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Anrede am Grabe des achtbaren Wittwers Joseph Schneider, am 27. Juni 1833

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Textdaten
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Autor: Johann Martin Rauch
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Titel: Anrede am Grabe des achtbaren Wittwers Joseph Schneider, am 27. Juni 1833
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aus: Sechs kurze Trauerreden. Bei Beerdigungen gesprochen. S. 30–36
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1831
Erscheinungsdatum: 1834
Verlag: Alois Attenkover
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Erscheinungsort: Ingolstadt
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Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[30]

V.

Anrede am Grabe des achtbaren Wittwers Joseph Schneider, am 27. Juni 1833.


Justorum animae in manu Dei sunt. Sap. III. 1.

Der Gerechten Seelen sind in der Hand Gottes.


Der menschliche Leichnam, den wir so eben in dieses Grab gelegt haben, ist die sterbliche Hülle des achtbaren, verwittweten Joseph Schneider, Halbbauers von hier. Joseph Schneider ward im Jahre 1772 den 25. Juni dahier von christlichen und rechtschaffenen Landleuten geboren, die ihm, so wie seinen übrigen Geschwisterten, von frühester Jugend auf jene Erziehung angedeihen ließen, die alle Eltern ihren Kindern schuldig wären. Die guten und frommen Grundsätze der Eltern scheiterten auch an dem Sohne nicht. Er befolgte die Winke der Eltern, (die ihm jedoch schon frühzeitig in ein besseres Leben abberufen wurden,) auf’s genaueste, und zeichnete sich durch ein zwar heiteres, aber dennoch eingezogenes Leben aus. Denn die Lehren seiner seligen Eltern blieben ihm tief in’s Herz geprägt. –

[31] Und so reifte er zum Jünglinge heran, der wohl damals schon allen andern zum Muster diente, heut zu Tage aber seines Gleichen nur selten mehr finden möchte. Erst nachdem er vierzig Jahre zurückgelegt hatte, und seine Geschwisterte auch grossentheils versorgt waren, verehelichte er sich mit einer tugendsamen Jungfrau, mit der er viele Jahre in friedlicher und glücklicher Ehe lebte, bis sie ihm vor nicht vollen 6 Jahren durch den Tod entrissen wurde, nachdem ich selbst, ihr die letzten Tröstungen unserer heiligen Religion mitgetheilt hatte.

Schmerzlich war der Tod einer rechtschaffnen Gemahlin für den mit fünf unbehilflichen Kindern hinterlassenen Gatten. Allein der brave Joseph Schneider, väterlich für seine mutterlosen Waisen besorgt, wollte kein zweites Eheband mehr schließen, sondern zog es vor, mit seinen Kindern im Vertrauen auf göttlichen Beistand seine Berufspflichten fortzuführen. Dabei war er unermüdet für christliche Zucht und Ordnung seiner Angehörigen, besonders aber der Kinder besorgt, was zu seiner Ehre öffentlich erwähnt werden muß, so wie es ihm auch jenseits die schwere Verantwortung, die alle Eltern für ihre Kinder zu bestehen haben, erleichtert haben wird. Von frühester Jugend auf an Thätigkeit und Arbeitsamkeit gewöhnt, und reines thätiges [32] Christenthum im Herzen tragend, erfreute er sich des himmlischen Segens in einer bedrängten; verhängnißvollen Zeit; und lieferte den Beweis: daß Christi Worte Wahrheit sind, die da sagen, „Trachtet zuerst nach dem Reiche Gottes – und alles übrige wird euch beigelegt werden.“ Ja, wahrhaftig, nur in einem christlichen Hause gedeihen auch die zeitlichen Geschäfte gut; und Gott segnet die Arbeit, die im kindlichen Vertrauen auf seine allwalltende Vatergüte verrichtet wird; Er segnet das Haus, in welchem christliche Kinderzucht herrschet, und Ausschweifung und Lasterhaftigkeit nicht geduldet werden. –

Doch prüfet Gott jeden, den er lieb hat; und deshalb treffen auch den Gerechten die Heimsuchungen Gottes. Auch unser seliger Joseph Schneider war hievon nicht ausgenommen. Manche trübe Wolke verfinsterte auch ihm den Himmel seines Daseyns, und erhielt ihn dabei im Gleichgewichte. Die letzte Prüfung war seine Krankheit, die schon vor einem Jahre sich meldete, und trotz aller angewendeten zeitlichen Mittel bei mannigfaltigem Wechsel ihn nur zu sehr in christliche Geduld und Ergebung in Gottes heilige Fügungen einübte, bis sie ihn, ausgerüstet durch fromm empfangene Sterbsakramente, und nach gehörig geordneter letzter Willensmeinung für seine geliebten [33] Kinder, seinem Ziele näher führte, und am 25. Juni laufenden Jahres [WS 1] als am Vorabende seines Geburtstages, 61 Jahre, weniger einen Tag, alt, Abends 10 Uhr ihm die Pforte zum ewigen Jenseits öffnete. –

Still und ruhig war sein Ende, wie sein Leben, und es bewährte sich an ihm, was schon das deutsche Sprichwort sagt: „Wie der Mensch lebt, so stirbt er.“

So ist Joseph Schneider, ein Mann, der als Gatte, Vater, Mensch und Christ, der hiesigen Gemeinde zur Ehre gereichte, nach 61jährigem Pilgerleben in die Ewigkeit hinübergegangen, und genießet nun, wie ich nicht zweifle, des ewigen Friedens. –

An seinem Grabe aber stehen mit uns auch seine trauernden Geschwisterte, und – fünf vater- und mutterlose Waisen, die seinen Verlust unendlich schwer fühlen, und für welche der Geschiedene zu frühe, ach viel zu frühe heimgekehrt ist, um sich mit ihrer frommen Mutter zur vereinigen.

Schwer ist dieses Loos für euch, meine Theuern! denn die Eltern sind nach Gott der Kinder größte Wohlthäter. Ihnen verdanken sie alles, selbst das Leben. Daher Gott auch feierlich befiehlt, die Eltern zu ehren, und ewigen Fluch über ungerathene[WS 2] Kinder verhängt. – Was [34] rechtschaffene Eltern sind, weiß ich aus eigener Erfahrung. Selbst von frommen Eltern stammend, in deren Augen Christenthum und Gottesfurcht mehr, als irdische Schätze, galten, weiß ich, was es heiße, derselben früh beraubt zu werden; weiß, welch großen Gefahren verlaßene und unbehilfliche Waisen ausgesetzt sind. Doch aber weiß ich auch, daß der Segen guter Eltern auf den Kindern ruht, und daß gute Kinder ihre Eltern noch im Grabe ehren. Ich weiß ferner, das verlaßene Waisen, so lang sie fromm und gottesfürchtig sind, im Schutze Gottes stehen, der Vaterstelle an ihnen vertritt, und der mit solcher väterlicher Liebe sich ihrer annimmt, daß er selber gesprochen hat: „Wer mir Waisen angreift, der greift in meinen Augapfel.“

Elternlose, fromme Waisen sind der Augapfel Gottes! Wehe denen, die elternlosen Kindern zu nahe treten! –

Nehmt daher auch ihr, fünf verlaßene Waisen! am Grabe euers seligen und liebenden Vaters diese Worte zu eurem Troste hin. Folget dem guten Beispiele und den wohlgemeinten Ermahnungen euerer seligen Eltern, vergesset sie nie bis zu eurem letzten Athemzuge; vertrauet auf Gott! und machet durch Eintracht, Tugend und Frömmigkeit euch seines Beistandes [35] würdig, und, ich versichere Euch: Gott wird euer Vater seyn, und es wird euch gut gehen auf Erde, jenseits aber werdet ihr euere Eltern wieder finden, denn, die Seelen der Gerechten sind ja in der Hand Gottes, und sie ruhen aus von ihren (irdischen) Mühseligkeiten. –

Alle aber, die wir hier versammelt sind, wollen die ernste Wahrheit zu Herzen nehmen, daß jedem seine Stunde kommen wird, daß unser Leben kurz ist, und nach dem selben eine Ewigkeit beginnen wird, wo jeder Rechenschaft geben muß, je nachdem er hier Gutes oder Böses gethan hat. Der Tod ist gewiß, er rufet jeden, früh oder spät, und wie oft auch plötzlich und unvermuthet, wie die tägliche Erfahrung lehrt. Haltet euch also bereitet; lebet so, daß ihr den Tod nicht fürchten dürfet, ob er heute oder morgen kommen mag. Ehret das Christenthum, und haltet christliche Kinderzucht, wenn ihr bestehen wollt vor Gottes Richterstuhle. Dies ist meine Mahnung am Grabe eines rechtschaffenen Vaters! –

Ja, er war ein rechtschaffener Vater! Allein da er auch ein Mensch war, und menschliche Gebrechlichkeit hatte, so möchte es seyn, daß er vor Gottes strenger Gerechtigkeit noch jenseits im Reinigungsorte einige Schulden abzutragen [36] habe. Deswegen wollen wir aus christlicher Liebe mit unserm Gebete ihn unterstützen, und hier an seinem Grabe noch sprechen: ein andächtiges Vater Unser und Ave Maria.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. "Vorlage": l. J.
  2. Vorlage: nngerathene