Zum Inhalt springen

BLKÖ:Haen, Anton de

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
fertig
Nächster>>>
Hänke, Thaddäus
Band: 7 (1861), ab Seite: 176. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Anton de Haen in der Wikipedia
Anton de Haen in Wikidata
GND-Eintrag: 118700162, SeeAlso
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Haen, Anton de|7|176|}}

Haen, Anton de (Arzt geb. zu Leyden 8. December 1703, nach Anderen 1711, gest. 5. September 1776). Studirte die Arzneiwissenschaft unter Boerhave, der ihn sehr liebte und wesentlichen Antheil an Haen’s Berühmtheit hat. Schon durch zwei Decennien war er einer der gesuchtesten Aerzte im Haag, als er 1754 einem Rufe nach Wien folgte und daselbst Professor der Medicin wurde. Mit H. beginnt in Wien ein neuer Aufschwung der medicinischen Wissenschaft. Nach van Swieten’s Tode wurde H. erster Leibarzt der Kaiserin Maria Theresia. In dieser Stellung wirkte er aber noch immer für die Lehrkanzel fort, an der übrigens sein Nachfolger Stoll in seinem Geiste der Wissenschaft huldigte. Haen, ein Mann offen und gerade, Feind aller Winkelzüge und Förmlichkeiten, wirkte vornehmlich durch die Macht seines Wissens, das durch eine reiche Erfahrung eine heilige Weihe erhalten hatte. Ein abgesagter Feind aller Neuerungen, war er ein energischer, leider nicht immer auch vorurtheilsfreier Bekämpfer derselben, und seine literarische Thätigkeit besteht zum Theile aus Streitschriften. Seine Werke sind: „Historia anatomico-medica morbi miri incurabilis“ (Hagae Comitum 1744, 8°.), seine Inauguraldissertation, worin er einen merkwürdigen Fall der Verwachsung der Gedärme erzählt; – „De colica pictorum“ (ebd. 1745, 8°.), ein noch heut’ geschätztes Werk [in vielen Werken als colica pictonum aufgeführt]; – „De deglutitione vel deglutitorum in cavum ventriculi descensu impedito“ ebd. 1750, 8°.); – „Quaestiones saepius motae super methodo inoculandi variolas ...“ (Vindobonae 1757, 8°.); – [177] „Lettre à un de ses amis au sujet de la lettre de Mr. Tissot à Mr. Hirzel“ (Wien 1758, u. ebd. 1763, 8°.); – „Réfutation de l’inoculation servant de reponse à deux pièces de M. de la Condamine et Tissot“ ebd. 1759, gr. 8°.); – „Ad perillust. Baltasaris Ludovici Tralles medici Vratisl. epistolam apologeticam responsio, cujus pars prima circa variolarum inoculationem versatur, altera sanguinis missionem et opium in studio variolarum suppuratorio laudat“ (ebd. 1764, 8°.), diese vier Schriften sind sämmtlich gegen die Einimpfung der natürlichen Blattern als Schutzmittel gerichtet. H. bekämpft darin Tissot, de la Condamine, Tralles, Barbeu und hat durch dieselben der Ausbreitung der Pockenimpfung in Oesterreich wesentlich entgegengearbeitet. Uebrigens nahm H. schon vor einem Jahrhundert in dieser Frage einen Standpunct ein, der in der Gegenwart von einer Partei neuerdings zu erobern gesucht und durch eine erschreckende Menge von Beispielen aus der Praxis, welche die Schädlichkeit der Impfung darthun, vertheidigt wird; – „Ratio medendi in Nosocomio practico, quod in gratiam Medicinae Studiosorum condidit Maria Theresia, Pars I–XV“ (Viennae 1758–1770, mit einem vollständigen Index, 8°.); – „Rationis medendi continuatae in Nosocomio practico, Tomus I–III“ (ebd. 1771–1779, 8°.) [vergl. Ebert, Bibliogr. Lexikon, Bd. I, Nr. 9160], der dritte Band dieser Fortsetzung ist von Maximilian Stoll herausgegeben; das ganze Werk ist in Paris und Leyden, wie auch noch andere Schriften de Haen’s theils übersetzt, theils nachgedruckt; eine deutsche Uebersetzung von Ernst Plainer ist in neun Bänden (Leipzig 1779–1785, 8°.) erschienen. Den zweiten Band von der Blatterneinimpfung gab Franz Xaver von Wasserberg deutsch (Wien 1775, 8°.) heraus. Die „Ratio medendi“ ist das noch heut’ in der Wissenschaft hochgeschätzte Hauptwerk de Haen’s; es ist reich an trefflichen Erfahrungen, scharfsinnigen Beobachtungen, erfolgreichen Versuchen mit Arzneimitteln und aufklärenden Leichenöffnungen; – „Theses pathologicae de haemorrhoidibus“ (Viennae 1759, 8°.); – „Theses sistentes febrium divisiones, natamque ea de causa de miliaribus et petechiis caeterisque febribus exanthemis dissertationem“ (ebd. 1760, 8°.); – „Difficultates circa modernorum systema de sensibilitate et irritabilitate humani corporis ...“ (Lugduni Batav. 1761, 8°.); – „Vindiciae difficultatum circa modernorum systema de sensibus et irritationibus humani corporis contra Alberti de Haller apologiam“ (ebd. 1762, 8°.), die zwei letztgenannten Schriften sind gegen Haller’s Theorie von der Empfindlichkeit und Reizbarkeit des menschlichen Körpers gerichtet. Haen war Haller’s entschiedenster Gegner; da er ihn aber immer mit Anführung älterer Autoritäten statt mit rationellen aus der Wahrheit der Wissenschaft geschöpften Beweisgründen widerlegte, so blieben seine Angriffe erfolglos und Haen nahm zuletzt nicht Anstand, Haller’s große Verdienste anzuerkennen; – „Dissertatio sistens examen proverbii: Medicina turpis disciplina“ ebd. 1763, 8°.); – „Epistola de Cicuta“ (Viennae 1765), eine gegen Störck gerichtete Streitschrift, in welcher H. Recht behielt, was auch spätere Versuche bekräftigten; – „De Magia liber“ ebd. 1774, auch Venetus 1775, 8°.); – „De miraculis liber“ (Francof. et Lips. 1776, gr. 8°.). [178] Nach de Haen’s Tode erschien eine Gesammtausgabe seiner Werke unter dem Titel „Opuscula omnia medico-physica in unum nunc primum collecta“ 6 Bde. (Napoli 1780, 8°.), und Jos. Eyerel gab heraus: „Opuscula quaedam inedita; accedunt historiae morborum a Stollio in Collegio clinico Haenii 1770–1772 consignatae“ 2 Thle. (Vindob. 1795, 8°.). Dr. Joh. Mich. Schosulan gab zum Gebrauche für die Studirenden ein „Epitome operum omnium Antonii de Haen“ (Viennae 1778) heraus und Franz Xaver von Wasserberg besorgte eine von Zusätzen begleitete Ausgabe von „Antonii de Haen Praelectiones in Hermanni Boerhave institutiones pathologicas“. 5 Bde. (ebd. 1780–1782, 8°.). Von einer deutschen Uebersetzung dieses Werkes, gleichfalls von Wasserberg, kam nur der erste Band (Leipzig 1786, 8°.) heraus. Haen starb im Alter von 73 Jahren, Stoll war sein würdiger Schüler und Nachfolger. Hat auch heut’ zu Tage seine Ratio medendi mehr ein historisches Interesse, so ist er doch als Begründer der Wiener Schule in der Medicin anzusehen, welche in der Gegenwart den ersten Rang in der wissenschaftlichen Welt behauptet.

Gruner (Chr. Gottfr.), Almanach für Aerzte und Nichtärzte (Gera, Heinsius, 8°.) Jahrg. 1782, S. 111. – Saxius (Christoph), Onomasticon literarium sive nomenclator histor. critic. praestantissimorum omnis aevi scriptorum (Utrecht 1760 et s., 8°.) P. VII, p. 276. – Giornale di Medicina (Venezia 1776). – Meusel (Joh. Georg), Lexikon der vom Jahre 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller (Leipzig, Fleischer), Bd. V, S. 26. – Adelung’s Fortsetzung von Jöcher’s Gelehrten-Lexikon. – Oesterreich. National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. II, S. 169. – Kayser (Christian Gottlob), Vollständiges Bücherlexikon, enthaltend alle von 1750 bis Ende des Jahres 1832 in Deutschland ... gedruckten Bücher (Leipzig 1835, Ludw. Schumann, 4°.) Bd. III, S. 24. – Quérard (J. M.), La France littéraire ou dictionnaire bibliographique des Savants ... qui ont écrit en français etc. (Paris 1830, Firmin Didot frères, 8°.) Bd. IV, S. 7. – Porträt. G. Prochaska del., J. Adam sc. (8°.).