Aus Sturmes Not
Der Titel dieser Seite ist mehrdeutig. Für das Gedicht von Richard Stecher siehe Aus Sturmes Not!. |
Aus Sturmes Not.
Eiskalt die Nacht! Am Nordseestrand
Wütet ein Sturm über See und Sand.
Die Brandung donnert, die Wogen rollen –
Wie Himmel und Meer mit einander grollen!
Hören es, wie die Windsbraut brüllt,
Die wuchtig über die Dünen fegt,
Wild grimmig auf Giebel und Dächer schlägt. –
Nun dröhnt bei des Morgens Dämmerschein
Ein Schiff in Not! Da springen sie auf
Alte wie Junge zum Strand im Lauf
Und sehen gescheitert, fest auf dem Riff
Ein unabbringlich verlorenes Schiff.
Wenn’s menschenmöglich, zum Schreckensort!
Doch wo ist Harro? Der Führer fehlt,
Der alle mit seinem Mute beseelt.
Im nächsten Dorfe blieb er zur Nacht,
Sie können nicht warten; dort gähnt das Grab
Seeleuten wie sie – so stossen sie ab.
Sie legen sich in die Riemen mit Macht;
Die Dollen ächzen, die Planke kracht,
Sturzseen bringen’s in grausige Not,
Dass denen am Strande das Herz erhebt.
So haben noch keinen Nordwest sie erlebt.
Doch die auf dem Wasser, in Stürmen erprobt,
Sie steuern dem Schiffe näher und nah,
Und endlich, endlich sind sie nun da,
Von denen als Retter mit Jubel begrüsst,
Denen das Leben schien eingebüsst.
Die Masten nur steh’n noch in steigender Flut,
Dran klammern sich die Verschlag’nen und harr’n,
Dass ihnen die Glieder in Kälte erstarr’n.
Die Fischer bergen sie Mann für Mann,
Er selbst kann sich nicht regen mehr,
Und das Boot ist voll, ist schon zu schwer,
Liegt schon zu tief in den brechenden Well’n;
Fort müssen sie ohne den armen Gesell’n.
Ohne Hoffnung besiegelt sein traurig Geschick.
Nun rückwärts ans Land! Es braust und stürmt,
Dass Woge sich über Woge türmt.
Der Himmel ist schwarz, die See ist weiss
Auf all den Gesichtern, wetterbraun,
Die um sich Tod und Verderben schau’n.
Doch keiner versagt und keiner erschlafft,
Sie kämpfen sich durch mit Riesenkraft;
Da sind sie am Land und haben gesiegt. –
Da ist auch Harro; sein erstes Wort:
»Habt ihr sie alle?« »Nein, einer blieb dort;
Er hing zu hoch in den obersten Raa’n,
»So holen wir ihn!« spricht er in Ruh.
»Unmöglich, Harro, der Sturm nimmt zu,
Wir kommen nicht ab, wir kommen nicht an,
Wir müssen preisgeben den einen Mann.«
»An Bord! ’s ist unsre heil’ge Pflicht!
Wer hilft?« Sie schweigen. »So fahr’ ich allein!
Da tritt auf ihn zu sein Mütterlein:
»Harro, dein Vater blieb draussen in See,
Auch Uwe, dein Bruder, mein Jüngster fuhr aus
Und kommt nie wieder, nie wieder nach Haus,
Der brave Junge! Ich hatt’ ihn so lieb;
Gott weiss, wo die Flut auf den Sand ihn trieb!
Und käm’ ich aus Wetter und Wogenguss
Wie Uwe, dein Liebling, nicht wieder zu Land –
Wir stehen alle in Gottes Hand.«
Sie hält ihn, sie bittet, sie weint und fleht,
»Denk’ an mich, deine Mutter! Ich alte Frau –
»Ja, Mutter, weisst du denn so genau,
Ob der auf dem Wrack dort todesmatt,
Nicht auch daheim eine Mutter noch hat?« …
Für solchen Seegang zu wenig, zu schwach;
Doch fahren sie los und versuchen ihr Glück.
Dreimal wirft sie die Brandung zurück,
Dann sind sie hinüber; bald hoch und steil
Schiesst tief ins Wellenthal der Bug
Des tapfern Boots auf seinem Zug,
Verfolgt von den Blicken der Bangenden hier;
Atemlos spähen sie starr und stier.
Noch hängt am Tauwerk oben der Gast.
Harro nun entert die Wanten empor,
Holt selbst ihn herunter, der fast erfror.
Doch er lebt, und sie rudern mit ihm zurück –
Sie kommen! Im Boote, von Gischt umblinkt,
Erhebt sich Harro am Steuer und winkt;
Und ehe der Kiel berührt den Grund,
Legt er zum Rufe die Hand an den Mund
»Mutter, ich bring’ ihn! s’ ist Uwe, dein Sohn!«