Zum Inhalt springen

BLKÖ:Cobenzl, Johann Ludwig Joseph Graf von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 2 (1857), ab Seite: 390. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Johann Ludwig von Cobenzl in der Wikipedia
Johann Ludwig von Cobenzl in Wikidata
GND-Eintrag: 11769164X, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Cobenzl, Johann Ludwig Joseph Graf von|2|390|}}

Cobenzl, Johann Ludwig Joseph Graf von (Staatsmann und Ritter des goldenen Vließes, geb. zu Brüssel 21. Nov. 1753, gest. zu Wien 23. Febr. 1809). Sohn des Vorigen, folgte von 10 Kindern dem Vater im Majorat, gleichwie in der Thätigkeit für den Staatsdienst. Die politische Laufbahn betrat C. zuerst sammt seinem Vetter Johann Philipp in dem neuerworbenen Galizien, unter der Leitung seines väterlichen Freundes, des Gouverneurs Grafen von Pergen (1772–74). Durch des Fürsten Kaunitz Wohlwollen ausgezeichnet, folgte er dem Marquis von Yre in den Gesandtschaftsposten zu Kopenhagen, wo eben die Katastrophe, welche die unglückliche Königin Mathilde der Freiheit beraubte und die Grafen Struensee und Brand auf das Blutgerüste führte, stattgefunden hatte. Von 1775 an bis zum Ausbruche des bairischen Erbfolgekrieges stand er als Gesandter am Berliner Hofe. Im J. 1779 ging er als Botschafter nach Petersburg, wo er mit Auszeichnung empfangen und zu Katharinens engeren Zirkeln gezogen wurde. Alle Versuche Preußens, das enge Bündniß zwischen Oesterreich und Rußland zu trennen, scheiterten an des Grafen diplomatischer Gewandtheit. Beinahe 16 Jahre verweilte er an Katharinens Hofe, und erwarb sich als Diplomat und Hofmann nicht nur die Achtung der nordischen Semiramis, sondern auch ihre persönliche Zuneigung. C. verstand es, die geistreiche Fürstin auch geistreich zu unterhalten. Vorzüglich glückte ihm dieses durch Theaterstücke in französischer Sprache, die er in freien Stunden für das kaiserl. Sommertheater in der Eremitage schrieb, und welche sich des Beifalls der Kaiserin erfreuten. In der That sollen diese Stücke fein, geistreich und von jener Heiterkeit beseelt sein, die den Grafen nie verließ, auch nicht in den verhängnißvollen Jahren 1794 u. 1795, wo eine Trauerpost die andere drängte. Darum meinte auch Katharina eines Tages, das vorzüglichste und tollste seiner Stücke spare der Graf für die Feier des Einzuges der Franzosen in Wien. Ein andermal, als er ihr auseinandergesetzt, wie wohlthätig für Oesterreich der Verlust der Niederlande und Lombardie sei, gab sie ihm Schuld, daß er den Staat einem Graben vergleiche, der immer größer wird, jemehr man Erde auswirft. Mit dem Tod der Kaiserin abberufen, unterzeichnete er am 17. Oct. 1797 als bevollmächtigter Minister den Frieden von [391] Campo-Formio und stand kurze Zeit dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten vor; schloß zu Rastadt mit Bonaparte die, den Frieden von Campo-Formio und dessen geheime Artikel ergänzende Militär-Convention, und zu Sulz die berüchtigten Conferenzen mit dem Exdirecteur François de Neuf-château ab. 1798 mußte er nochmals nach Petersburg abgehen, wo der Graf, so verändert er nun auch dort die Umstände fand, so feindlich sich Kaiser Paul über die Lieblinge seiner Mutter ausgesprochen hatte, den früheren beinahe noch stärkeren Einfluß zu gewinnen wußte. Die neue Coalition, die Rußlands Heere endlich in den Kampf führte, war sein Werk. Am 9. Febr. 1801 unterzeichnete er mit Joseph Bonaparte den Frieden von Luneville. Als Staats- und Conferenzminister, auch Hof- und Staatskanzler, leitete er seitdem nicht nur die auswärtigen Angelegenheiten, sondern auch gewissermaßen die ganze Monarchie, bis die unglücklichen Ereignisse des Jahres 1805 die sonderbare Verwickelung der Parteien im Ministerium und persönliche Rücksichten ihn nöthigten, am 24. Dec. 1805 seine Entlassung zu geben. Der Graf war ein feiner, ein gewandter Diplomat, aber einen voraussehenden staatsmännischen Blick besaß er nicht. Sein Ausspruch über seinen von allen Seiten bedrängten Souverain „es ist Darius, der gegen Alexander zieht“ zeigt, daß er nicht unter die Zahl der Männer gehört, welche die Schicksale der Völker auf lange Zeit hinaus bestimmen können. Aus dem Kriege von 1809 ging Oesterreich in neuer Kraft und Stärke, ein Phönix aus der Asche der Verwüstung hervor. C. war vermält (17. Juni 1774) mit Theresia Johanna, Gräfin von Montelabate, der Erbin der reichen Herrschaft Napagedl in Mähren, seine 4 Kinder starben aber in der Wiege. Graf Segur, der gleich ihm längere Zeit von Seite Frankreichs am Petersburger Hof als Botschafter beglaubigt war, fällt (Mémoires et Souvenirs II. Bd. S. 257) über ihn folgendes Urtheil: „Le comte de Cobenzl faisait oublier une laideur peu comune par des manières obligeantes, une conversation vive et une gaieté inaltérable. Il était spirituel ... Croyant en politique tout moyen convenable, pourvu qu’il réussit, il surpassait en complaisance et en déférence les courtisans les plus dociles et les plus dévoués“.

Wiener Hofzeitung vom 25. Februar 1809. – Wigands Conversations-Lexikon für alle Stände (Leipzig 1847, O. Wigand, Lex. 8°.). III. Bd. S. 457 [nach diesem gest. am 22. Febr. 1809]. – Baur (Samuel), Allgem. histor.-biograph.-literar. Handwörterbuch (Ulm 1816, Stettini, Lex. 8°.) I. Bd. Sp. 258 [gibt den 22. Febr. 1809 als seinen Todestag an]. – Thiers, Histoire du Consulat et de l’empire. – Ersch (J. S.) und Gruber (J. G.), Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste (Leipzig 1822, Gleditsch, 4°.) I. Sect. 18. Thl. S. 111. – (Brockhaus) Conversations-Lexikon (10. Aufl.) IV. Bd. S. 261 [nach diesem ist C. 22. Febr. 1809 gestorben]. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für gebildete Stände (Hildburghausen 1842, Bibl. Inst., Lex. 8°.) VII. Bd. 2. Abtheil. S. 901. – Nouvelle Biographie générale ... publiée sous la direction de M. le Dr. Hoffer (Paris 1853) X. Bd. Sp. 936 [nach diesem gest. zu Brüssel 22. Febr. 1808].