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Anmerkungen zu den Mummelsee-Sagen

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Textdaten
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Autor: Unbekannt
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Titel: Anmerkungen zu den Mummelsee-Sagen
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 130–134
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Quelle: Commons, Google
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[130]
Anmerkungen zu den Mummelsee-Sagen.

Unfern der Kuppe der Hornisgrinde[1], an deren südöstlichem Abhange, ungefähr zwei Stunden von der Herrenwiese, liegt der Mummelsee, auch Wundersee (lacus mirabilis) genannt. Desselben erwähnen schon einige unserer älteren Schriftsteller, u. A. Caspar Schott in seiner „Physica curiosa,“ lib. pag. 123. Mancherlei von seinen Wundern erzählt auch Greifenson (Schleifheim) in seinem Kriegsbildervollen Roman: „Der abenteuerliche Simplicissimus.“ (5. Bändch. 10. Kap.) etc.

[131] Es gibt zwei See’n dieses Namens, die wegen ihrer nachbarlichen Aehnlichkeit öfters verwechselt werden. Derjenige, welcher unsern Sagenkreis bildet, ist der obenerwähnte, größere; der kleine Mummelsee, richtiger Herrenwieser- oder Nonnensee, befindet sich in der Gegend der Herrenwiese, im Bezirksamt Bühl. Seekopf heißen die Berge, in deren Tobel beide eingeschlossen sind. Aus dem größeren Mummelsee fließt die wilde Acher, die eine Strecke weit den Namen Seebach trägt, hierauf das eigentliche Acherthal bildet und sich in den Rhein mündet; der Abfluß des kleineren Mummelsee’s heißt ebenfalls Seebach, ergießt sich aber in den Schwarzenbach.

Mit dem Mummelsee wird auch wohl der wilde See (Wildsee) verwechselt, welcher in der Nähe von Allerheiligen liegt und durch die Schönmünzach in die Murg abfließt. Da es ferner noch einen zweiten Wildsee südwestlich vom Kniebis bei Rippoltsau und dem Schappacherthale gibt, so ist erklärlich, daß hier häufige Verwechslungen vorfallen.

Der Name Mummelsee mag eher von dem altteutschen Worte „Mummel“ (Hexe, Popanz) oder dem damit verwandten „Mummeln“, (Mumm machen, brummen hinter einer Vermummung, englisch to mumble) als von „Murmeln“ herzuleiten seyn.

(Vergl. Klüber’s „Beschreibung von Baden und seiner Umgegend.“ II, Theil S. 140 und 190. – Kolb’s „Lexikon von Baden.“ II. Bd. S. 294. III. Bd. S. 226 und 380. – Al. Schreiber’s „Baden mit seinen Heilquellen etc.“ S. 223 und 28 u. A. m.)


Fr. von Fahnenberg in seinem Werkchen „Die Heilquellen am Kniebis“ etc. sagt S. 167 über diesen Namensursprung:

Mummel, Mummert, Mummart ist im gemeinen Leben der Name eines erdichteten Ungeheuers, womit man Kinder schreckt und welches durch eine vermummte Person dargestellt wird, während sie dabei den brummenden Laut Mum, Mum von sich hören läßt. – Al. Schreiber leitet jedoch den Namen des See’s von „mummeln,“ „murmeln“ her; Mümmelchen sey gleichbedeutend mit Wassernixe; es liege hier der Begriff des Geheimnißvollen zu Grunde. Die Bedeutung von Larven, als gleichbedeutend mit gespenstigen Wesen, komme nur bei den Römern vor.

„Der große Mummelsee hat eine halbe Stunde im Umfang. Nur in der Mitte, wo die Acher entquillt, ist er von bisher noch unergründlicher Tiefe. Sein schwärzliches Wasser, durch die nahen Torfgründe so aussehend, nährt bloß den Salamander, nicht aber Fische. Nach Angabe der Landleute verursachen die Ausdünstungen des See’s häufig Nebel und Ungewitter. So soll den 21. Juni 1756 aus einem bloßen Wölkchen, das in der Größe eines runden Hutes aus demselben emporstieg, sich aber allmälig immer weiter ausdehnte, eines der entsetzlichsten Blitz- und [132] Hagelgewitter entstanden seyn, das im Umkreise von acht Stunden unbeschreiblichen Schaden verursachte.“

(Vergl. v. Fahnenberg’s „Heilquellen am Kniebis etc.“ S. 167 und 168.)


Al. Schreiber sagt u. A. von ihm:

„Des See’s Ufer ist, wie das Gestade des Letheflusses, öde und abgeschieden, die verkümmerten Fichten und Tannen neigen ihre Wipfel zur Erde und sterben schon in ihrer Jugend hin. Kein Laut unterbricht die ewige Stille, als das Stöhnen der nahen Wälder im Winde oder das melancholische Murmeln des Waldbachs tief unten im Thale. Unbeweglich ruht bei Windstille der schwarzbeschattete Wasserspiegel, auf welchem die gelbe Seerose (Nympha lutea) ihre breiten fetten Blätter entfaltet. Hier verweilt gerne Betrachtung, die Wehmuth, die Dichtung.“


„Die Lilien vom Mummelsee,“ S. 81 und „Mummelsee’s Rache,“ S. 83.

Bei den „Lilien“ (welche Blume eigentlich nicht im Mummelsee zu finden und nur mit poetischer Licenz hineingezaubert worden sind) zu Grunde liegende Sage, gab dem Hofmaler Götzenberger den Stoff zu einem der schönsten Freskobilder, womit er die neue Badener Trinkhalle geziert hat. – „Mummelsee’s Rache“ bezieht sich, andren Berichten nach, auf den Wildsee bei Allerheiligen.

(Siehe „Sagen aus Baden und Umgegend.“ Karlsruhe, 1834.)


Eine sehr gelungene Uebersetzung der „Lilien“ theilt die „Edinburgh Review“ vom Juli 1838, gelegentlich einer Recension von Simrock’s „Rheinsagen“ mit, unter welchen auch jene Romanze sich befindet. Wir lassen sie hier vergleichshalber folgen:

THE LILIES OF THE MUMMEL-LAKE.

Along the gloomy Mummel-Lake
The lilies bright are growing,
They stoop their heads, their stalks they shake,
When morning winds are blowing;

5
But when the night is in her noon,

And broad and bright the rounded moon,
Uprising from the wave they stand
A group of maidens on the strand.

The night-winds wake, the long reeds make

10
Sad music for their dancing,

As hand in hand is seen the band
Of lily-maids advancing;
In mazy flight careering light,
With faces white and garments white,

15
Till o’er their pallid cheeks is spread

Once more a blush of living red.

[133]

The loud winds groan, the long reeds moan,
The pine-wood pipes in chorus,
The clouds athwart the moon are blown,

20
The shadows fliker o’er us.

The night-dews stuff the grass full deep,
But up and down the dancers sweep,
And higher, heavier than before
The billows beat along the shore.

25
Lo! from the wave a giant arm,

A clenched hand intending,
A dripping head with sedge o’erspread,
A flowing beard depending;
And thunder-like there comes a sound,

30
Reecho’d from the rocks around:

„Ye graceles daughters, hark! give o’er
Back to your watery beds once more!“

The dance is o’er; if pale before,
How paler grow the daughters!:

35
„Our father calls, the down appals,

Once more then to the waters!“
The mift from out the valley rise,
The morning streaks anew the skies;
Once more the lilies with the morrow

40
Are waving o’er the lake of sorrow.


„Einkehr.“ S. 84.

Nicht nur im Odenwald, sondern auch in manchen Gegenden des Schwarzwaldes ist die Sage vom wüthenden Heere und wilden Jäger heimisch.


„Die Wasserherberge.“ S. 88.

Nach Al. Schreibers Erzählung in den „Sagen von Baden und Umgegend.“ Karlsruhe, 1834.


„Die Mummelzwerge.“ S. 92.

Auf mündliche Sagen der Landleute von an ihnen verübten Mummler-Neckerein gegründet.


„Der fremde Gast.“ S. 95.

Nach einer in Mone’s „Anzeiger“ etc. im Jahrg. 1836, mitgetheilten Sage bearbeitet.


„Die Geister im Mummelsee.“ S. 99.

Bruchstück aus einer unvollendeten Oper von E. Mörike.


„Der Jäger am Mummelsee.“ S. 100.

Vergleiche mit S. 100 „Der Jägersmann“ und „Die Braut vom Bergsee.“ S. 115.

[134] Eine ganz ähnliche Mummelsee- oder Wildseesage, wie eine Nixe einen Hirtenknaben durch ihr Saitenspiel verlockt, während ein Greis ihn vergeblich warnt, hat den Stoff zu einem der ersten Freskogemälde in der Badener Trinkhalle geliefert.

(Vergl. Klüber’s „Beschreibung von Baden etc.“ Th. II, S. 193.)


„Mummelsee’s Geschenk.“ S. 101.

Vergl. die Sage vom Erdmännlein bei Durlach.


„Das Mümmelchen,“ von Al. Schreiber. S. 121.

F. Baader in seinen „Sagen der Pfalz, des Neckars und des Odenwaldes“ hat dieselbe Sage, in Romanzenform, auch von Al. Schreiber, irrigerweise für ein altes Volkslied genommen und mit Wimpfen am Berg in Verbindung gebracht.


„Das Männlein vom See.“ S. 123.

Der Schauplatz dieser rührenden Sage ist am Badischen Wildsee, welcher am südwestlichen Abhange des Kniebis, zwischen Petersthal und Rippoltsau liegt. Aus ihm entspringt die Wolfach. – Vergl. mit dieser Sage die vom Seewihof. 1. Bd. S. 476.


Sagen vom Wildsee. Seite 123.

In dem Gebirge zwischen der Murg und der Enz liegt ein hoher sumpfiger Bergrücken, der sich in einer Länge von drei Stunden längs der Enz hinzieht und von den Umwohnern das Moos genannt wird. Auf dieser nur mit Haidekraut und Torfmoos bekleideten Hochebene befindet sich ein ziemlich großer See, um welchen mehr denn fünfzig kleinere Teiche und Wasserbecken herum liegen. Wildsee heißt der größere See und durch ihn zieht sich die Grenze von Baden und Würtemberg. In früheren Zeiten bildeten sie wahrscheinlich alle zusammen nur einen einzigen großen See. Einst hielt man ihn für unergründlich; aber ein Herzog von Würtemberg ließ ihn messen und da fand es sich, daß er nicht mehr als 18 Fuß Tiefe habe.

Von diesem See gehen fast dieselben Sagen im Volke, wie von dem Mummelsee, z. B. die von dem Hirtenknaben und der Wasserfey.

(Siehe „Sagen aus Baden und der Umgegend.“ Karlsruhe, 1834. Belten.)

Ein zweiter See, der obigen Namen führt, liegt unweit des Mummelsee’s, in der Nähe des Klosters Allerheiligen, tief im Gebirge. Auch dieser Bergsee soll, wie die meisten ähnlichen, unergründlich seyn; die schwarzen, schauerlichen Fluthen beherbergen kein lebendes Wesen und nur zuweilen unterbricht das heißere Geschrei eines Raubvogels die düstere Stille, die beständig über diesen unwirthlichen Ufern brütet. Wer sich ein treues Bild von den Höllenflüssen der Alten machen will, der besuche nur diesen traurigen See mit seinem todten Gewässer.

Mit diesem See, wie mit dem Mummelsee, ist die Sage vom rothen Diether verknüpft, die wir unter Nr. 3 mitgetheilt haben.

„Der Nixe Wechselbalg“ S. 129. Der Hutzebacher See liegt in der Nachbarschaft des Wildsee’s, schon über der Würtembergischen Grenze.


  1. Grinde heißen in dieser Gegend die hohen, kahlen, gleichsam verlornen und heimathlosen Berggipfel. Diese Kuppe wird auch der Katzenkopf, der Bierfürstenstein oder Grenzstein genannt, weil hier ehemals die Grenzen von Oesterreich, Baden, Würtemberg und dem Bisthum Straßburg zusammentrafen. Die Hornisgrinde ragt 3627 Fuß hoch, einer riesigen Vorwacht gleich, in das Rheinthal hinein. (Siehe F. v. Fahnenberg’s „die Heilquellen am Kniebis.“ Karlsruhe, 1838.)