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Aus dem Nachtleben der Flughörnchen

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Textdaten
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Autor: Alfred Brehm
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Titel: Aus dem Nachtleben der Flughörnchen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 43, S. 678–681
Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Aus dem Nachtleben der Flughörnchen.

Von Brehm.

Von jeher haben die Nachtthiere mich in besonderem Grade angezogen. An ihnen haften, in ihrem geheimnisvoll erscheinenden Treiben wurzeln liebliche Märchen und sinnlose Sagen: ihnen danken Elfen und Kobolde, Engel und Teufel Ursprung und Entstehen; mit ihnen beschäftigt sich noch heutigen Tages der von den Gegnern der Bildung herzlichst gehegte Aberglaube aller Völker und Länder. Ohne die Nachtthiere gäbe es keine Mär vom wilden Jäger und seinem höllischen Treiben; ohne sie würde das Wahngebilde vom Satan schwerlich entstanden sein; – ohne sie wär wohl sogar Herr Disselhoff in Berlin unfähig gewesen, seine „Geschichte des Teufels“ zu verfassen. So unterhaltend und belehrend es indeß auch scheinen mag, nachzuspüren welches das Urbild gedachter Wahngestalten sein könne, und wie es im Laufe von Jahrhunderten in hirnschwachen Köpfen verwandelt worden, so wenig vermag die Geschichte der Verirrungen des Menschengeistes auf die Dauer zu befriedigen; der Thierkundige wenigstens wendet sich gewiß bald wieder den Urbildern selbst zu.

Ein langgehegter Wunsch von mir ging dahin, Käfige für Nachtthiere hergestellt zu sehen, in denen man die Inwohner während der Zeit ihres Wachseins mit aller Behaglichkeit beobachten könne. Dieser Wunsch ist durch das „Berliner Aquarium“, welches eigentlich ein „Vivarium“ genannt werden sollte, in Erfüllung gegangen. Alle unsere Käfige, Becken und Behälter können des Nachts erleuchtet werden, und wenn auch die Lampen, ihrer Anzahl

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Flughörnchen bei der Nacht. Nach der Natur im Berliner Aquarium gezeichnet von Emil Schmidt.

[680] und Lichtstärke ungeachtet, die Sonne nicht zu ersetzen vermögen, verbreiten sie doch Helle genug, um Vollmondschein nachzutäuschen und den Beobachter in den Stand zu setzen, jeder Bewegung des betreffenden Thieres zu folgen, jede ersichtliche Lebensäußerung desselben wahrzunehmen. In derartig beleuchteten Käfigen erscheinen die Nachtthiere, nachdem sie einmal völlig munter geworden, ganz anders, als man es sich hat träumen lassen. Man lernt selbst in solchen, von denen man sich wenig versprach, theilnahmwerthe Geschöpfe kennen und entdeckt an anderen eine Lebhaftigkeit, Beweglichkeit, Anmuth und Behendigkeit, von welcher man keine Ahnung hatte. Alles Spukhafte, welches man ihnen insgesammt nachgeredet, verschwindet wie immer und überall vor dem Lichte, und das Natürliche tritt in seine ewigen Rechte. Zu einzelnen gewinnt man bald eine Zuneigung, welche fast parteilich machen kann.

Unter diese letzteren zähle ich, seitdem ich sie einigermaßen kennen gelernt, die Flug- oder Flatterhörnchen, die sich bekanntlich von ihren nächsten Verwandten, den Eichhörnchen und Schlafmäusen oder Bilchen, durch einen Fallschirm unterscheiden, welcher sich als eine Haut zwischen den vorderen und hinteren Beinen ausspannt und beiderseitig behaart ist. Bei einigen Arten erstreckt sich diese Hautwucherung auch über die Gegend zwischen Vorderarm und Hals und Hinterschenkel und Schwanz. Die Haare des letzteren sind entweder zweizackig geordnet oder wie bei dem Eichhörnchen buschig gestellt. Asien beherbergt die meisten, Amerika einige Arten; Europa und zwar der hohe Norden besitzt ebenfalls ein Mitglied der Sippe.

So weit unsere Beobachtungen reichen, sind alle Flughörnchen entschieden Nachtthiere, welche über Tage einzeln oder in Gesellschaften in ausgepolsterten Baumhöhlen ruhen und erst längere Zeit nach Sonnenuntergang ihren Geschäften nachgehen. Ueber ihr Treiben und Gebahren haben wir bis jetzt nur dürftige Nachrichten erhalten können. In Südasien hindert die während ihres Wachseins herrschende Dunkelheit die Beobachtung; im hohen Norden, wo die Mitternachtssonne jene mindestens erleichtern könnte, fehlen die Beobachter. Wir wissen, daß unsere Thierchen erstaunlich gewandt auf den Bäumen umherklettern und von oben nach unten Sprünge von dreißig Fuß Weite und darüber ausführen können, von allerlei Pflanzenstoffen sich ernähren und während des Sommers oder im Frühlinge der betreffenden Heimath zwei bis vier wenig entwickelte Junge zur Welt bringen, denen die Mutter ein warmes und weiches Nestchen bereitet und sorgliche Pflege angedeihen läßt, bis sie im Stande sind, für sich selbst zu sorgen. Die im Norden der Erde lebenden Arten halten einen unterbrochenen Winterschlaf während diejenigen, welche in milderen oder heißen Ländern zu Hause sind, jahraus, jahrein annähernd dieselbe Lebensweise führen. Hier und da ködert man sie mit ihrer Lieblingsnahrung, fängt sie und verwendet Fleisch und Fell, so zart und hinfällig auch letzteres ist, oder versucht, einen und den anderen Gefangenen zu zähmen, wenigstens in Gefangenschaft zu halten. Dies ist, kurz in Worte gefaßt, so ziemlich Alles, was wir wissen.

Unser nordeuropäisches Flughörnchen, die Ljutaga der Russen gelangt höchst selten lebend auf den Thiermarkt, während uns der Assapan der Nordamerikaner alljährlich in mehreren Stücken gesandt wird, sich leicht halten läßt und ausdauert. Seine Leibeslänge beträgt etwa fünf, die Schwanzlänge vier Zoll; die Rückenfärbung spielt von Gelbbraun in Aschgrau, die Bauchfärbung von Weiß in Gelb; die Flug- oder richtiger Fallschirmhaut ist vor dem weißlichen Saume schwarz gebandet.

Dem Beobachter, welcher noch wenige kleine Nager in Gefangenschaft gehalten, oder Dem, welcher sich mit flüchtiger Besichtigung begnügen zu dürfen glaubt, scheinen die Flughörnchen wenig zu versprechen. In dem mit Heu oder Wolle ausgepolsterten Versandkistchen, welches sie vom Händler bringt, liegen sie, so verborgen als möglich, dicht nebeneinander zusammengeknäuelt im tiefsten Schlafe und gestatten, ohne sich zur Wehre zu setzen, dummgutmüthig jede Maßnahme. Von der albernen Wuth eines Siebenschläfers, welcher mit heftigem Schnauben und Schnarchen jede Behelligung zurückweist, bemerkt man bei ihnen Nichts; sie lassen Alles über sich ergehen: sich in die Hand nehmen, drehen, wenden, besichtigen, auf eine bestimmte Stelle setzen, wieder wegnehmen etc., ohne von ihrem scharfen Nagergebiß Gebrauch zu machen. Auch die ersten Spätabende, welche man der Beobachtung widmet, befriedigen nicht. Die Flughörnchen kommen zwar gegen neun Uhr Abends zum Vorschein, um zu fressen und zu saufen, bekunden jedoch eine Unsicherheit und Aengstlichkeit in ihrem Wesen, welche wenig für sie einnimmt. „Hübsche, aber langweilige Thierchen“ lautet der Ausspruch des Unbefriedigten; „Kletterthiere mit wenig Instinct“ läßt sich die billige Weisheit Anderer vernehmen.

Aber man beobachte nur weiter und man wird bald zu anderen Anschauungen gelangen. Das zum Klettern „bestimmte“ Thier zeigt seine Kunstfertigkeit aus dem sehr einfachen Grunde noch nicht in voller Ausdehnung, weil ihm der gerühmte „Instinct“ über die Neuheit der Lage durchaus nicht hinweghilft, weil die Reise es ängstlich gemacht, es sich im Käfige noch nicht eingerichtet hat, ihm Alles noch fremd erscheint. Sein Gedanken- und Ideenkreis beschränkt sich auf das Gebiet der bisher erworbenen Erfahrungen und muß sich den neuen Verhältnissen erst anpassen – ganz ebenso, wie es bei dem mit Vernunft begnadeten Menschen unter entsprechenden Umständen der Fall. Unser Thierchen bedarf also einer geraumen Zeit, um alles ihm Neue zu prüfen und geistig zu verarbeiten, mit einem Worte, um sich einzugewöhnen. Zum Ruhme muß man ihm nachsagen, daß es sich schneller in die veränderten Umstände findet als viele Menschen in die neuzeitlichen Verhältnisse: schon einige Tage nach Besitznahme der neuen Wohnung sind die Flughörnchen mit ihr und der Umgebung vollständig vertraut und kennen Alles, was zu kennen nöthig. Und nunmehr endlich zeigen sie sich als Das, was sie sind.

An dem oberen Rande des Schlafkastens wird ein rundes Köpfchen sichtbar, und große, stark gewölbte Augen überschauen sorgsam prüfend das Innere des Käfigs. Dem Köpfchen folgt der übrige Leib; das Thierchen sitzt frei auf der schmalen Kante seiner Lagerstätte. Seine Stellung ist derjenigen, welche das Eichhörnchen gewöhnlich einnimmt, sehr ähnlich; der Vorderleib wird jedoch etwas mehr gesenkt, der Schwanz nicht so dicht an den Rücken gelegt als von jenem; die Hautfalte hat sich zusammengezogen und bildet eine anmuthig geschwungene Linie, welche um so schärfer hervortritt, als das sichtbar gewordene Weiß durch das schwarze Band dahinter recht zur Geltung kommt. Die kleinen Ohren haben sich gänzlich entfaltet und spielen, wie die Augen und die schnurrenbesetzte Nase, bei der noch immer fortgesetzten Prüfung. So viel wird allgemach festgestellt, daß an Gefahr jetzt nicht zu denken; unten aber steht einladend der gefüllte Freßnapf. Das bisher einem starren Bildniß ähnelnde Thierchen setzt sich endlich in Bewegung. Wie ein Schatten gleitet es zur Tiefe hernieder, gleichviel ob an senkrechter oder schief geneigter Fläche, immer mit dem Kopfe voran, ohne daß man ein Geräusch vernimmt, ohne daß man die einzelnen Bewegungen der durch die Fallschirmhaut größtenteils verdeckten Gliedmaßen unterscheiden kann: an der geflochtenen Decke des Käfigs, die Oberseite nach unten, rückt es weiter, als ginge es auf ebener Oberfläche; über dünne Zweige seiltänzert es mit derselben Gleichmäßigkeit und Sicherheit weg. Unten angekommen, läuft es mäuseartig behend über den Boden hin, macht am Futternapfe Halt, beriecht die Nahrungsstoffe, wittert sofort die den Nüssen, Eicheln, Weizenkörnern und Möhrenstückchen beigegebenen Fleischbröcklein, nimmt eines davon zwischen die Hände und verzehrt es, in artigster Eichhornstellung sitzend, huscht sodann weiter, spiegelt sich in dem Trinkwasser, nähert das niedliche Mäulchen vorsichtig der Oberfläche und tränkt sich, mehr schlürfend als leckend, zur Genüge, kehrt wiederum zum Futternapfe zurück, holt sich eine Nuß heraus, springt, mit ihr im Maule, die volle Breite der Fallhaut entfaltend, auf eine Sitzstange und klebt unmittelbar darauf, ohne auch nur eine Anstrengung zur Herstellung des Gleichgewichtes zu machen, als sei es ein zum Aste gehöriger Knorren.

Inzwischen ist eines nach dem anderen aus dem Schlafkasten hervorgehuscht, jedes hat sich ohne längeres Besinnen dem oder den unten Beschäftigten zugesellt, dieses hat sich zuerst zum Futter, jenes zuerst zum Trinknapfe gewendet und jedes ein Bröckchen, ein Nüßchen sich zugeeignet. In allen denkbaren Stellungen, welche ein Nager annehmen kann, hockt und sitzt, klebt und hängt, läuft und klettert es hier oder da in Winkeln und Ecken, auf Sitzstangen und Wänden des Käfigs.

Der erste Durst ist mit dem ersten Trunke, der erste Hunger etwas später, obschon bald genug gestillt; nunmehr geht es an das Putzen. Jedwedes Köpfchen wird mit Speichel gewaschen, mit den Nägeln der Vorderfüße gekämmt, mit den Handflächen geglättet; [681] dann kommt die Bauchseite, hierauf der Rücken und endlich der Schwanz daran. Dabei dreht und wendet, streckt und beugt sich das Thierchen, als ob seine Haut ein Sack wäre, in welchem der Leib lose steckt, wäscht, so weit es mit der Zunge reichen kann, kämmt die erreichten Stellen mit den Zähnen durch und zerrt mit beiden Händen andere Theile des Balges herbei, um überall fertig zu werden. Endlich ist auch dieses wichtige Geschäft beendet worden, und es regt sich die Lust zu freier, ja, ausgelassener Bewegung.

Eine kurze Weile noch sitzt unser Flughörnchen, wie überlegend, still auf der Stelle, welche es während der Ordnung seines Kleides inne gehabt. Dann folgt ein Sprung mit voll ausgebreiteter Fallhaut, quer durch die Weite des ganzen Käfigs. Nur einen Augenblick, nein kürzere Zeit noch, klebt es an der Wand, denn schon hat es sich rückwärts geworfen, rennt eine Sitzstange entlang, ist im Nu zum Ausgangspunkte zurückgekehrt und ebenso rasch irgendwo anders. Und nunmehr beginnt ein spielendes Durcheilen des Käfigs, welches keine Feder wahrheitsgetreu beschreiben kann. Auf und nieder, kopfoberst, kopfunterst, hin und her, oben an der Decke weg, unten längs des Bodens fort, an der einen Wand herab, an der anderen hinauf, durch das Schlafkästchen, an dem Futternapfe vorüber zum Trinkgeschirr, aus diesem Winkel in jenen, über die Sitzstange dahin, oben, unten, seitlich, laufend, kletternd, springend, hängend, klebend, rennend, gleitend, sitzend: – so und noch hundertfach verschieden bewegt sich das Thier, als ob es „tausend Gelenke zugleich regen“ könne, als ob es keine zu überwindende Schwere gäbe, als ob es aufjubeln wolle oder müsse vor lauter Freude über der Lust der Bewegung. Bis auf Fußweite trete ich langsam an den Käfig heran; scharf blicke, auf das Genaueste achte ich jeder Bewegung, wiederhole das forschende Folgen zehn, zwanzig Male, versuche, die Wahrnehmung meiner Sinne zu berichtigen und – gestehe beschämt, daß ich dem Flughörnchen nicht folgen, daß ich seine Bewegungen nicht verstehen, weil nicht von einander unterscheiden kann. So klettert kein anderer Säuger, so kein anderes Thier überhaupt: der Geko mit seinen Klebefingern, welche wie Schröpfköpfe wirken und deshalb eine giftige Feuchtigkeit ausspritzen sollen, der Geko, welcher neuerdings noch von gelehrten Herren verleumdet worden, weil er sich in einer ihnen unbegreiflichen Weise bewegt, ist, so geschickt er auch jede senkrechte Fläche begeht, ein Stümper, die Spechtmeise ein Lehrling, das Eichhörnchen ein Anfänger in der Kunst diesem Meister gegenüber. Und dabei beweist mir dieser Künstler ohne Gleichen, daß er eben nur spielt, denn er beendet das tolle Jagen jederzeit, nach Ermessen und Belieben, so überraschend, daß ich immer noch mit dem Auge umherschweife, während er bereits regungslos auf einem bleistiftdünnen Zweige sitzt, als sei er nie in Bewegung gewesen. Und wieder ein Sprung, und wiederum das ganze Flughörnchen, das wahre Urbild eines geträumten, raumverachtenden Wesens. Und nun noch ein solcher Springer, und endlich noch ein dritter – –

„Wenn sie nur alle sieben herauskommen wollten, Herr Doctor,“ sagt der mit mir beobachtende Futtermeister, „das müßte hübsch anzusehen sein!“

„Nein, alter Seydel, da würde man gar nichts weiter sehen als umherschwirrende Schatten – die wahrhaftigen Gespenster. Aber vergleichen wollen wir: bringen Sie ein Erdeichhörnchen in den Käfig!“

Der kaum größere, wegen seiner Gewandtheit berühmte Ordnungsverwandte wird zu den Flughörnchen gesetzt, von diesen erst angestaunt, dann berochen, endlich geneckt und läuft und springt und klettert, so gut er es vermag. Es sieht aus, als krieche er neben den Flughörnchen seines Weges dahin: seine Sprünge erscheinen schwerfällig, seine Bewegungen langsam im Vergleiche zu denen seiner Genossen. Weg mit ihm!

„Ich glaube,“ läßt sich der Futtermeister wieder vernehmen, „der Siebenschläfer thut’s ihnen gleich. Einer, welchen ich jung aufgezogen hatte –“

„Versuchen wir es meinetwegen auch mit dem Siebenschläfer!“

Es wird, unter Beobachtung aller durch die Wuth und Beißlust des unliebenswürdigen Nagers gebotenen Vorsichtsmaßregeln, ein Siebenschläfer zu den Flughörnchen gebracht. Auch er klettert, läuft und springt, gleichsam zur Probe; ein Tölpel den Künstlern gegenüber. Weg mit ihm!

„Ja, denen thut’s doch kein Anderer gleich,“ sagt Seydel, von dem alle Thiere als Personen angesehen, behandelt und angesprochen werden.

Einmal beim Anstellen derartiger Versuche, ließ ich noch andere Thiere zu den Flughörnchen setzen, um zu erfahren, wie sie sich diesen gegenüber betragen möchten. Das Erdeichhörnchen hatten sie offenbar mit großer Theilnahme betrachtet, längere Zeit beobachtet, berochen und schließlich wohl als ungefährliches Geschöpf erkannt, wenigstens bekümmerten sie sich anscheinend bald gar nicht mehr um dasselbe; der Siebenschläfer dagegen wurde vom Anfange an als verdächtig beargwöhnt und gemieden, bezüglich geflohen, wenn er sich einem der rechtmäßigen Käfigbewohner zu nähern suchte. Diese waren von dem Erdeichhörnchen ebenfalls ohne Furcht und gleichgültig, von dem Siebenschläfer aber, wie bei ihm üblich, mit übler Laune behandelt worden. Jetzt kam eine Springmaus an die Reihe. Sie schien durch den Käfig weit mehr gefesselt zu werden als durch die Flughörnchen, welche gar nicht beachtet wurden, während diese ihrerseits dem seltenen Gaste vom ersten Augenblicke des Bekanntwerdens an ihre vollste Aufmerksamkeit zuwandten. Eines nach dem anderen gleitet zum Boden nieder und nähert sich dem Fremdlinge, um ihn kennen zu lernen. Der lange Schwanz desselben erregt die allerhöchste Theilnahme, sein Träger aber keineswegs auch Beifall. Denn ehe es sich die wegen der kleinen Kletterer unbesorgte Springmaus versieht, hat sich einer von jenen des langen Schweifes bemächtigt und bearbeitet ihn mit Händen und Zähnen. Aergerlich schnellt die Springmaus in die Höhe und schüttelt mit gewaltigem Rucke den neckischen Plagegeist ab; doch schon hängt wieder ein anderer an derselben Stelle, und es bleibt Nichts übrig, als das friedliebende Thier zu seines Gleichen zurückzuversetzen.

„Wissen Sie wohl, Seydel, daß ich diesen kleinen Flattergeistern entschiedene Raubthiergelüste zutraue? Setzen Sie schließlich noch den Grünling zu ihnen in den Käfig!“

Der Grünling hat viele Tage mit Schlangen das Gefängniß getheilt, ohne gefressen worden zu sein, ist also gewitzigt und achtet mit ängstlicher Sorge auf jede Bewegung der Flughörnchen. Diese ihrerseits gerathen beim Erscheinen des Vogels förmlich in Aufregung: sie sehen eine Beute in ihm, und eines beginn sofort die Jagd. Der Grünling ist auf seiner Hut und entgeht, als ein im Gebauer eingewohnter, mit Gefahren vertrauter Vogel, glücklich dem ersten, dem zweiten Angriffe. Alle Achtsamkeit und Gewandtheit ist jedoch vergebens. Schon mit dem dritten Schwunge hat ihn der Nager gepackt, und nur unser Einschreiten rettet ihm das Leben, welches fortan Gefahren nicht weiter ausgesetzt werden soll.

Die unangenehme Täuschung ist bald überwunden, und wiederum beginnt das alte Treiben, das jeder Beschreibung spottende Laufen, Rennen, Klettern, Schwingen.

„Ja, wer Das nicht mit eigenen Augen gesehen hat,“ sagt Seydel, „der glaubt es nicht.“

Und darin hat der Mann Recht.