacht hatte, erhielt er im Jahre 1806 den Ruf als Oberlehrer und Vorsteher der zu Kunewald bestehenden, von der Gräfin Truchseß-Zeil unterhaltenen Erziehungsanstalt. Er nahm diese Stelle an, und die gebildete geistvolle Gräfin gestattete J. nicht nur die Benützung ihrer reichen Bibliothek, sondern schaffte alle wissenschaftlichen Hilfsmittel an und nahm J. als Begleiter auf ihrer Reise durch die Schweiz, das südliche Frankreich und Italien mit. Während seines Aufenthaltes in Kunewald war es, wo J. auf den Gedanken gerieth, die Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse durch gemeinfaßliche Schriften zu fördern, und die Kalenderform schien ihm zu diesem Zwecke die geeignetste. Im Jahre 1809 erschien der erste Jahrgang seines „Mährischen Wanderer“, womit er einerseits einem Bedürfnisse seines Vaterlandes überhaupt abhelfen und andererseits einen Versuch zur Verbesserung des mährisch-schlesischen Kalenderwesens machen wollte. Der Versuch glückte, und da Jurende die Gräfin auf ihrer Reise begleitete, mittlerweile auch Kriegsereignisse eingetreten waren, setzte Professor Zemann in Brünn den Mährischen Wanderer in den Jahren 1811 und 1812 fort. Im Jahre 1813 legte J. seine Stelle in Kunewald nieder, übersiedelte nach Brünn, übernahm nun selbst die Herausgabe des genannten Kalenders, der mehrere Jahre unter obigem Titel, vom Jahre 1825 aber für die ganze Monarchie berechnet, unter dem neuen Titel: „Vaterländischer Pilger im Kaiserstaate Oesterreich“ (bis 1827 in Brünn bei Gastl, von 1828 bei diesem und Traßler, von 1833 bei Gastl und Rohrer und von 1836 bis 1848 bei Rohrer und von da ab bei Sollinger in Wien) erschien. Das Buch hatte einen ungeahnten Erfolg. Die „Annalen der österreichischen Literatur“ (1812, Bd. 4, S. 303) begrüßten J. als Reformator des Kalenderwesens, mit der Erklärung, daß ein solcher Kalender noch nicht dagewesen. Der „Pilger“ wurde nicht nur in ganz Oesterreich und Deutschland gelesen, er wanderte auch in die Fremde und man fand das prächtige (wenngleich löschpapierne[1] Buch in der Türkei, in Rußland, in der Schweiz, in Dänemark, ja selbst in Amerika. Es hatte die für jene Zeit ungeheure Auflage von 6000 Exemplaren erreicht. Bis zum Jahre 1833 leitete J. selbst das Unternehmen; von dieser Zeit an sich von der Welt ganz zurückziehend, übergab er die Redaction seinem bisherigen Mitarbeiter Ohéral. Im Jahre 1848 ging der Kalender in Druck und Verlag von Sollinger in Wien über, und mit dieser Zeit beginnt sein Verfall; noch fristete er einige Jahre sein Dasein; aber die Zeit des Encyklopädismus, und diesen vertrat dieser Kalender in vollendeter, wenngleich eigenthümlicher Weise, [325] war für Oesterreich vorüber; Gubitz und Nieritz in Deutschland hatten die sogenannten Volkskalender mit nicht geringem Erfolge in’s Leben gerufen, Nachahmer aller Orten und auch in Oesterreich gefunden, und Jurende’s Pilger hat, wenn Herausgeber nicht irrt, im Jahre 1859 mit seinem 48. Jahrgange zu erscheinen aufgehört. Jurende selbst, wie bemerkt, privatisirte seit 1833, aller Thätigkeit entsagend, in Brünn, wo er im Alter von 63 Jahren starb. J. hat außer seinem „Vaterländischen Pilger“ noch folgende Werke und Zeitschriften herausgegeben, letztere begründet: „Gedächtnissbuch. Eine Sammlung interessanter Sittensprüche, Klugheits- und Lebensregeln; von J..de“ (Troppau 1798), der Druck dieser aus seiner Schülerzeit stammenden Arbeit, wurde ohne sein Wissen durch seinen Lehrer veranlaßt, und die Schrift als Prüfungsgeschenk verwendet; – „Der Vorläufer des Lucifers, das ist: Lichtbringers, oder der grosse äusserst merkwürdige Komet, welcher im Herbste des Jahres 1811 in der Nordregion des Firmaments erschien. Lieferung von Fragmenten zu einer Kometographie für Nichtastronomen“ (Brünn 1811, 8°.); – „Hochgesänge eine Beilage zum Lucifer oder Lichtbringer“ (Brünn 1812, 8°.); – „Redlicher Verkündiger. Ein Archiv des Mannigfaltigen und Interessanten. Aus dem Reiche des Angenehmen, Nützlichen und Schönen“. 18 Hefte in 3 Bdn. (Brünn 1813 und 1814, 8°.); – „Moravia. Zeitschrift der Unterhaltung und Vaterlandskunde geweiht“. 8 Hefte (Brünn 1815, 4°.); dieses treffliche Blatt, von dessen 70 Bogen volle 36 der Kunde Mährens gewidmet sind, hörte unter den Besorgnissen des unvermutheten Kriegsjahres 1815, als Napoleon von Elba wieder in Europa erschien, ob Mangel an Theilnahme auf; – „Zeichen der Zeit, oder so sprach Napoleon vor 16, 8 und 2 Jahren. Merkwürdige Actenstücke, interessante Fragmente, erbauliche Geschichten und Randglossen. Zur Würdigung der unerhörten Geschichte des Tages“. 3 Hefte (Brünn 1814, 8°.); in 8000 Exemplaren verbreitet, wurden vom ersten Hefte 3, vom zweiten Hefte 2 Auflagen nothwendig; – „Der Bauernfreund oder Pflugkalender. Ein ganz neu entworfener Wirthschafts- und Volkskalender für das Jahr 1815“ (Brünn, 4°.), erschien nur dieser Eine Jahrgang. Ist J. in seinen Schriften auch vornehmlich nur Compilator, so hat er, wie einer seiner Biographen von ihm sagt, „als sachkundiger und in seinem Bienenfleiße unerreichter Sammler betrachtet, sich in den Augen des Menschenfreundes ein weit höheres Verdienst erworben, als mancher Originalautor, der seinen auf edirte Gedichte und Romane begründeten Namen über den eines Volksschriftstellers erhoben wähnt“. Jurende fand auch allenthalben Theilnahme und liebevolle Anerkennung, und die Gesellschaften zur Beförderung des Ackerbaues in Wien und Krain, die patriotisch-ökonomische Gesellschaft in Prag, die vaterländische Gesellschaft in Breslau und die naturwissenschaftliche Gesellschaft in Halle haben ihn unter ihre Mitglieder aufgenommen.

Moravia (mährisches Blatt) 1815, Nr. 41, in der literarischen Mittheilung von J. J. H. Czikann (S. 159 und 313); – dieselbe 1844, Nr. 1–3. – Frankl (Lud. Aug.), Sonntagsblätter (Wien, 8°.) I. Jahrgang (1842), S. 56. – Oesterreichischer Zuschauer, herausg. von J. S. Ebersberg (Wien, 8°.) Jahrg. 1837, Bd. II, S. 504. – d'Elvert (Christian), Beiträge zur Geschichte und Statistik Mährens und Oesterreichisch-Schlesiens. I. Band: Geschichte des Bücher- und Steindruckes, des Buchhandels u. s. w. (Brünn 1854, Rohrer’s Erben, Lex. 8°.) S. 222. – Mährischer Wanderer (Brünn, 4°.) 1819, S. 193, 1827, Generalregister, S. 132. – Nowak (Karl Gabriel). Schlesisches Schriftsteller-Lexikon [326] (Breslau 1836 u. f., W. G. Korn, 8°.) Heft 4, S. 59. – Der vaterländische Pilger, herausgegeben von Jurende (Brünn, 8°.) Jahrgang 1848, S. 71–78: Biographie [mit Jurende’s Porträt]. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. III, S. 121.[BN 1]

  1. Erst 1843 erschien er zum ersten Male auf weißem Maschinenpapiere.

Berichtigungen und Nachträge

  1. E Jurende, Karl Joseph [Bd. X, S. 323].
    d’Elvert, Geschichte der k. k. mähr.-schlesischen Gesellschaft u. s. w., wie bei Blumenwitz, Beilagen S. 120–127 [nach diesem geb. am 23. April 1780]. [Band 28, S. 356]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: noch.