Artesische Brunnen als Kraftquellen
[292] Artesische Brunnen als Kraftquellen. Die Amerikaner, welche die
freien Naturkräfte geschickt für die Zwecke der Technik auszunutzen verstehen,
haben seit längerer Zeit sich auch des Wasserdrucks, mit dem viele
artesische Brunnen ihren Inhalt ausspritzen, zum Antrieb von Turbinen
bedient. Bekanntlich kann man an vielen Stellen der Erde durch mehr
oder weniger tiefe Bohrungen Quellen erschließen, deren Ursprung so
hoch in benachbarten Hügel- oder Bergketten liegt, daß ihr eigener Druck
das Wasser befähigt, nicht nur bis an den Rand des Brunnens, sondern
noch weit darüber hinaus zu steigen. Es ist oft vorgekommen, daß solche
Brunnen, sobald die Bohrung bis zur wasserführenden Schicht vordrang,
mit solcher Gewalt zu Tage traten, daß sie Bohrwerkzeuge, Gestänge
und Röhren aus dem Bohrloch herausschleuderten und seitdem jahrelang
denselben mächtigen Wasserstrahl weit über das Niveau des Bodens emporheben.
Der artesische Brunnen von Grenelle bei Paris liefert seit sechzig Jahren
eine Wassermenge von vierhundert bis sechshundert Litern in der Minute,
welche in einem Rohre zehn Meter über den Boden emporsteigt.
Daß solche zum Teil unter starkem Druck hervorbrechende Wassermassen
sich sehr gut zum Betriebe von Turbinen verwenden lassen, wenn man
sie durch geeignete Röhren faßt, liegt auf der Hand. So wird schon
seit längerer Zeit ein artesischer Brunnen in Süd-Dakota, dessen Wasser
mit sechs Atmosphären Druck zu Tage tritt, durch Peltonturbinen ausgebeutet,
um eine große Getreidemühle zu treiben. Der Erfolg machte
diese neue Art des Ersatzes für die Dampfkraft in jener körn- und mühlenreichen
Gegend schnell beliebt, und bald war in Dakota eine ganze Menge
artesischer Brunnen für den Turbinenbetrieb gebohrt worden. Wie bedeutend
die auf diese Weise zu erzielenden Kräfte sind, zeigt eine bei
Plankton erbohrte Quelle, die eine hundertfünfzigpferdige Turbine in Bewegung
setzt. Da diese Ausnutzung der artesischen Brunnen deren Wassermenge
weder verringert noch für Bewässerungs-und andere Zwecke unbrauchbar
macht, so kann man ihr unschwer eine bedeutende Zukunft voraussagen. Bw.