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Auf ewig!

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Textdaten
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Autor: Heinrich Seidel
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Titel: Auf ewig!
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 12, S. 202
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[202]
Auf ewig!

Ich weiß ein Grab, vergessen und allein –
Aus alter Zeit ist es zurückgeblieben –
Verwittert – moosbedeckt der schwere Stein.

Und eine Schrift ist in den Stein getrieben:

5
„Auf ewig ist dies Grab erkauft, und nimmer

Darf man es öffnen!“ also steht’s geschrieben.

Ich fand es jüngst, als ich im Abendschimmer
Einherging träumend in der Stille dort,
Nachsinnend dem vergänglich eitlen Flimmer.

10
Der du da ruhst an dem vergessenen Ort,

Muß noch dein Stein von deiner Thorheit sagen?
Was dachtest du bei dem vermeßnen Wort?

Du wußtest doch, daß, wo nun Bäume ragen,
Einst Göttertempel schimmernd sind gestanden,

15
Bis sie ein Gottesblitz in Staub zerschlagen.


Gewalt’ge Städte, die in allen Landen
Mit Ruhm geherrscht – sie sind dahingeschieden –
Es weiden Heerden dort, wo sie verschwanden.

Und die geruht in mächt’gen Pyramiden,

20
In Sarkophagen, jene Königsleichen,

Wo sind sie hin?! Sie sind zerstreut hienieden.

Du dachtest wohl, dich würd’ es nicht erreichen,
Und hast dein „Ewig“ auf den Stein geschrieben,
Doch einem Samenkorne mußt’ es weichen!

25
Ein Samenkorn, einst dort zurückgeblieben,

Hat zwischen Stein und Sockel leise nieder
Die Wurzeln in das feuchte Land getrieben.

Es wuchs empor und wiegte sein Gefieder,
Sein Blätterwerk, in den durchsonnten Lüften –

30
Es wuchs – und Frühling kam auf Frühling wieder.


Und Frühling kam und ging mit seinen Düften
Und nährt das Samenkorn zum Riesenbaume –
Vom Drang der Wurzeln muß der Stein zerklüften!

Halb abgewälzt liegt er am Grabessaume,

35
Und durch das „Ewig“ ist ein Riß gesprungen.

So ging’s zu Ende mit dem kurzen Traume.

Doch in den Zweigen hat es leis’ geklungen,
Als ich dort stand in sanfter Abendstunde,
Und flüsternd haben sie mir zugesungen:

40
„Auf ewig! armes Wort im Menschenmunde!“


Heinrich Seidel.