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Armenien und Europa. Eine Anklageschrift/Erster Teil/Siebtes Kapitel

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7. Die Verantwortlichkeit der Mächte.

Es handelte sich bisher für uns darum, zunächst die Thatsache und den Umfang der armenischen Massacres und ihre Folgen zu ermitteln und sodann durch eine Reihe von Mittelgliedern die Frage zu verfolgen, wem in letzter Instanz für die nach einem einheitlichen Plan durchgeführte Vernichtung des armenischen Volkes die Schuld beizumessen ist. Die von uns dokumentarisch erhärtete Thatsache ist: Hunderttausend wehrlose Christen abgeschlachtet, hunderttausend oder mehr zwangsweise konvertiert und fünfhunderttausend Menschen dem Hungertode ausgeliefert. Diese Thatsache war das Ergebnis einer mit kaltblütiger Berechnung angeordneten und mit unerhörter Grausamkeit durchgeführten administrativen Maßregel. Die Urheber dieser Maßregel befinden sich im Palast Sr. Majestät des Sultans.

Soweit könnten wir unsere Aufgabe als gelöst ansehen. Doch es bleibt in unserer ganzen Untersuchung eine rätselhafte Frage übrig, die sich dem Leser schon aufgedrängt haben wird, und die, wenn nicht beantwortet, dem gewonnenen Ergebnis den Stempel einer so kolossalen Unwahrscheinlichkeit aufdrückt, daß vor derselben selbst die zwingendsten Gründe ihre Beweiskraft verlieren, und die sichersten Thatsachen in das Reich der Fabel gewiesen werden müßten. Man fragt sich mit Recht: Wie konnte die Regierung des Sultans zu einer solchen That des Wahnsinns schreiten, daß sie durch ihre eigenen Organe sechs oder sieben der wohlhabendsten und steuerkräftigsten Provinzen des Reiches in einen Zustand der Verwüstung, wie ihn kein Krieg hinter sich zurückläßt, verwandeln ließ? Steht nicht die Pforte seit Jahrzehnten am Rande eines wirtschaftlichen Bankerotts, der sich durch die gewagtesten Finanzoperationen kaum mehr verschleiern läßt? Mußte nicht die Pforte von dem Vernichtungskrieg, den sie gegen die eigenen Unterthanen führte, eine Revolutionierung der so wie so schon durch eine Jahrzehnte lange Mißwirtschaft gegen die Regierung aufgebrachten Bevölkerung auch in den anderen Teilen des Reiches befürchten? Lehrte nicht vor allem die politische Geschichte dieses Jahrhunderts, daß ein so furchtbarer Schlag gegen die christlichen Unterthanen des Reiches die unmittelbare Intervention der auswärtigen Mächte, denen noch dazu Vertragsverpflichtungen in dieser Hinsicht oblagen, herbeiführen mußte? Hatte nicht das Blutbad von Chios, März 1822, in welchem 23 000 Griechen von dem hinterlistigen Ali Pascha abgeschlachtet wurden, den griechischen Freiheitskämpfern die begeisterte Sympathie Europas verschafft? Hatte nicht das Massacre im Libanon 1860, dem 6000 Christen zum Opfer fielen, die französische Expedition und die Autonomie des Libanondistriktes zur Folge gehabt? Führte nicht die Abschlachtung von 25 000 Bulgaren zum russisch-türkischen Krieg und zur Emanzipation der Balkan-Völker, und der Aufstand des Arabi Pascha in Aegypten zur Beschießung Alexandriens und zur Aufrichtung der englischen Herrschaft am Nil? Konnte denn die um die Aufrechterhaltung des osmanischen Reiches fast wie um ihr eigenes Leben besorgte europäische Diplomatie noch eine Stunde länger dem Sultan seinen Thron garantieren, wenn zu den chronisch gewordenen Unruhen in Makedonien, Arabien und Syrien ein solcher Paroxismus auch noch die bisher intakten Glieder des Reiches ergriff? Wie lange sollte noch die bewunderungswürdige Geduld europäischer Kabinette die Fieberphantasieen des im Delirium des Todes zuckenden kranken Mannes mit diplomatischen Noten beantworten und die an allen Gliedern aufbrechenden Pestbeulen mit den Pflastern ihrer papierenen Verträge verkleben? Doch wen Gott verderben will, den verblendet er zuvor.

Gleichwohl bedürfen auch die Handlungen eines Irren noch einer Art psychologischer Motivierung und daß der politische Wahnsinn, der die armenischen Massacres herbeiführte, Methode hatte, davon haben wir uns ja leider genugsam überzeugen können. Es fehlt uns aber noch das selbst für eine perverse Denkweise zureichende Motiv, welches die über Armenien verhängte Vernichtungsmaßregel erklärlich macht.

Als die ausländischen Konsuln zu Erzerum im vergangenen Jahre einen besonders schreienden Fall von Ungerechtigkeit zur Kenntnis des Vali brachten, sagte derselbe: Die türkische Regierung und das armenische Volk stehen in dem Verhältnis von Mann und Frau, und Dritte, die für die von ihrem Manne gezüchtigte Frau Mitleid fühlen, thun besser, sich in den ehelichen Zwist nicht einzumischen.

Man kann in der That das Verhältnis der christlichen Großmächte zu der Regierung des Sultans nicht besser, als mit diesem Bilde geschieht, zum Ausdruck bringen. Der Sultan, um im Bilde zu bleiben, hat bekanntlich nicht nur eine, sondern eine ganze Zahl von Frauen in seinem Harem, nicht nur türkische, kurdische, tscherkessische, arabische, sondern auch christliche: armenische, griechische, syrische und soviel immer Nationalitäten unter seinem Scepter vereinigt sind. Gewiß, es verdrießt ihn, zu sehen, wenn neugierige Augen durch die vergitterten Fenster seines Palastes spähen, und wenn selbst die Wände desselben Ohren haben, um den häuslichen Krieg zu erkunden, und geschäftige Zungen die Geheimnisse des Palastes in alle Welt hinaustragen. Als Hausherr und Türke glaubt er das unveräußerliche Recht zu haben, seine Haremsdamen zu züchtigen, mit Füßen zu treten, einzukerkern oder auch zu erhenken, zu erdrosseln, zu ersäufen, und er verbittet sich das Mitleid einer christlichen Moral, für die sein mohammedanischer Glaube kein Organ besitzt.

Aber in civilisierten Staaten kommt es vor, daß einem brutalen Ehegatten sogar die Rechte über seine Frau beschränkt und daß den Handlungen eines Wahnsinnigen, selbst wenn sie das eigene Fleisch und Blut gefährden, durch den Arm des Gesetzes vorgebeugt wird. Wenigstens hatten sich die christlichen Großmächte seit einer geraumen Zeit von Jahren für berechtigt gehalten, solche Maßregeln dem Beherrscher der Gläubigen anzudrohen, wenn er sich nicht im eigenen Hause nach Art civilisierter Menschen betragen würde. Leider hatte es bei den Drohungen, wenn dieselben auch „im Namen des Allmächtigen“ verbrieft und versiegelt in einer Reihe von Verträgen dem Sultan übergeben wurden, sein Bewenden gehabt. Mit klugen Versprechungen hatte sich derselbe der Exekution der Verträge zu entziehen gewußt und vertraute darauf, daß die europäische Justiz, über der Schwierigkeit der Ausführung der schon längst für notwendig erachteten Maßregeln, ihm Zeit genug lassen würde, den häuslichen Krieg auf seine Weise zu beendigen. Und er hat die Frist benutzt. Als nach siebzehnjährigem Warten sich die europäische Diplomatie des einst so großartig zur Schau getragenen Mitleids mit den Opfern türkischer Barbarei in Armenien wieder erinnerte und im vorigen Jahr ihre Advokaten zum Sultan schickte, um durch Schriftsätze ohne Ende eine menschenwürdige Behandlung seiner christlichen Unterthanen zu erwirken, machte der türkische Hausherr, während er die lästigen Dränger mit Versprechungen hinhielt, von rasender Eifersucht besessen, von seinem barbarischen Rechte Gebrauch und erdrosselte kurzer Hand das unglückliche Opfer des europäischen Mitleids. Noch standen die Botschafter christlicher Großmächte vor der Pforte des Kaiserlichen Palastes, um, wie sie aller Welt verkündet, das befreite Armenien, stolz auf die Erfolge ihrer Diplomatie, in ihre Arme zu schließen, als sich plötzlich die Pforten öffneten, und ein scheußlich verstümmelter Leichnam ihnen vor die Füße geworfen wurde. Die Diplomaten kehrten auf der Stelle um, und niemand wollte etwas gesehen haben. Sie sitzen nach wie vor an der Tafel des Sultans und sind glücklich, für die Erfolge ihrer Diplomatie durch hohe Dekorationen ausgezeichet zu werden!

Doch um aus der Sprache des Bildes in die der Politik zurückzukehren: Wie lauteten doch jene Verträge, durch welche sich einst das humane Europa für das Glück des armenischen Volkes verbürgt hatte?

Nach der siegreichen Beendigung des russisch-türkischen Krieges hatte sich Rußland im Vertrage von St. Stefano als eine der Früchte des Sieges den Schutz des unglücklichen armenischen Volkes ausbedungen. Artikel 16 des Vertrages lautete: „Da der Abzug der russischen Truppen aus dem von ihnen besetzten armenischen Gebiete, das den Türken zurückgegeben werden soll, Veranlassung zu Konflikten und Verwicklungen geben könnte, die die Aufrechterhaltung der guten Beziehungen zwischen den beiden Ländern unmöglich machen würde, so verpflichtet sich die Hohe Pforte, ohne weiteren Verzug die durch örtliche Bedürfnisse in den von Armeniern bewohnten Provinzen erforderten Verbesserungen und Reform ins Werk zu setzen und den Armeniern Sicherheit vor Kurden und Tscherkessen zu garantieren.

Die christlichen Großmächte aber, welche die Palme der Humanität nicht den Händen Rußlands überantworten wollten, ehe sie zuvor um so hohen Preis im edelsten Wettstreit gerungen, schoben im Berliner Vertrag auf Vorschlag Englands, den Artikel 16 des Vertrages von St. Stephano beiseite und ersetzten ihn durch die solidarische Bürgschaft aller Signatarmächte für die Einführung von Reformen und den Schutz der armenischen Christen:

Die Hohe Pforte,“ so lautet der 61. Artikel des Berliner Vertrages, „übernimmt die Verpflichtung, ohne weiteren Verzug, die durch lokale Bedürfnisse in den von den Armeniern bewohnten Provinzen erforderten Verbesserungen und Reformen ins Werk zu setzen und den Armeniern Sicherheit vor Kurden und Tscherkessen zu garantieren. Sie wird die in dieser Richtung gethanen Schritte in bestimmten Zeitabschnitten den Mächten bekannt geben, die ihr Inkrafttreten überwachen werden.“ England hatte aber hieran noch nicht genug.

Der humane Ehrgeiz oder ein sonstiges Interesse spornte es an, noch während der Verhandlungen des Berliner Vertrages, allen anderen Mächten bei der Pforte den Rang abzulaufen und sich durch die sogenannte Cyprische Konvention einen besonderen Auftrag für die Beglückung Armeniens zu erwirken. Schon vor der Unterzeichnung derselben hatte Lord Salisbury in einer Depesche vom 30. Mai 1878 dem britischen Gesandten in Konstantinopel folgende Instruktion gegeben: „Garantieen, die erforderlich sind, um England ein Recht zu geben, auf befriedigende Maßregeln für diese (Reform-) Absichten zu dringen, werden ein unentbehrlicher Bestandteil jedes Uebereinkommens sein, zu dem die Regierung Ihrer Majestät ihre Zustimmung geben könnte.“ In Uebereinstimmung damit erhielt dann auch England, in der Cyprischen Konvention, für die der Türkei gewährte Garantie ihres asiatischen Besitzes, „von Sr. Kaiserlichen Majestät dem Sultan das Versprechen, notwendige Verwaltungs-Reformen, über die zwischen den beiden Mächten späterhin Vereinbarungen getroffen werden sollen, in der Regierung zum Schutz der christlichen und anderen Unterthanen der Pforte in diesen Gebieten einzuführen.

Der logische Zusammenhang, in welchen die englische Diplomatie mit diesen Abmachungen die Occupation von Cypern zu setzen wußte, ist aus dem Wortlaut des Vertrages, selbst mit dem größten Scharfsinn, nicht zu ermitteln. Wahrscheinlich aber hatte England eine so lebhafte Vorempfindung der bei der Pforte für das unglückliche Armenien von ihm durchzusetzenden Reformen, daß es nicht umhin konnte, sich schon im Voraus einen angemessenen Lohn dafür zu sichern.

Wenn sechs Großmächte mit heiligen Verträgen – die Hauptstadt des Deutschen Reiches war Zeuge dieses erhabenen Schauspiels – sich für das Glück eines geknechteten Volkes verbürgen, so möchte man fast glauben, daß selbst der Himmel seinen ohnmächtigen Geschöpfen keinen besseren Schutz gewähren und den Stellvertretern seiner richterlichen Gewalt auf Erden getrost die Wahrung seiner Gerechtigkeit überlassen könnte.

Aber man sagt uns, daß, sintemalen zugestandenermaßen die Politik die treuloseste aller Künste ist, jene heiligen Verträge nichts anderes gewesen sind, als eine schöne moralische Kulisse, hinter der sich das politische Intriguenspiel der Mächte zu verbergen wünschte, und daß, Armenien hin, Armenien her, keiner der Unterzeichner des Berliner Vertrages ernstlich daran gedacht hat, auch nur einen Finger zu rühren, um die hübschen Versprechungen irgend wann einmal einzulösen oder die Pforte zur Ausführung ihrer Verpflichtungen anzuhalten. Ja der Versuch, der in dieser Richtung nach 17jährigem Nichtsthun im vergangenen Jahre von einer der Signatarmächte – aus welchen Motiven immer – unternommen wurde, den papierenen Verträgen zu einem wirklichen Dasein zu verhelfen, wird von ganz Europa als ein gröblicher diplomatischer Friedensbruch angeschrieen, und Entsetzen ergreift die civilisierte Welt über das „perfide“ England, welches, weil es ihm einmal so paßt, aufhören will. Papier für Papier und die Armenier unter türkischer Herrschaft für ein glückliches Volk zu halten.

Vielleicht aber, wird man einwenden, stand es gar nicht mehr so schlimm in Armenien, und die Mächte werden darum auf die Ausführung der Vertragsverpflichtungen verzichtet haben, weil durch die inzwischen eingetretene Besserung der Zustände die Einführung von Reformen sich als unnötig herausgestellt hatte. Nun die Mächte, die in der Lage sind, sich durch ihre Konsuln jede wünschenswerte Information über die Zustände in Armenien zu verschaffen und in der That, wie die Bände des diplomatischen Aktenmaterials beweisen, keinerlei Unkenntnis vorschützen können, mögen selbst das Urteil in dieser Sache sprechen. In den ersten Jahren nach dem Berliner Vertrag hielt man es noch für eine Sache des politischen Anstandes, die völlige Nichtachtung der auf Armenien bezüglichen Bestimmungen desselben vonseiten der Pforte wenigstens mit diplomatischen Noten zu rügen und sich den Anschein zu geben, als ob man wirklich auf die Durchführung der Reformen in den armenischen Provinzen einen Druck ausüben wolle.

Am 7. September 1880 wurde der Hohen Pforte von den Botschaftern der sechs Signatarmächte eine Kollektivnote überreicht. Darin ist folgendes zu lesen:

„Die Unterzeichneten haben die Note vom 5. Juli des Jahres erhalten, durch welche die Hohe Pforte dem Paragraphen ihrer Mitteilung vom 11. Juni entsprach, der sich auf die Verbesserungen und administrativen Reformen bezog, welche die ottomanische Regierung durch den 61. Artikel des Berliner Vertrages in den von Armeniern bewohnten Provinzen einzuführen sich verpflichtet hat. Ein aufmerksames Studium dieses Dokuments hat ihnen bewiesen, daß die von der ottomanischen Regierung formulierten Vorschläge weder dem Geist noch dem Buchstaben nach diesem Artikel entsprechen. ... Nichts beweist, daß irgendwelche Verbesserung in der Verwaltung der Justiz eingeführt wurde. Im Gegenteil, zahlreiche Konsularberichte stellen fest, daß die gegenwärtige Lage, was die Unabhängigkeit der Civil- und Straf-Tribunale betrifft, ebenso unbefriedigend, wenn nicht noch schlimmer ist als zuvor.

„Was die Gendarmerie und Polizei anlangt, so versichert die Note vom 5. Juli, daß die Pforte mehrere spezielle Beamte aufgefordert habe, Reform-Vorschläge für diese beiden Kategorien vorzulegen. Die Mächte haben keine Kenntnis von diesen Vorschlägen erhalten, und selbst die ottomanische Regierung war nicht imstande, zu erklären, daß sie ihr selbst unterbreitet wurden.

„Die Unterzeichneten können nicht zugeben, daß die Antwort Euer Excellenz den in ihrer Note vom 11. Juni formulierten Beschwerden auch nur im geringsten gerecht geworden ist. Sie glauben sich um so mehr berechtigt, die in dieser Hinsicht von der ottomanischen Regierung versuchten Anstrengungen auf ihren wahren Wert zurückzuführen, da die Pforte, nach eben dieser Antwort zu schließen, sich offenbar eine nichts weniger als genaue Rechenschaft von der Lage und den Verpflichtungen giebt, welche ihr der Berliner Vertrag auferlegt.

„Die Ausdrücke selbst, in denen sich die Hohe Pforte über die in den von den Armeniern bewohnten Provinzen begangenen oder berichteten Verbrechen bewegt, beweisen, daß sie sich weigert, den Zustand der Anarchie, der in diesen Provinzen herrscht, und den Ernst einer Lage, deren Fortdauer aller Wahrscheinlichkeit nach die Vernichtung der christlichen Bevölkerung in jenen weiten Landesteilen zur Folge haben würde, anzuerkennen.

„Die Note vom 5. Juli formuliert keinen ernstlichen Vorschlag, der dahin zielte, den Excessen der Tscherkessen und Kurden ein Ende zu machen. … …

„Die Mächte würden ohne Zweifel mit Genugthuung die Einführung von Reformen in allen Teilen des osmanischen Reiches begrüßen, aber sie bestehen vor allem andern auf der vollständigen Ausführung des Berliner Vertrages und können nicht zulassen, daß die Pforte sich den Verpflichtungen, die sie in dieser Hinsicht übernommen, überhoben glaubt, indem sie eine Reorganisation vorschlägt, in welcher keine einzige der speziellen Reformen figuriert, welche zu Gunsten der von diesem namhaft gemachten Provinzen ausbedungen wurden.“

Die Kollektiv-Note macht des weiteren der Pforte die eingehendsten Vorschläge in Bezug auf die vertragsmäßig geforderte Reorganisation der Verwaltungs-, Justiz- und Polizeibehörden und schließt: „Die Unterzeichneten lenken noch einmal die Aufmerksamkeit der Pforte auf die Thatsache hin, daß die Reformen, welche in den von den Armeniern bewohnten Provinzen einzuführen sind, nach dem Wortlaut der Verpflichtungen, welche dieselbe durch einen internationalen Akt eingegangen ist, den lokalen Bedürfnissen entsprechen und unter der Ueberwachung der Mächte vollzogen werden müssen.

Die Unterzeichneten u. s. w. gez. Hatzfeldt. Novikow. Goschen, Corti. Tissot. Calice.“

Dies war, zwei Jahre nach dem Berliner Vertrag, der letzte ernstliche Schritt, der von den Mächten unternommen wurde, um die dem unglücklichen armenischen Volke gegebenen Versprechungen einzulösen.

Eine Zirkularnote des Earl Granville vom 12. Januar 1881, welche die andern 5 Mächte noch einmal zu weiteren Vorstellungen bei der Pforte einlud, wurde von denselben ausweichend beantwortet. England hatte auch nichts anderes erwartet, denn der englische Gesandte in Konstantinopel, Mr. Goschen, hatte bereits an Earl Granville geschrieben: „Wenn sie [die Mächte] ablehnen oder nur eine laue Unterstützung gewähren, hat Ihrer Majestät Regierung weiter keine Verantwortung.“ So wurde „die armenische Frage“ zu den diplomatischen Akten gelegt und die Pforte rieb sich die Hände.

Also, die Vertreter christlicher Großmächte waren sich dessen vollkommen bewußt, daß die „Fortdauer“ der in den armenischen Provinzen „herrschenden Anarchie aller Wahrscheinlichkeit nach die Vernichtung der christlichen Bevölkerung in jenen weiten Landesteilen zur Folge haben würde,“ und gleichwohl verzichteten sie weitere fünfzehn Jahre einmütig darauf, dem kraftvoll arbeitenden Vernichtungswerk der türkischen Verwaltungsmaschine in Armenien, die die christliche Bevölkerung wie das Stroh auf der Tenne drosch, noch irgend welche Schwierigkeiten zu bereiten. Warum auch? Wußten doch diese Diplomaten ebenso gut, wie die klugen Paschas der Hohen Pforte, daß die „durch einen internationalen Akt“ garantierten Reformen ewig auf dem Papier bleiben würden, und daß daran all’ ihr Schreibwerk mit samt ihren mündlichen Vorstellungen nichts ändern würde. Sie hätten ja die Kollektivnote vom 7. September 1880 stereotypieren und in den nächsten fünfzehn Jahren am Ende jeden Quartals der Hohen Pforte wieder überreichen lassen können; aber wer kann es Männern von Bildung und Ehre verargen, wenn sie darauf verzichteten, nachdem sie zwei oder dreimal an der Nase herumgeführt waren, bei diesem Fackeltanz noch länger mitzuwirken. Denn daß von keiner Seite etwas anderes als Stilübungen diplomatischer Noten in Vorschlag gebracht werden würden, darüber war man sich von vornherein klar.

Inzwischen arbeitete die Maschine weiter. In welcher Weise von ihren eisernen Zähnen die christliche Bevölkerung Armeniens langsam aber sicher zermalmt wurde, davon kann man sich aus den dokumentarischen Berichten eines Augenzeugen, der im Herbst vorigen Jahres das christliche Publikum von England alarmierte, eine sachgemäße Vorstellung bilden. Wir geben den Artikel von E. J. Dillon in der „Contemporary Review“ : „The Condition of Armenia“, August 1895, im folgenden (Nr. III) wieder. Auch die lehrreichen Publikationen von Fr. D. Greene und Rev. Malcolm Mac Coll hätten es verdient, dem deutschen Publikum zugänglich gemacht zu werden; denn diese Männer nehmen auch der Politik ihrer eigenen Regierung gegenüber kein Blatt vor den Mund und enthüllen mit einer Deutlichkeit, die selbst einem Türken die Schamröte ins Gesicht treiben müßte, die schmachvollen Praktiken türkischer Beamten, Offiziere, Richter, Steuer- und Polizeibeamten, neben deren Schandthaten sich die Plündereien und Mordthaten der Kurden wie harmlose Schuljungenstreiche ausnehmen.

„Der tatsächliche Erfolg unseres Vorgehens gegen Rußland 1878,“ schreibt Dillon, „ist, vom rein humanitären Gesichtspunkt aus betrachtet, der gewesen, daß wir in den armenischen Provinzen ein Schreckenssystem verewigt haben, im Vergleich zu dem die Leiden der Negersklaven in den amerikanischen Südstaaten leichte Unzuträglichkeiten gewesen sind. Wir haben feierlich das Fegfeuer abgeschafft und ließen zu, daß an dessen Stelle eine Hölle gesetzt wurde. Wir übernahmen, dafür zu sorgen, daß die Mißstände ... sofort und endgiltig beseitigt werden sollten; und dann haben wir nicht nur versäumt, diese freiwillig übernommene Pflicht ... zu erfüllen, sondern wir ließen zu, daß sich das lockere System einer ungeordneten Verwaltung allmählich zu einer diabolischen Vernichtungspolitik entwickelte, ohne daß wir gewagt hätten, unsere Macht fühlen zu lassen oder unsere Ohnmacht einzugestehen.“

Sechzehn Jahre lang arbeitete die Maschine still und geräuschlos. Wenn auch dann und wann von den Diplomaten, denen ja die „Ueberwachung“ der Maßregeln der Pforte oblag, ein Steinchen zwischen die Räder geworfen wurde, so empfand doch die Pforte dies lediglich als einen harmlosen Scherz. Da plötzlich, im August 1894, gab die Maschine, weil sie zu scharf arbeitete, einen hörbaren Ruck und das aufgeschreckte Europa wurde durch das Massacre von Sassun in unliebsamer Weise an die Existenz von Armenien erinnert. Wie in einem aufgestörten Bienenkorb surrte es in der hohen Politik durcheinander. Eine Untersuchungs-Kommission wurde eingesetzt und 108 Protokolle abgefaßt, gar nicht zu reden von den Bänden diplomatischer Noten, die zusammengeschrieben wurden. Die Hohe Pforte konnte gar nicht begreifen, was eigentlich los war; denn was in Sassun passierte, war ja nur ein etwas markanteres Specimen der üblichen Verwaltungsmethode und nebenbei noch eine kleine Belastungsprobe von dem, was die europäische Diplomatie sich etwa in Armenien gefallen lassen würde.

Es ist kein Zweifel, die Verlegenheit, die den kontinentalen Kabinetten durch die auch allzu unvorsichtige innere Politik der Pforte bereitet wurde, kam dem Auswärtigen Amt in London gerade recht und die Wiederaufnahme der Verhandlungen über die armenischen Reformen im Februar 1895 entsprang keineswegs nur dem humanitären Bedürfnis der liberalen Regierung. Aber die Prozesse der Zeitgeschichte auf zwei oder drei Drähte zurückzuführen, die in den Kabinetten von London, Petersburg und Paris von mehr oder weniger reinlichen Händen gezogen werden, und den elementaren Ausbruch der orientalischen Krise, die voraussichtlich nur mit dem Zusammenbruch des türkischen Reiches enden wird, nur Machenschaften etlicher mehr oder weniger klugen Diplomaten zur Last zu legen, das heißt denn doch das Drama der Weltgeschichte aus der Konstruktion eines Kasperle-Theaters begreifen zu wollen.

Das Massacre in Sassun hatte ein so grelles Licht auf die Vernichtungspolitik der Pforte in Armenien geworfen, daß, auch abgesehen von dem Nutzen, den ein schärferes Vorgehen im Orient in der allgemeinen politischen Lage England bringen konnte, das liberale Kabinett kaum umhin konnte, der Entrüstung des englischen Publikums Rechnung zu tragen und endlich an eine Einlösung der Verpflichtungen der Cyprischen Konvention zu denken. Den Verhandlungen wegen Einführung von Reformen in Armenien, die England Ende März 1895 bei der Pforte aufzunehmen begann, schlossen sich im April Rußland und Frankreich offiziell an. Am 11. Mai überreichten die Dragomanen der englischen, französischen und russischen Botschaft der Pforte den von den drei Botschaften ausgearbeiteten Reformplan für die östlichen Provinzen Kleinasiens, der die Billigung der drei Mächte gefunden hatte. Dieser erstreckte sich auf die sechs Provinzen Erzerum, Bitlis, Wan, Siwas, Charput, Diarbekir und forderte eine durchgreifende Reform der Verwaltungs-, Justiz- und Polizei-Behörden, des Gefängnis- und Steuerwesens und energische Maßregeln gegen die Uebergriffe der Hamidieh-Truppen und die Raubzüge der Kürdenstämme. Die Verwaltungs-, Justiz- und Polizei-Behörden sollten im Verhältnis der Bevölkerung aus muhammedanischen und christlichen Beamten zusammengesetzt werden. Eine Statistik aus dem Jahre 1880 giebt für die in Frage kommenden sechs Vilajets folgende Zahlen: Christen: 1 0548 000 (Armenier: 780 800 – Syrer: 251,000 – Griechen: 23 000) Muhammedaner 776 500 (Türken: 220 000 – Tscherkessen: 100 000 – Kurden 380 000 und sonstige 76 500).

Die Hohe Pforte wurde durch diesen Reformplan, hinter dem die drei im Orient interessiertesten Großmächte standen, in die äußerste Verlegenheit geführt, um so mehr, da auch die anderen Mächte, Deutschland eingeschlossen, die Pforte drängten, demselben zuzustimmen. Eine bürgerliche Gleichberechtigung der Christen, auch nur vor dem Gesetz, wie viel weniger in der Verwaltung, duldet das muhammedanische Religionsgesetz nun und nimmermehr; gestattet dasselbe doch nicht einmal das Zeugnis eines Christen gegen einen Muhammedaner vor Gericht. Allerdings hatte alles, was der Reformplan forderte, im Wesentlichen schon der Hatt-i-Humayum von 1856 für das ganze türkische Reich auf dem Papier bewilligt, aber derselbe war ein toter Buchstabe geblieben, schon aus dem einfachen Grunde, weil er niemals die Sanktion des Scheikh-ül-Islam erhalten hat und erhalten konnte. So sehr sich die Diplomaten der Hohen Pforte wanden und drehten und durch monatelange Verhandlungen der Zustimmung zu dem Reformplan auszuweichen suchten, so blieb doch endlich dem Sultan nichts anderes übrig, als zu der langen Reihe unerfüllter Versprechungen auch noch diese hinzuzufügen und den Reformplan zu unterschreiben. Schon am 14. September hatte die Pforte in einem Telegramm an Rustem Pascha, den Botschafter in London, in der Hauptsache ihre Zustimmung zu den Reformen erklären lassen und nach weiteren Verhandlungen fand die armenische Reformfrage am 22. Oktober durch eine Verbalnote des Großvezir Said Pascha ihren diplomatischen Abschluß. Ueberdies gab der Sultan in einem Schreiben an Lord Salisbury sein Ehrenwort, daß die Reformen unverzüglich und buchstäblich in Ausführung gebracht werden sollten. Aber die Hohe Pforte hatte aus den Verhandlungen mit den Mächten diesmal die Ueberzeugung gewonnen, daß nach deren Willen die Reformen mehr als Papier sein sollten, und daß, wollte sie die thatsächliche Ausführung dennoch hintertreiben, irgend etwas in den Provinzen passieren müßte, was de facto die Reformen unmöglich machen würde.

Anfang Oktober, nachdem die armenische Demonstration in Konstantinopel eine gute Handhabe geboten, hatten die Civil-, und Militär-Behörden in den Provinzen schon ihre Instruktionen aus dem Palast erhalten. Die Vernichtungsmaschine der türkischen Verwaltung wurde auf Volldampf gestellt und binnen drei Monaten war die Zermalmung der armenischen Bevölkerung in allen Provinzen, für die Reformen zugestanden waren, und darüber hinaus, der Hauptsache nach vollendet.

Wir fragen noch einmal: Was sind die armenischen Massacres? Sie sind eine administrative Maßregel der Hohen Pforte, welche zum einzigen Motiv und Zweck hatte, die von den Großmächten durchgesetzten armenischen Reformen durch Vernichtung des armenischen Volkes selbst endgültig unausführbar zu machen.

Ein hoher Beamter in der Türkei, der außergewöhnliche Gelegenheit hatte sich zu unterrichten, sprach sich über die armenischen Massacres folgendermaßen aus: „Lassen Sie sich durch die albernen Regierungsberichte nicht täuschen, welche alle diese Metzeleien auf die Armenier schieben wollen: es war der vorbedachte Plan der Regierung, die Armenier zu züchtigen; der Sultan war ergrimmt, weil er gezwungen war, ihnen Reformen zuzugestehen und so ließ er, nachdem er den Reformplan unterschrieben hatte, die Armenier umbringen, um seine Macht zu zeigen.“

Vor kurzem ging eine Mitteilung durch die Presse, wonach der Zar gegenüber dem während der Drucklegung dieser Schrift verstorbenen Fürsten Lobanoff sich folgendermaßen ausgesprochen habe:

Die Türkei scheint uns hintergehen zu wollen. Ich kann und will aber nicht gestatten, daß die Greuelthaten weiter fortgesetzt werden, bis vielleicht der letzte christliche Unterthan des Sultans abgeschlachtet worden ist. Dies muß ein Ende haben.

Hier ist des Rätsels Lösung gefunden; aber für die unter der Erde liegenden 10 000 Armenier leider zu spät.

Soll es aber wirklich dazu kommen, daß die europäische Politik auf dem seit Jahren beschrittenen, verhängnisvollen Wege umkehrt, so muß zuerst die schmerzliche Wahrheit zur allgemeinen Erkenntnis kommen, daß niemand anders die furchtbare Vernichtung des armenischen Volkes herbeigeführt hat, als die Politik der christlichen Großmächte selbst. Hätten die Mächte nicht den von den Armeniern bewohnten östlichen, sondern den von Griechen bewohnten westlichen Provinzen Kleinasiens ihr Interesse zugewendet, man kann mit Sicherheit behaupten, daß diese das gleiche Schicksal wie Armenien betroffen hätte. Denn es bestand in Armenien selbst keinerlei Ursache, die den Armeniern den vernichtenden Haß der türkischen Regierung hätte zuziehen können. „Die armenische Bevölkerung ist eine friedfertige gewesen“, bezeugte noch im September der auswärtige Minister Turkhan Pascha den Dragomanen Englands, Frankreichs und Rußlands, „bis sich ihnen die Sympathieen der Großmächte zuwandten.“ Hätten die Mächte Armenien sich selbst überlassen, die Armenier wären noch heute, zwar kein glückliches, aber nicht das unglücklichste Volk, das jetzt der Erdboden trägt.

Aber nicht, daß die europäischen Diplomaten sich eines armen, zertretenen Volkes angenommen, ist zu tadeln; wohl aber, daß sie es in einer Weise gethan, daß eben dieses Volk die Zeche für ihre Politik mit seinem Blut bezahlen mußte.

Es ist immer noch besser an der Brutalität einer barbarischen Regierung, als an dem Mitleid civilisierter Völker zu Grunde zu gehen. Dann wäre doch wenigstens dies arme Volk von den Moralpredigten unwissender Zeitungsschreiber und den Krokodilsthränen europäischer Diplomaten verschont geblieben und nicht um eine ehrliche Leichenpredigt gebracht worden. Oder thue ich den Diplomaten Unrecht? Man sagt, daß das Krokodil, wenn es auf Raub lauert, die Stimme eines weinenden Kindes annimmt. Paßt der Vergleich etwa nicht? Was war sonst der Sinn jener Verträge, die unter dem Vorwande der Humanität, wie es den Anschein hat, nur der brutalsten Interessenpolitik dienen sollten?

Oder giebt es vielleicht in dem christlichen Europa noch ein anderes Ideal von Politik? Es wäre wirklich an der Zeit, es zu beweisen.

Aber was geht die ganze Geschichte Deutschland an? In Wahrheit, die deutsche Diplomatie hat sich durch keinerlei strafbare Handlungen in dem ganzen Lauf der Jahre seit dem Berliner Vertrag an dem armenischen Volk versündigt. Sie hat es vorgezogen die Freundschaft des Sultans nicht einmal durch Sympathie-Kundgebungen für das Opfer auch ihrer Politik zu verscherzen. Ihre Richtschnur war ihr vorgezeichnet durch das Diktum von den „Knochen des pommerschen Grenadiers“, deren kein Bulgare, geschweige denn ein Armenier, wert zu achten sei. Wohl niemals hat ein zu seiner Zeit zutreffendes bon mot eine so nachhaltige politische Macht ausgeübt, als dieses glücklich geprägte Wort. Und von der Tyrannei, die ein kraftvoller plastischer Ausdruck über die hausbackene Prosa logischer Gründe ausüben kann, mag sich jeder überzeugen, der heut oder morgen, im harmlosen Gespräch, für eine Wandlung unserer Orient-Politik eine Lanze zu brechen versucht und die Erfahrung machen muß, daß auch die stärkste an dem Panzer dieses Wortes zersplittern muß. Ist denn überhaupt schon davon die Rede, daß deutsches Blut an den Gestaden des Bosporus fließen muß? Zwischen höflichen diplomatischen Noten und einer Kriegserklärung ist wahrlich für die europäische Diplomatie wenn sie nur einen ernstlichen Willen besitzt, Spielraum genug, um bei der ohnmächtigen Hohen Pforte etwas durchzusetzen. Oder ist es eine würdige Sache, wenn eine christliche Großmacht auf die Nerven der Machthaber im Yidiz Kiosk eine so zärtliche Rücksicht nehmen zu müssen glaubt, daß sie das Wort Armenien im kaiserlichen Palast am liebsten überhaupt nicht mehr über die Lippen bringt? Da legt man doch wahrlich an die Nerven der Türken, die sich am goldenen Horn bequem auf ihren Divans ausstrecken und an die Nerven armenischer Christen, die ihnen von denselben Türken unter den ausgesuchtesten Qualen aus dem Leibe herausseciert werden, einen etwas verschiedenen Maßstab an.

Wenn, wie von maßgebender Seite versichert wurde, der deutschen Diplomatie in der Kampagne der letzten 10 Monate nur die eine Richtschnur vorgezeichnet war, „jede Berührung mit der armenischen Frage wie das höllische Feuer zu fliehen“, so wird ja freilich niemand verlangen, daß sich dieselben an dem einmal angezündeten Feuer die Finger hätte verbrennen sollen. Aber das ist die Frage, ob es nicht des mächtigsten Volkes auf dem Kontinent würdiger gewesen wäre, im Verein mit andern, das höllische Feuer zu löschen, statt nur darauf bedacht zu sein, auf gutem Fuße mit denen zu bleiben, die es angezündet. Ja, ein höllisches Feuer ist es in der That! und auch die deutsche Politik wird nicht unschuldig daran sein, wenn dasselbe binnen kurzem um sich fressen und die ganze Christenheit des Orients in seinen Flammen verzehren sollte. Es wird ja freilich dann immer noch Zeit sein, daß sich die Diplomaten am goldenen Horn auf eines der beiden Stationsschiffe retten, die sie so besorgt gewesen sind mit einem umfangreichen diplomatischen Notenwechsel sich zur Verfügung zu stellen.