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BLKÖ:Cesarotti, Melchior

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Cesaris, Angelo
Band: 2 (1857), ab Seite: 327. (Quelle)
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Cesarotti, Melchior (Schriftsteller und Dichter, geb. zu Padua 15. Mai 1730, gest. [nach Ugoni] zu Selvaggiano 4. Nov. 1808). Entstammt einer adeligen aber unbemittelten Familie. Die Begierde sich zu belehren war früh in ihm erwacht und als ihn einst sein Oheim, ein Franziscanermönch, in die Klosterbibliothek einsperrte, kehrte er von seinem Wissensdurste getrieben freiwillig in dieses Gefängniß zurück, das seiner Wißbegierde so viele Nahrung bot. In Padua vollendete C. seine Studien und nahm später die Stelle eines Erziehers im Hause Grimani in Venedig an. Durch seine Bekanntschaft mit dem Engländer Charles Sackville lernte C. die Dichtungen Ossians[WS 1] kennen, die ihn so anregten, daß er sie übersetzte. Lord John Stuart Graf von Bute, dem C. diese Uebersetzung gewidmet, ließ sie in einer schönen Ausgabe erscheinen. Mit dieser Uebersetzung hatte C. seinen Ruhm begründet; er erhielt einen Ruf als Professor der griechischen Sprache und Literatur an die Universität nach Parma, aber die venetianische Republik wollte sich den so schnell berühmt gewordenen Mann nicht nehmen lassen und verlieh C. 1768 eine Professur der griechischen und hebräischen Sprache an der Universität zu Padua. Im Herbste besuchte C. gewöhnlich Venedig, nur im J. 1786 machte er eine Reise nach Florenz, Rom u. Neapel und bekannt ist die treffende und lakonische Charakteristik, die C. von den 3 Städten entwarf [Ep. tom. II. S. 209]; „Florenz ist das Cabinet des Geschmackes, Rom die Königin der Künste, Neapel der Garten der Natur“. Nur noch einmal unternahm C. eine Reise nach Mailand, als ihn die Paduaner, gegen welche Napoleon aufgebracht war, dahin schickten, um sie mit dem Kaiser zu versöhnen. Der Kaiser nahm C. huldvoll auf. Sonst brachte er seine ganze Zeit in Padua oder auf seinem Landgute Selvaggiano, immer mit seinen literarischen Arbeiten oder mit der Pflege seines Gartens beschäftigt zu. In Betreff des letztern war C. nicht sehr glücklich und sein Gärtner pflegte zu sagen: „jede Pflanze zittere von oben bis unten, so oft der Herr mit aufmerksamen Blicken an ihr vorübergehe“. Sein Biograph Barbieri schreibt über ihn: „C. studirte ohne Unterlaß Tag und Nacht und was noch mehr ist, nach Tische, und zwar mehrere Stunden hintereinander, auch in seinem Alter, so daß er mit erhitztem Gesichte und wie träumend davon aufstand. Nie setzte er sich zum Schreiben, bevor er nicht den Bau seiner Arbeit umrissen, die einzelnen Theile derselben bezeichnet und sogar die Perioden schon insgeheim in seinem Kopfe verarbeitet hatte.“ Als Mensch war C. wenngleich ein Gelehrter, [328] doch leutselig. Sittliche Schönheit war der Abgott seiner Seele, daher hatte er für Werke eines Plato, Petrarca, Tasso, Metastasio, Mendelssohn, Racine, Geßner, Fénélon, Necker, Buffon, Bernardin de St. Pierre, in denen die sittliche Schönheit triumphirte, eine besondere Vorliebe. Sein Gemüth war sanft, lebhaft, enthusiastisch für alles Schöne, Geistige und Gute, sein Herz war immer den zartesten Empfindungen offen. Die Weichheit seines eigenen Herzens spiegelt sich, und dies nicht immer zum Vortheil derselben, in seinen Schriften ab. Zu nachsichtig in Beurtheilung der Werke von Andern, war er was seine eigenen Arbeiten anbelangt, nicht gleichgiltig gegen den Beifall seiner Zeitgenossen, und wie Barbieri bemerkt, „pflegte er, unruhig über den Erfolg seiner Schöpfungen, die Schwierigkeiten selbst zu vergrößern und fast Muth und Beistand von den Freunden zu betteln“. C.’s gesammelte Schriften sind unter dem Titel: „Opere complete dell’ Abb’ Melchior Cesarotti“ (Pisa 1805–1813, nella tipogr. letteraria, 8°.) in 40 Bänden erschienen und nach seinem Tode von Barbieri, seinem Schüler und Nachfolger auf dem Lehrstuhle zu Padua, fortgesetzt worden. Diese Sammlung enthält: „Saggio sulla filosofia delle lingue“, 1 Bd.; – „Ossian“, 4 Bde.; – „Iliade in versi“, 4 Bde.; – „Iliade in prosa con indice generale“, 7 Bde.; – „Relazioni accademiche“, 2 Bde.; – „Satire di Giuvenale“, 1 Bd.; – „Corso di letteratura greca“, 3 Bde.; – Demostene, 6 Bde.; – „Prose varie“, 2 Bde.; – „Prose latine“, 1 Bd.; – „Poesie italiane“, 1 Bd.; – „Versioni di tre tragedie di Voltaire, 1 Bd.; – „Epistolario“; – „I primi pontefici“, 1 Bd. G. A. Maggi veranstaltete von diesen Gesammtwerken eine geschickte Auswahl unter dem Titel: „Opere scelte“; 4 Bde. (Mailand tip. de class. italiani, 8°.). Was nun die einzelnen Werke betrifft, so greift C. im „Saggio sulla filosofia delle Iingue“ die Dictatur der florentinischen Sprachforscher an und begründet die Nothwendigkeit eines neuen, nach freiern umfassenden Principien zu entwerfenden Wörterbuches der italienischen Sprache, welche Schrift ebenso Lob erfuhr als auch manche Gegner fand. Ugoni im III. Th. seiner Geschichte der italienischen Literatur theilt interessantes Detail über dieses Werk mit. Gegen dasselbe erschienen zwei bedeutendere Schriften, eine von dem Abate Velo von Vicenza, der sich unter dem Namen Garducci verbarg, und auf die Abate Zendrini, C.’s Schüler antwortete; die andere von dem Grafen Gian-Francesco Galeani-Napione, worauf C. in einer besonderen Schrift und in einem an den Grafen gerichteten Briefe erwiederte. – Die „Poesie di Ossian antico poeta celtico“ erschienen, außer der ersten unvollständigen Ausgabe (1763) zu Padua (1772) und wurden nicht blos in Italien, sondern auch in den andern civilisirten Staaten mit Beifall aufgenommen. C. führte diese Uebersetzung in der Blüte seines Alters aus, und Ugoni schreibt von derselben: „Die Pracht und Eleganz seiner Versi sciolti, ihr Einklang mit den Gegenständen und Gemüthsstimmungen, die zu schildern waren, üben eine solche Gewalt auf die Seele des Lesers, daß sie ihn mitten unter jene Scenen, wie durch einen Zauberschlag versetzen.“ – Was die „Iliade in versi“ und „in prosa“ betrifft, so war C. minder glücklich mit dem alten Griechen wie mit dem alten Gaelen. Die Veränderungen, die C. mit dem unsterblichen Sänger der Ilias vorgenommen, dürfte, wie Ugoni bemerkt, heutzutage Niemand wagen zu rechtfertigen. Die Herausgabe derselben veranlaßte das Erscheinen einer Carricatur zu Rom. Diese stellte eine winzige französisch [329] und lächerlich gekleidete Figur mit einem Homerskopfe vor, darunter stand: „Der übersetzte Homer“. C. nahm den gelungenen Spott, für dessen Urheber Monti gehalten wurde, mit Heiterkeit auf. Hingegen sind die der Uebersetzung Homers beigegebenen Abhandlungen das Resultat großer und seltener Gelehrsamkeit und erwarb sich C. damit ein wesentliches Verdienst um den unsterblichen Sänger der Ilias. – Auch mit „Satire di Giuvenale“ hat C. keinen sehr glücklichen Wurf gethan. Die „Umschreibungen, Erweiterungen, Verfeinerungen und Unterschiebungen eigener Gedanken“ verderben, wie Ugoni bemerkt, den Styl der Satire. – Die Uebersetzung des „Demostene“ umfaßt nicht alle Reden des griechischen Redners, die Philippiken sind vollständig, von den übrigen sind nur Auszüge sowie die Uebertragungen der wichtigeren Stellen mitgetheilt. Die erstern, meinte C., umfassen die ruhmvolle Laufbahn des Demosthenes, die andern erscheinen ihm forse sufficienti alla fama di un dicitor subalterno“. – Der „Corso di letteratura greca“ enthält eine glückliche Auswahl von dem Besten und Trefflichsten aus der griechischen Literatur. – Das „Epistolario“ umfaßt ein reiches kritisches Materiale, dem der philosophische Scharfblick und die große Gelehrsamkeit C.’s noch jetzt Werth und Gewicht verleihen. – In der „Relazioni academiche“ ist in 18 Uebersichten Alles was in den Privatsitzungen der Paduaner Akademie seit 1780–1798 geleistet worden, mit Geist und Geschick zusammengefaßt; auch schrieb C. als Secretär der Akademie mehrere Elogia von Akademikern, unter denen jenes des Abate Olivi das bedeutendste ist. – Von dem Werke: „Vite dei primi cento Pontefici“ bemerkt ein Kritiker: che non puo giovar molto né alla cognizione della storia né alla fama dell’Autore. – Seine „Poesie“ enthalten Gedichte, worin er sich Petrarca, Ossian zum Muster genommen; – sein auf Napoleon verfaßtes Gedicht: „Pronea“, welches so viel bedeutet als Provvidenza fand vor der Kritik wenig Gnade, und Sir Hobhouse bemerkt aus Anlaß desselben: „als endlich Bonaparte Kaiser und abermals Herr der venezianischen Gebiete wurde, machte er C. zum Commandeur von einem seiner Orden und bewilligte ihm eine Pension, um sich seiner Dankbarkeit und seiner Lobestrompete zu versichern. – Die „Versione di tre tragedie di Voltaire“ enthält die Uebersetzung der Semiramis, des Mohamed und Cäsars Tod, und Voltaire schrieb an C. darüber einen seiner süßlichsten Briefe. C. lebte in einer stürmischen, wechselvollen Zeit. In seiner sanften Gemüthsart und ausgesprochenen Liebe zum Frieden und häuslichen Ungestörtheit ist wohl zunächst die Ursache des ihm vorgeworfenen politischen Verhaltens zu suchen. Er war durch und durch Büchermensch; plötzlich ohne zu wollen in den Strudel der politischen Ereignisse geworfen, hielt er es immer mit der herrschenden Partei und besang heute die Russen und Oesterreicher, in deren Macht er sich eben befand, und morgen Napoleon, als dieser als Sieger über Italien triumphirte.

Barbieri (Gius.), Memorie intorno alla vita ed agli studj dell’ Ab. Melchior Cesarotti (Padova nel Seminario, 1810). – Derselbe: Elogio funebre (Bassano 1809, 4°.). – Archiv für Geographie, Historie, Staats- u. Kriegskunst, II. Jahrg. (Wien, Strauß, 4°.) 1811, S. 338 und 346: „Leben und Studien des Abts Melchior Cesarotti“ [Auszug aus Barbieri’s vorerwähnter Schrift]. – Meneghelli (Antonio), Opere (Padua 1831, Druck der Minerva, 8°.) I. Bd. S. 241: „Vita di Melchior Cesarotti“ [auch besonders „Elogio“] (Venedig 1817, 8°.). – [Zuccala, Giambattista] Saggio sopra la vita e le opere dell’ Abate Melch. Cesarotti (Bergamo 1809, 8°.). – Raccolta de’ classici italiani del Secolo XVIII: „Opere scelte di M. Cesarotti“ [daselbst [330] steht voran sein Leben von G. A. M.]. – Maffei (Gius.), Storia della Letteratura italiana (Mailand 1834, Società typogr. de’ classica italiani) III. Bd. S. 188. – Sographi (Ant.), Elogium (Padua 1810, 8°.). – Gazzetta uffiz. di Venezia 1856, Nr. 39. – Federico (Federigo), Quadro storico-critico della ital. letteratura (Venedig 1856) I. Bd. S. 16. – Ugoni (Camillo), Geschichte der ital. Literatur (Zürich 1830, Orell) III. Bd. S. 201. – Baur (Samuel), Allgemeines histor.-biograph.-literarisches Handwörterbuch aller merkwürdigen Personen, die im ersten Jahrzehend des 19. Jahrhund. gestorben sind (Ulm 1816, Stettini, Lex. 8°.) I. Bd. S. 232 [nach diesem ist C. am 10. Mai 1730 geb., am 4. Nov. 1808 gestorben]. – Morgenblatt (Stuttgart, Cotta, 4°.) 1811, Nr. 120, 121 u. 123. – Dandolo (Girolamo), La caduta della repubblica di Venezia ed i suoi ultimi cinquant’ anni. Studii storici. (Venedig 1856, Naratovich, 8°.). Giunte e correzioni ai cenni biografici, p. 30. – Gamba (Barthol.), Galleria dei Letterati ed Artisti illustri delle Provincie Veneziane nel secolo XVIII (Venedig 1824, 8°.) [daselbst sein von Comirato gestochenes Porträt]. – Nouvelle Biographie générale ... publiée sous la direction de M. le Dr. Hoffer (Paris 1853) IX. Bd. Sp. 500 [gibt den 3. Nov. 1808 als C.’s Todestag an]. – Oestr. National-Encyklopädie (von Gräffer und Czikann), (Wien 1835, 6 Bde.) I. Bd. S. 496 [nennt ihn irrig Michael und gibt den 3. Nov. 1808 als C.’s Todestag an]. – Ersch (J. S.) und Gruber (J. G.), Allgemeine Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste (Leipzig 1822, Gleditsch, 4°.) I. Sect. 16. Theil, S. 82 [gibt den 3. Nov. 1808 als C.’s Todestag an]. – Schmidl (Ad. Dr.), Oestr. Blätter für Literatur u. Kunst I. Jahrg. (Wien 1844, 4°.) I. Quartal. Literaturblatt. Nr. 10, S. 76. – II. Quart. Lit. Bl. Nr. 1, S. 4. – Nach Oettinger’s (E. M.), Bibliographie biographique univ. (Bruxelles 1854, q. 4°.) I. Bd. Sp. 273 ist C. am 15. Mai 1730 geb., am 8. Nov. 1808 gest. – Hobhouse Illustrations of the fourth Canto of Childe Herald, deutsch im Auszuge im Journal „Hermes“ 1820. – (Brockhaus) Conversations-Lexikon (10. Aufl.) III. Bd. S. 781 [gibt den 3. Nov. als dessen Todestag an].

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vergleiche dazu Ossian (Wikipedia).