Auszug aus den Anfangs-Gründen aller Mathematischen Wissenschaften/Die Geographie
Die Geographie ist eine Wissenschaft von der Figur und Grösse der Erde und daher rührenden Eigenschaften.
2. Die Erde ist beynahe kugelrund.
Der Mond wird durch den Schatten der Erde verfinstert (§. 155. Astron.). Der Erdschatten siehet wie ein Circul aus, der Mond mag in denselben hineinkommen, wo er will, gegen Osten, Westen oder Süden, weit von oder nahe bey der Erde (§. 154. Astron). Also ist der Durchschnitt desselben ein Circul, und folgends die Erde beynahe kugelrund, (§. 44. 45. Optic.). W. Z. E.
3. Ich sage, die Erde sey beynahe kugelrund. Denn wir treffen hin und wieder hohe Berge an, welche die kugelrunde Figur zu hindern scheinen. Doch weil sie nicht hindern können, daß der Erdschatten sich wie ein Circul präsentiret, muß ihre Höhe gegen den Diameter der Erde keine merkliche Verhältniß haben. Ueber dieses haben die neuern Mathematici erwiesen, daß die Erde gegen die Pole niedrig gedrücket, und mitten zwischen denselben etwas erhabener sey.
4. Daher ist es nicht Wunder, daß man die Erde zur See schon etlichemal umschiffet hat.
[490]5. Ferdinandus Magellanes hat A. 1519. innerhalb 1124 Tagen die Erde das erstemal umschiffet; nach ihm haben Franciscus Draco, ein Engländer, A. 1557. innerhalb 1056; Thomas Condish, auch ein Engländer, A. 1586. innerhalb 777; Simon Cordes, aus Rotterdam, A. 1590. und Olivier Noort, gleichfalls ein Holländer, A. 1598. innerhalb 1077; und Wilhelm Cornelius Schouten A. 1615. innerhalb 749; und Jacob Heremiten und Johann Hugen A. 1623. innerhalb 802. Tagen dergleichen Reise gethan.
6. Dieses ist auch die Ursache, warum die Sonne nicht an allen Orten auf dem Erdboden zu gleicher Zeit auf- und untergehet; sondern viel eher bey denen Morgen- als Abendländern in ihrem Horizont und Meridiano sich sehen lässet; daß auch dannenhero, wenn man die Stunden des Tages von dem Mittage an zählen will, die Uhr an allen Orten nicht einerley schlagen kan. Denn wenn bey uns z. E. 3 Stunden nach Mittage sind, müssen die Morgenländer schon mehrere Stunden nach Mittage zählen, nachdem sie viel oder wenig weiter gegen Morgen liegen, als wir.
7. Eben von der runden Figur der Erde kommet es, daß die Reisenden nicht allein zu Lande, sondern auch zu Wasser die Spitzen der Thürme, die Mastbäume der Schiffe, und die Berge und Klippen allezeit eher sehen, als was der Erde näher ist.
8. Daher müssen uns Leute die Füsse zukehren, welche man Antipodes und Antichthones zu nennen pfleget, und doch haben sie den Himmel über [491] ihrem Kopfe, und die Erde unter ihren Füssen, wie wir.
9. Man bildet sich auf der Erdkugel alle Circul ein, die man auf der Weltkugel beschreibet. Nemlich die beiden Puncte A und P, um welche sich die Erde innerhalb 24 Stunden beweget, nennet man die Pole, und zwar den einen A den Nordpol, den andern P den Süderpol. Der AEQUATOR oder die Linie ist der Circul QR, der von jedem Pole A und P überall 90° weg ist. Die Ecliptick EL ist ein Circul, welcher den Aequatorem dergestalt durchschneidet, daß er mit ihm einen Winkel von 23°29’ machet. Der TROPICUS CANCRIEN und TROPICUS CAPRICORNI, LM werden mit dem Aequatore in der Weite von 23°29’ parallel gezogen, und die beiden Polarcircul uO und yX um die Pole A und P in der Weite von 23°29’ beschrieben. Der Horizont wird hier eben so, wie in der Astronomie, genennet. [Fig.1]
10. Der MERIDIANUS oder Mittagscircul ist ein halber Circul, welcher durch die Pole und einen jeden Ort beschrieben wird. Zuweilen führet auch der ganze Circul diesen Namen.
11. Weil die Sonne in den Meridianum kommet, wenn es Mittag ist, (denn der Meridianus an der Himmelskugel ist mit dem Erd-Meridiano [492] in Einer Fläche,) so haben alle Oerter, die in einer Hälfte des Meridiani liegen, zu gleicher Zeit Mittag, und gehet also die Uhr bey ihnen auf einerley Art.
12. Damit man einen gewissen Anfang auf der Erde hat, machet man einen von den Meridianis zum ersten, und zählet von ihm an die übrigen von Abend gegen Morgen zu. Einige ziehen ihn durch die Canarische Insul Teneriffa wegen des hohen Berges Pico, den man auf der See bis 60 Meilen sehen kan; andere durch die Caboverdische Insul del Fuogo; andere durch die Caboverdische Insul St. Nicolai; noch andere durch die Flandrischen Insuln del Corvo und Flores; noch andere durch die Canarische Insul Palma; die Franzosen auf Befehl des Königs Ludovici XIII. durch die Insul del Ferro.
13. Die Grösse des Erddiameters zu finden.
1. Nehmet zwey hohe Berge E und G an, die etliche Meilen von einander liegen, und messet ihre Weite LM. [Fig.2]
2. Steiget auf beide Höhen und messet die Winkel FEG und FGE (§. 43. Geom.); so wisset ihr den dritten F (§. 77. Geom.) dessen Maaß der Bogen LM ist. (§. 16. Geom.).
3. Da euch nun der Bogen LM sowol in Graden und Minuten, als auch in Meilen oder Schuhen bekannt ist; so könnet ihr durch die Regel Detri finden, wie viel Meilen oder Schuhe die gröste Peripherie der Erdkugel, folgends auch (§. 133. Geometr.) der Diameter der Erde hat.
Z. E. es sey LM 5 deutsche Meilen, E 89° 55, [493] G 89° 45’; so ist der Winkel F 20’; folgends sind 360° oder 21600 Min. 5400 und LF 860 deutsche Meilen.
14. Man nimmet insgemein an, daß der halbe Diameter der Erde 860 deutsche Meilen, und ein Grad in der grösten Peripherie der Erde 15 deutsche Meilen hält. Die Königlichen Mathematici zu Paris haben unter der Direction des Piccard, wiewohl auf eine andere Art, die ich in meinen Element. Geogr. §. 42. erkläret, die Grösse des Erd-Diameters gesuchet, und dieselbe 6538594 Französische sechsfüßige Ruthen gefunden. Vid. Traité du nivellement par Mr. Picard in Append. p. 106. Es verhält sich aber der Pariserschuh zu dem Rheinländischen wie 1440 zu 1390. Nach der allerneuesten Ausmessung des Cassini, die er A. 1700. auf Befehl des Königes wiederholet, ist der Erddiameter 6541370, und eine grosse deutsche Meile hält 22825 Pariser Schuhe, eine Viertelmeile aber 5706.
15. Also ist die ganze Fläche der Erdkugel 9288000 Quadratmeilen, und der cörperliche Inhalt derselben 2662560000 Cubicmeilen (§. 208. Geom.).
16. Die Grösse eines Grades in jedem Parallelcircul zu finden, dessen Abstand vom Aequatore DF gegeben wird. [Fig.3]
Weil euch DF gegeben wird, so wisset ihr in dem bey E rechtwinkelichten Triangel ECF den Winkel C. Da nun auch der halbe Diameter der Erde CF bekannt ist (§. 14.); könnet ihr den halben Diameter des Parallelcirculs EF (§. 20. Trigon.), folgends die Peripherie (§. 132. Geom.), und daher auch die Grösse eines Grades finden.
[494]17. Durch gegenwärtige Aufgabe ist folgendes Täfelein berechnet worden, darinnen in der ersten Reihe die Weite der Parallelen in Graden, in der andern aber die Grösse eines Grades in deutschen Meilen und ihren Minuten angegeben wird. Es ist aber eine Minute einer Meile.
0 | 17.52’ | 23 | 13.48 | 46 | 10.25 | 69 | 5.23 |
1 | 14.59 | 24 | .42 | 47 | .14 | 70 | .8 |
2 | .59 | 25 | .36 | 48 | .2 | 71 | 4.53 |
3 | .58 | 26 | .29 | 49 | 9.050 | 72 | .38 |
4 | .57 | 27 | .22 | 50 | .38 | 73 | .23 |
5 | .56 | 28 | .15 | 51 | .26 | 74 | .8 |
6 | 14.55 | 29 | 13. 7 | 52 | 9.14 | 75 | 3.53 |
7 | .53 | 30 | 12.59 | 53 | .2 | 76 | .38 |
8 | .51 | 31 | .51 | 54 | 8.49 | 77 | .23 |
9 | .48 | 32 | 43 | 55 | .36 | 78 | .8 |
10 | .46 | 33 | .35 | 56 | .23 | 79 | 2.52 |
11 | 14.43 | 34 | 12.26 | 57 | 8.10 | 80 | 2.30 |
12 | .40 | 35 | .17 | 58 | 7.57 | 81 | .20 |
13 | .37 | 36 | .8 | 59 | .44 | 82 | .5 |
14 | .33 | 37 | 11.59 | 60 | .30 | 83 | 1.50 |
15 | .29 | 38 | .49 | 61 | .10 | 84 | 1.34 |
16 | .25 | 39 | 11. 9 | 62 | 7. 2 | 85 | 1.18 |
17 | .21 | 40 | .29 | 63 | 6.48 | 86 | .3 |
18 | .16 | 41 | .19 | 64 | .34 | 87 | 0.47 |
19 | .11 | 42 | .9 | 65 | .20 | 88 | .31 |
20 | .6 | 43 | 10.58 | 66 | .6 | 89 | .16 |
21 | .0 | 44 | .47 | 67 | 5.52 | 90 | 0. 0 |
22 | 13.54 | 45 | .36 | 68 | 5.38 |
18. Also könnet ihr durch die Regel-Detri die vorgegebenen Grade eines jeden Circuls auf der Erdkugel in deutsche Meilen, und hinwiederum die Meilen in Grade verwandeln. Z. E. man begehret zu wissen, wie viel Meilen 16 Grade in dem Parallelcircul machen, der vom Aequatore 51° abstehet. Sprechet: 1 Grad giebet 9 Meilen 26 M. was geben 16? So findet ihr 150 M. 56’.
19. Wie weit man von einer Höhe AE sehen kan, zu finden. [Fig.4]
1. Addiret zu dem halben Diameter der Erde CE die gegebene Höhe AE; so wisset ihr in dem rechtwinkelichten Triangel die Seite AC und CD. Derowegen könnet ihr den Winkel C (§. 23. Trigon.) finden, dessen Maaß der Bogen ED ist (§. 16. Geometr.).
2. Verwandelt diesen in Meilen (§. 18.). So ist geschehen, was man verlangte.
Z. E. es sey AE 300’ oder 50 Französische sechsfüßige Ruthen; so ist AC 3271635. und CD 3271585. (§. 14.), und ihr findet den Bogen ED 19’ das ist 4 grosse deutsche Meilen.
20. Wenn ihr für AE 5’ annehmet, so hoch nemlich das Auge des Menschen gemeiniglich über der Erde erhaben ist, wenn er in der Ebene steht; so werdet ihr finden, daß man in der Ebene nicht [496] über 6’ oder folgends nicht über 1 Meilen hinaus sehen kan.
21. So weit ihr von einer Höhe sehen könnet, eben so weit kan auch die Höhe, wo euer Auge ist, gesehen werden. Und demnach könnet ihr auch durch gegenwärtige Aufgabe finden, wie weit ein Berg, Thurm, oder eine andere Höhe gesehen werden kan: folgends auch wie weit ihr von einer bekannten Höhe weg seyd, wenn ihr sie zuerst erblicket.
22. Der Abstand eines Ortes L von dem Aequatore AQ gegen den Pol zu AL wird die Breite des Ortes (Latitudo loci) genennet. [Fig. 5]
23. Die Breite eines Ortes LA ist der Polhöhe PH gleich.
PA = 90° (§. 9.). Und weil der Ort L unter seinem Zenith lieget (§. 15. Astron.); so ist LH auch 90° (§. 20. Astron.). Derowegen HL = PA, folgends PH = LA (§. 25. Arithm.). W. Z. E.
24. Also wird die Breite eines Ortes wie die Polhöhe (§. 63. 69. Astron.) gefunden.
25. Die Länge eines Ortes (Longitudo loci) ist der Bogen des Aequatoris, welcher zwischen dem ersten Meridiano und dem Meridiano eines Ortes enthalten ist.
[497]26. Die Länge eines Ortes zu finden.
1. Suchet den Unterscheid der Stunden unter dem ersten Meridiano und eurem Orte, oder zwischen eurem Orte und einem andern, dessen Länge schon bekannt ist.
2. Verwandelt denselben in Grade des Aequatoris; so bekommet ihr in dem ersten Falle die Länge eures Ortes. In dem andern Falle addiret die gefundenen Grade zu der gegebenen Länge; so kommet abermal die Länge eures Ortes heraus.
27. Die Länder, welche von den beiden Polarcirculn eingeschlossen werden, nennet man die kalten Striche des Landes (Zonas frigidas); welche zwischen einem Polarcircul und einem Tropico liegen, die temperirten oder gemäßigten (Zonas temperatas); welcher zwischen den beiden Tropicis lieget, den hitzigen Strich Landes (Zonam torridam).
28. Also sind zwey kalte und zwey temperirte Striche Landes, aber nur Ein hitziger.
29. Wenn die Breite eines Ortes unter 23° 29’ ist, so lieget er in dem hitzigen Striche. Ist sie über 23° 29’, aber unter 66° 31’, so lieget er in einem von den temperirten. Endlich wenn sie über 66° 31’ ist, in einem kalten (§. 9.).
[498]30. Denen, die unter den Tropicis liegen, kommet die Sonne einmal des Jahres über ihren Scheitel; denen in dem hitzigen, zweymal; denen ausserhalb den Tropicis in denen temperirten und kalten Strichen, niemals. Denn die Sonne gehet nicht über die Tropicos von dem Aequatore weg, und kommet in jeden des Jahres einmal (§. 49. Astron.); von den übrigen Tagecirculn aber durchschneidet ein jeder die Ecliptick in zwey Puncten.
31. Da nun die Sonnenstrahlen es wärmer machen, wenn sie perpendicular, als wenn sie schief auf die Erde fallen; so muß die Sonne in dem hitzigen Striche es wärmer machen, als in dem temperirten, und in den temperirten wärmer als in den kalten; ja in den temperirten und kalten muß sie wärmer scheinen, wenn sie in dem nächsten Tropico ist, als wenn sie sich in dem weitesten befindet.
32. Wenn die Sonne der Scheitel am nächsten ist, fänget sich der Sommer an; wenn sie am weitesten davon ist, der Winter; wenn sie nach dem Winter in den Aequatorem tritt, der Frühling; wenn sie nach dem Sommer hineinkommet, der Herbst.
33. Also ist in dem hitzigen Striche alle Jahr zweymal Sommer und einmal Winter; unter dem Aequatore zweymal Sommer und Winter; [499] unter den Tropicis und in den temperirten und kalten Strichen einmal Sommer und einmal Winter (§. 29.).
34. Es ist aber in den nordischen Strichen Sommer, wenn die Sonne in den Krebs, und Winter, wenn sie in den Steinbock tritt; Frühling, wenn sie in den Widder, und Herbst, wenn sie in die Wage kommet. Hingegen in den südischen Strichen ist Sommer, wenn die Sonne in den Steinbock, und Winter, wenn sie in den Krebs tritt; Frühling, wenn sie in die Wage, und Herbst, wenn sie in den Widder kommet. Derowegen wenn in den nordischen Strichen Sommer ist, so ist in den südischen Winter: wenn in den nordischen Winter ist, so ist in den südischen Sommer u. s. w. Folgends sind alle Jahrszeiten zugleich auf dem Erdboden.
35. Wenn die Sonne im Aequatore ist; so ist in allen Orten des Erdbodens Tag und Nacht gleich.
Wenn die Sonne im Aequatore ist, so laufet sie innerhalb 24 Stunden einen Circul durch, der mit dem Aequatore auf der Erde und also auch an der Weltkugel in Einer Fläche ist. Derohalben ist der halbe Tagecircul an allen Orten über dem Horizont, und solchergestalt die Sonne 12 Stunden über, und 12 unter dem Horizont, das ist, Tag und Nacht sind einander gleich. W. Z. E.
[500]36. Unter dem Aequatore oder der Linie ist das ganze Jahr Tag und Nacht einander gleich.
Denn sowol die Hälfte des Aequatoris AQ, als der übrige Tagecircul zwischen Tropicis TC und VS, ist über dem Horizont HR, und daher die Sonne so lange über, als unter dem Horizont. W. Z. E. [Fig. 6]
37. Man saget von den Völkern unter der Linie, daß sie SPHAERAM RECTAM oder die Weltkugel gerade haben, weil ihnen die Sonne und die Sterne von dem Horizont gerade heraufsteigen.
38. Unter dem Nord- und Süderpole ist ein halbes Jahr Tag, und ein halbes Jahr Nacht.
Denn weil der Pol P oder N im Zenith stehet; so ist der Aequator im Horizont (§. 14. 20. Astron.). Also ist die Sonne so lange über dem Horizont, als sie über dem Aequatore ist; und so lange unter dem Horizont, als sie unter dem Aequatore ist: das ist, beiderseits ein halbes Jahr. W. Z. E. [Fig.7]
39. Da die Abenddemmerung und der Anbruch des Tages unter den Polen auch viele Tage dauret; so ist es wenige Zeit daselbst ganz finster.
[501]40. Man saget, daß unter dem Pole SPHAERA PARALLELA oder die Weltkugel (nemlich mit der Erdkugel) parallel sey, weil die Sterne und die Sonne sich mit ihrem Horizont parallel bewegen.
41. Derowegen gehen in der Parallelkugel die Sterne niemals unter (§. 140. Astron.), und bekommet man daselbst nur die Hälfte der Sterne zu sehen.
42. Je grösser die Polhöhe in einem Orte ist, je länger ist der längste, und je kürzer der kürzeste Tag.
Es sey HR der Horizont des einen, hr eines andern Ortes, in P der Nordpol; so ist der längste Tag, wenn die Sonne in den Tropicum Cancri ST kommet; der kürzeste aber, wenn sie den Tropicum Capriccorni KL durchläufet. Da nun von ST ein grösserer Theil, hingegen von KL ein kleinerer Theil über den Horizont hr als über HR erhaben ist, massen SO grösser als SN und KV kleiner als KZ; so muß die Sonne, wenn der Tag am längsten ist, länger, und wenn er am kürzesten ist, kürzer über dem Horizont hr als über HR bleiben. Und demnach ist der längste Tag länger, und der kürzeste Tag kürzer, wo die Polhöhe grösser ist, als wo sie kleiner ist. W. Z. E. [Fig. 8]
[502]43. Da nun die Polhöhe immer zunimmt, je weiter man von dem Aequatore gegen den Pol fortgehet; so nimmet auch mit der Breite des Ortes (§. 23.) der längste Tag zu, und der kürzeste ab; und in den Orten, wo einerley Breite ist, sind auch die Tage von gleicher Länge.
44. Von den Völkern, welchen der Pol über den Horizont erhaben ist, saget man, daß sie SPHAERAM OBLIQUAM, oder die Weltkugel schief haben, weil die Sonne und Sterne über ihren Horizont schief herauf steigen.
45. Die Fläche der Erdkugel wird durch Circul, die mit dem Aequatore parallel sind, in CLIMATA eingetheilet. Nemlich durch jeden Grad der Breite, wo der längste Tag im Jahre eine halbe Stunde zugenommen, wird ein Parallelcircul gezogen.
46. Der Anfang eines jeden Climatis ist in folgender Tafel zu finden.
[503]I | 12 St. | 0° 0’ | XIII | 18 St. | 58° 29’ |
II | 12. 30 | 8.25 | XIV | 18. 30 | 59.58 |
III | 13. 0 | 15.25 | XV | 19. 0 | 61.18 |
IV | 13. 30 | 23.50 | XVI | 19. 30 | 62.25 |
V | 14. 0 | 30.20[1] | XVII | 20. 0 | 63.22 |
VI | 14. 30 | 36.28 | XVIII | 20. 30 | 64. 6 |
VII | 15. 0 | 41.22 | XIX | 21. 0 | 64.49 |
VIII | 15. 30 | 45.29 | XX | 21. 30 | 65.21 |
IX | 16. 0 | 49 | XXI | 22. 0 | 65.74 |
X | 16. 30 | 51.58 | XXII | 22. 30 | 66. 6 |
XI | 17. 0 | 54.27 | XXIII | 23. 0 | 66.20 |
XII | 17. 30 | 56.37 | XXIV | 23. 30 | 66.28 |
XXV | 24. 0 | 66.41 |
47. Die Weltgegend (Plaga) ist ein Punct in der Fläche der Himmelskugel, darinnen sich die gerade Linie endet, welche aus dem Auge mit dem Horizont parallel gezogen wird. Diejenige Gegend, wo die Sonne zu Mittage gesehen wird, heisset Süden, die ihr entgegengesetzte Norden. Wenn ihr das Gesichte gegen Norden kehret, so ist zur Rechten 90° davon Ost; zur Linken aber West. Diese 4 Gegenden aber nennet man die Cardinal- oder die Hauptgegenden. Zwischen ihnen kommen vier Nebengegenden, welche von den beiden Cardinalgegenden zur Seite ihren Namen [504] bekommen, dergestalt, daß Süd und Nord zuerst genennet wird. Sie heissen demnach Südost, Nordost, Nordwest, Südwest. Man theilet die Bogen des Horizonts zwischen diesen acht Gegenden wieder in zwey gleiche Theile, und setzet noch acht andere Nebengegenden, welche abermal ihre Namen von den zwey Gegenden zu ihren beiden Seiten bekommen, und zwar dergestalt, daß die Cardinalgegenden zuerst genennet werden. Es sind also die Namen dieser Gegenden: Süd-Südost, Ost-Südost, Ost-Nordost, Nord-Nordost, Nord-Nordwest, West-Nordwest, West-Südwest, Süd-Südwest. Die Bogen des Horizonts zwischen diesen 16 Gegenden theilet noch einmal in zwey gleiche Theile, und machet noch 16 andere Nebengegenden. Diese bekommen ihren Namen von der anliegenden Cardinalgegend, oder einer von den ersten Nebengegenden, und wird dazu gesetzet, gegen welche Cardinalgegend sie liegen. Es sind demnach diese Namen: Süd gen Osten, Südost gen Süden, Südost gen Osten, Ost gen Süden, Ost gen Norden, Nordost gen Osten, Nordost gen Norden, Nord gen Osten, Nord gen Westen, Nordwest gen Norden, Nordwest gen Westen, West gen Norden, West gen Süden, Südwest gen Westen, Südwest gen Süden, Süd gen Westen.
[505]48. Wenn ihr also die Mittagslinie findet (§. 27. Astron.); so könnet ihr die übrigen alle finden.
49. Man bedienet sich insgemein der Magnetnadel. Weil aber diese nicht genau Norden zeiget; so muß man erst ihre Abweichung oder Declination von der Mittagslinie observiren; welches geschiehet, wenn ihr sie über der Mittagslinie aufrichtet, und den Winkel, den sie mit ihr machet, anmerket. Es ist aber die Declination nicht einerley zu einer Zeit an allen Orten: ja in einem Orte ist sie veränderlich.
50. Eine Erdkugel zu verfertigen.
Weil auf der Erdkugel alle Circul beschrieben werden, die man sich an der Himmelskugel einbildet (§. 9.), und die Oerter auf ihre Fläche aus der gegebenen Länge und Breite eben so, wie die Sterne auf die Himmelskugel, aufgetragen werden, nur daß die Erdkugel in ihren beiden Polen eingehänget wird: so könnet ihr die Erdkugel auf eben eine solche Art, wie die Himmelskugel verfertigen. Nemlich:
1. Erwählet euch auf der Kugel zwey Puncte für die beiden Pole, und hänget sie an ihnen dergestalt in einen meßingenen etwas dicken und breiten Circul, dessen vier Quadranten in ihre 90° eingetheilet worden. Dieser stellet den Meridianum vor.
2. In der Weite von 90 Graden von dem Pole haltet an den Meridianum einen Stift, und beweget dadurch die Kugel; so wird der Aequator [506] beschrieben (§. 9.), den ihr abermals in 360 Grade genau eintheilen müsset.
3. Zählet von dem Pole 23 Grade in dem Meridiano gegen den Aequatorem zu, und stechet daselbst einen Punct ab; so habet ihr den Pol der Ecliptick (§. 9.).
4. Hänget die Kugel an den Polen der Ecliptick innerhalb den Meridianum, und beschreibet in der Weite von 90 Graden einen Circul um die Kugel herum, welcher die Ecliptick ist (§. 9.). Ihr müsset aber bey dem Puncte des Aequatoris ihn zu beschreiben anfangen, wo ihr den Anfang, die Grade zu zählen, machet. Theilet die Ecliptick in ihre 12 himmlische Zeichen, und jedes Zeichen in seine 30 Grade.
5. Hänget die Kugel wiederum in ihren Polen innerhalb den Meridianum, führet den Grad der Länge eines jeden Ortes darunter, und zählet im Meridiano den Grad der Breite; so ist der Punct darunter der gegebene Ort.
6. An die Axe, wo sie zu dem über unsern Horizont erhabenen Pole herausgehet, machet einen Zeiger, den ihr nach Gefallen herumdrehen könnet, und um diesen Theil der Axe befestiget an dem Meridiano einen meßingenen Circul, der in 24 gleiche Theile oder Stunden getheilet worden, so, daß die zwölfte Stunde in den Meridianum fället.
7. Endlich richtet auf ein hölzernes Gestelle einen breiten hölzernen Circul dergestalt auf, daß [507] ihn der Meridianus, er aber die Erdkugel in zwey gleiche Theile theilet, und beschreibet auf ihn die Ecliptik, den Gregorianischen und Julianischen Calender und die Weltgegenden.
So ist geschehen, was man verlangete.
51. Weil auf der Erdkugel die Ecliptick und der Aequator beschrieben ist; so könnet ihr, wie auf der Himmelskugel (§. 75. 77. 80. 81. 83. 84. 85. 118. Astron.) alle Tage für einen jeden Ort auf dem Erdboden finden, in welchem Orte die Sonne sich befindet, wenn und in was für einer Gegend sie auf- und untergehet, ihre schiefe und gerade Ascension, ihre Höhe auf eine gegebene Stunde, die Länge des Tages und der Nacht, die Stunde des Tages, den Anbruch des Tages und das Ende der Abenddemmerung.
52. Wenn ihr einen Ort unter den Meridianum führet, so könnet ihr daran seine Breite zählen; der Grad des Aequatoris, der unter dem Meridiano stehet, zeiget die Länge des Ortes.
53. Wenn ihr Acht gebet, was für Oerter mit eurem unter dem Meridiano sind; so wisset ihr, welche Völker mit euch zugleich Mittag haben, imgleichen was für Völker auf eine gegebene Zeit Sommer, welche Winter, Herbst, Frühling haben (§. 34.).
54. Wenn ihr Acht gebet, was für Oerter in [508] dem Horizont stehen; so wisset ihr, wo die Sonne auf- und untergehet, indem es bey euch Mittag ist.
55. Hingegen wenn ihr die Erdkugel so einhänget, daß die Pole auf dem Horizont liegen; könnet ihr die Eigenschaften der geraden Kugel erkennen (§. 37.). Hänget ihr sie aber ein, daß die Pole ins Zenith und Nadir kommen; so könnet ihr die Eigenschaften der Parallelkugel wahrnehmen (§. 40.).
56. Aus der gegebenen Länge und Breite etlicher Oerter, und der Weite vieler andern von zweyen der vorhergehenden, eine Landcharte zu machen.
1. Beschreibet ein Rectangulum ABDC (§. 99. Geom.), und traget AC und BD die Grade der Breite, und auf AB und CD die Grade der Länge. Die Grade der Breite werden von beliebiger Grösse angenommen; die Grade aber der Länge zu ihnen proportioniret, wie es die Breiten der Parallelcircul AB und CD mit sich bringen (§. 17.). Daher werden nicht allein die Grade in CD kleiner, als in AC und BD, sondern auch die in AB kleiner, als die in CD, weil AB dem Pole näher ist, als CD. [Fig.9]
2. Zählet in AB und CD die Länge eines Ortes ab, und ziehet die Linie HG; in AC und BD aber nehmet den Grad der Breite F und E, [509] und ziehet die Linie FE. Wo diese beide Linien einander durchschneiden, nemlich in I, da ist der gegebene Ort.
3. Auf gleiche Weise traget die übrigen Oerter auf, deren Länge und Breite gegeben wird.
4. Mit der Weite des Ortes L von dem Orte I machet einen Bogen gegen die Gegend, wo er zu lieget, und mit seiner Weite von dem anderen Orte K einen andern, der den ersten in L durchschneidet. So habet ihr auch den Ort L auf der Charte.
Und auf solche Weise könnet ihr alle übrige Oerter darauf setzen: welches man verlangete.
57. Die Manier gehet nur auf Particularcharten für gewisse Länder und Provinzen an; denn da kan man die Circulbogen der Länge und der Breite durch gerade Linien vorstellen. Die Verfertigung der übrigen fället Anfängern zu schwer: man findet sie aber theils in den deutschen, theils in den lateinischen ausführlichen Anfangs-Gründen.
Anmerkungen (Wikisource)
- Die Abbildungen entstammen Seite:Anfangsgründe der Mathematik III A 025.jpg.