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BLKÖ:Habsburg, Ferdinand von Oesterreich

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 6 (1860), ab Seite: 190. (Quelle)
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85. Ferdinand von Oesterreich, Erzbischof von Toledo und Cardinal (geb. 16. Mai 1609 gest. 9. November 1641). Sohn Philipp’s III., Königs von Spanien, und Margaretha’s, Tochter des Erzherzogs Karl von Oesterreich. Er erhielt eine vortreffliche Erziehung, und verband mit seltenen Talenten einen großen Eifer in Erwerbung von Kenntnissen. Schon 1619 erhielt er die beständige Administration des Erzbisthums Toledo, welche er am 5. Mai 1620 antrat; am 29. Juli 1619 wurde er mit dem Cardinalshute geschmückt; auch wurde er bereits 1631 von seinem Bruder, dem Könige, dazu bestimmt, nach der Infantin Isabella Clara Eugenia [s. d. Nr. 76] die Regierung der Niederlande zu übernehmen. Im April 1632 begleitete Ferdinand seinen Bruder Philipp IV. nach Barcellona, wo letzterer die 1626 abgebrochenen Cortes wieder zu eröffnen im Begriffe war. Als aber den König sein Premierminister aus politischen Gründen zur Rückkehr überredet hatte, blieb der Cardinal-Infant – diesen Namen führt Ferdinand gewöhnlich in der Geschichte – als des Monarchen Stellvertreter bei den Cortes zurück. Die zur Abhaltung der Cortes bewilligte Frist von acht Monaten verlief, ohne daß der durch die Voreiligkeit des Ministers Onate hervorgerufene Hutstreit geschlichtet worden wäre. Als nämlich der Cardinal-Infant, als des Königs Stellvertreter, im Dome den feierlichen Eid schwören sollte, gebot Graf Onate: daß Jeder ohne Unterschied den Hut herabzunehmen habe. Nun aber besitzen die Cortes das altherkömmliche Privilegium, bei öffentlicher Gelegenheit, selbst in Gegenwart des Königs, bedeckten Hauptes zu erscheinen. Der Befehl des Ministers galt für eine Verletzung der alten Rechte, heftiger Streit entspann sich darüber, woran auch das Volk Theil nahm, und als die Cortes geschlossen wurden, verließ Ferdinand thränenden Auges das Land. Die Angelegenheiten in Deutschland hatten die Aufmerksamkeit des spanischen Hofes erregt, welcher entschlossen war, die Macht des ihm nahe verwandten Kaisers zu stärken. Ferdinand ward dazu ausersehen, diese wichtige Mission zu vollbringen, und am 9. April 1633 verließ er mit einer Flotte von 3 Kriegsschiffen und 15 Galeeren und mehreren Tausend Mann Landungstruppen den Hafen von Barcellona und betrat bei Nizza den italienischen Boden. In Nizza ward Ferdinand von dem Herzoge von Savoyen empfangen. Dem Scharfsinne des savoyischen Staatssecretärs Martin d’Aspe [191] ist eine Titulatur zu verdanken, die sich seither an den europäischen Höfen erhalten hat. Der Herzog von Savoyen führte den Titel Altezza, derselbe Titel wurde aber bisher auch dem Infanten gegeben. Es galt also, einen Titel ausfindig zu machen, der den Herzog von Savoyen nicht nöthigte, seinen bisherigen Titel — wozu er sich wohl auch kaum herbeigelassen haben würde – aufzugeben, und doch anderseits den höhern Rang des Infanten, der denselben Titel führte, andeuten sollte. Martin d’Aspe verfiel nun auf die Idee, daß der Herzog von Savoyen den Cardinal-Infanten mit Altezza reale begrüßte, während der Infant ihm die einfache Altezza zurückgab. Diese Erfindung ist seitdem an allen Höfen der Christenheit beliebt worden, um die königliche Hoheit der Geburt anzudeuten. Dem entsprechend steigerte sich derselbe im andern Falle zur kaiserlichen Hoheit. Der Cardinal-Infant hielt am 24. Mai 1633 seinen feierlichen Einzug in Mailand, und um in Deutschland mit einer imposanten Macht zu erscheinen, welche durch Wallenstein’s Verhalten nothwendig geworden war, verstärkte Ferdinand seine Truppen durch Werbung, welche den Winter 1633 und Frühling 1634 dauerten, begann am 23. Juni den Abmarsch in mehreren Colonnen über Tirol nach Bayern, wo Hilfe zuerst nöthig sich zeigte. Mit etwa 18.000 Mann gelang es ihm, sich mit dem Könige von Ungarn am 2. September zu vereinigen und am 7. September fand die Schlacht von Nördlingen Statt, in welcher der Infant seiner Ahnen würdig sich zeigte. Khevenhüller und Gualdo Priorato führen als Charakterzug des Cardinal-Infanten an, er habe den ihm als Gefangenen vorgeführten feindlichen Feldmarschall Horn umarmt. Die Unruhen in den Niederlanden, wo bereits am 2. December 1633 die Infantin Isabella gestorben war, und die einen immer bedenklicheren Charakter annahmen, riefen nun den Cardinal-Infanten dahin, am 26. September 1634 trennte er sich von seinem Vetter, dem Könige von Ungarn, nachmaligem Kaiser Ferdinand III., und hielt in Brüssel am 4. November 1634 nachts, in Antwerpen im April 1635 prächtige Einzüge. Die französischen Intriguen, die längst schon thätig gewesen, nahmen nun offen einen feindseligen Charakter an, am 19. Mai 1635 sandte Ludwig XIII., der am 8. Februar d. J. bereits mit Holland einen Offensivvertrag geschlossen, die Kriegserklärung, welcher der Ausbruch der Feindseligkeiten auf dem Fuße folgte. Mit den Franzosen in Verbindung operirten die Holländer. Nun wurde jener merkwürdige Kampf durch eine Reihe von Jahren geführt, in welchem der Cardinal-Infant, im sogenannten kleinen Kriege, Muth, tüchtige strategische Kenntnisse, Entschlossenheit und Umsicht bei zahllosen Gelegenheiten entwickelte und den Franzosen eine Schlappe um die andere versetzte. In 14 Tagen war die Belagerung von Limburg zu Ende, am 30. October 1635 fiel es in seine Hände, am 3. Juli 1636 wurde ihm die Vormauer der Picardie, La Capelle, übergeben, am 22. Juli zwang er La Châtelet zur Uebergabe, Corbie ergab sich am 22. August. Die deutschen Landsknechte, geführt von Johann von Werth, waren bereits Herren des rechten Oiseufers und streiften sogar unfern von Paris, dessen Bewohner schon sich zu flüchten begannen. „L’année de Corbie“ blieb lange noch sprichwörtlich und deutete den Schrecken an, der damals Alles erfüllte. Nicht weniger günstig waren [192] die Erfolge des Feldzuges vom Jahre 1637. Am 25. August ergab sich Venloo, am 3. September Roermonde, am 7. Oct. mußte Breda capituliren, Maubeuge wurde von den Franzosen freiwillig geräumt. Neue Lorbeeren brachte dem Infanten das Jahr 1638, am 22. Juni erfochte er den Sieg bei Kalloo, in welchem 45 Fahnen, 4 Standarten und über 125 Kanonen erbeutet wurden, am 16. Juli mußte von den vereinigten Franzosen und Holländern die Belagerung von St. Omer aufgehoben werden, worauf eine Reihe kleinerer Siege folgte, welche alle der Cardinal-Infant über den Prinzen von Oranien erfocht. Nun verstärkte der Gegner seine Heeresmacht in großartiger Weise, während die Truppen des Cardinal-Infanten nach der Rückkehr der deutschen Landsknechte sich nur auf seine ursprüngliche Macht und zwei Abtheilungen, welche die Generale Beck und Lamboy befehligten, beschränkten. Nichts destoweniger waren die Erfolge noch immer glücklich. Die Holländer erlitten eine furchtbare Niederlage bei Kwaad peerdsgat, mußten die Belagerung von Hulst aufheben und bei jener von Geldern wieder geschlagen werden; den Franzosen ging es bei der Belagerung von Arras, welche am 13. Juni 1641 begann, in allem Anbeginne auch nicht besser; jedoch eine Verstärkung des Belagerungscorps mit 25.000 Mann, und die am 9. August erfolgte Capitulation der Festung gaben den Vortheil dem Feinde in die Hand. Den Feldzug von 1641 eröffnete der Infant mit der Wegnahme von Lens, bei La Marfée wurde am 6. Juli 1641 ein Sieg erfochten, aber mit der Siegesbotschaft langte auch die Nachricht von dem Ableben des Grafen von Soissons ein. Noch begann die Belagerung von Aire, bei welcher Gelegenheit La Meilleraye, der Commandant der Festung, der sich mit den Herzogen von Enghien, Nemours, Luines, dem Grafen von Guiche auf Kundschaft begab, als ob es zur Promenade ging, mit seiner ganzen glänzenden Gesellschaft in Gefangenschaft gerathen wäre, wenn ihn nicht Oberst Gassion gerettet hätte. Der Infant war aber bereits in Folge der Anstrengungen des letzten herbstlichen Feldzuges krank nach Brüssel gebracht worden, wo er ein Opfer der Unwissenheit spanischer Aerzte durch die zahllosen Aderlässe in seinen schönsten Jahren – er zählte erst deren 32 – der Monarchie und den Niederlanden am 9. November durch den Tod entrissen wurde. Einige Wochen später capitulirte Aire in die Hände des tapfern Generals Beck. Der Verlust, den Oesterreich durch des Infanten Tod erlitten hat, war sehr groß. Der Cardinal-Infant hatte die Niederlande in der höchsten Gährung übernommen und hinterließ sie in der günstigsten Stimmung, treu ergeben und bereit, die schwersten Opfer dem angestammten Herrscherhause zu bringen. Dieß war das Werk von Ferdinand’s mit seltener Umsicht gepaarter Liebenswürdigkeit. Anmuthig und liebenswürdig zeigte er sich in allen Situationen seines Lebens. Eine unerschöpfliche Herzensgüte, eine milde Heiterkeit, die freundlichste Herablassung, die edelste Haltung, verbunden mit einem für alles Schöne und Erhabene empfänglichen Geiste und mit ungewöhnlichen Fähigkeiten, wiesen ihm unter den Fürsten seiner Zeit einen hohen Rang an. Die Kriegswirren, in welche das Land ohne sein Verschulden von dem Momente seines Eintrittes in dasselbe verwickelt war, hinderten ihn, etwas für dessen Verbesserung zu thun. Wenn er als Fürst der Kirche das blutige Waffenhandwerk [193] trieb, so hat er dafür einen Entschuldigungsgrund in der Unsitte, welcher gleich ihm ein Richelieu, La Valette und andere Prälaten seiner Zeit huldigten. Er fühlte sich dieser keineswegs leichten Aufgabe gewachsen und der Kraft bewußt, sie zum Besten seines Souverains, wie es auch der Fall war, zu lösen. Im Jahre 1643 wurde die Leiche des Cardinal-Infanten nach Escurial gebracht und dort beigesetzt. Ferdinand’s natürliche Tochter Maria Anna de Austria (geb. 1641) trat in den Carmeliter-Orden von der Reform der h. Theresia, hieß mit dem Klosternamen Maria de la Cruz und starb in ihrem Kloster zu Madrid den 3. September 1715, nach Anderen aber bereits 1682.

Aedo (Diego de) , Viaje del infante cardinal D. Fernando d’Austria (Amber 1635, 4°., auch Oxf. 1674, Fol.). – Courvoisier (Jean Jacques), Le prince immortel ou la vie de Don Ferdinand d’Autriche (Anv. 1642, 4°.). – Puteanus (Erycius), Purpura Austriaca Ferdinandi Hispaniae Infantis imaginem repraesentans (Antw. 1635, 4°.). – Bassompierre, Vie de Louis XIII., tom. III, p. 336. – Bazin de Baucon, Histoire de France sous Louis XIII., tom. III, p. 440. – Capefigue, Richelieu, Mazarin, la Fronde etc., tom. V, p. 314 u. f. – Le Vassor, Histoire de Louis XIII. , liv. XI, p. 166–199. – Monglat, Mémoires, tom. XLIX, p. 156–242. – Puffendorff, De rebus Sueciae, lib. VI, p. 162. – Sismondi, Histoire des Français XXIII, p. 245–463. – Ersch und Gruber, Allgem. Encyklopädie der Wissenschaften und Künste (Leipzig, 4°.) I. Section, 43. Bd. S. 22–29. [Artikel von Stramberg (Rheinischer Antiquarius) in der gewohnten gründlichen Weise dieses beliebten Forschers, reich an interessantem Detail, dem nur Eines gebricht: die Angabe der Quellen.]