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Anmerkungen des Herausgebers (Hauffs Werke Bd 1)

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Textdaten
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Autor: Max Mendheim
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Titel: Anmerkungen des Herausgebers
Untertitel:
aus: W. Hauffs Werke. Kritisch durchgesehene und erläuterte Ausgabe. Bd. I: Gedichte; Lichtenstein.
Herausgeber: Max Mendheim
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Bibliographisches Institut
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Erscheinungsort: Leipzig und Wien
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Quelle: Scans auf commons
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[435]
Anmerkungen des Herausgebers.




Zu S. 8: Soldatenliebe. 1824. Dies Lied unseres Dichters hat große Verbreitung im Volke gefunden und zwar wahrscheinlich deshalb um so schnellere und weitere, weil seine Melodie schon eine alte, bekannte war. Joh. Wilh. Ludw. Gleim (geb. 1719, gest. 1803) hat 5 Strophen gedichtet, die beginnen:

„Ich hab’ ein kleines Hüttchen nur,
Steht fest auf einer Wiesenflur;
Die Wiesenflur ist groß, ist schön!
Willst mit ins Hüttchen gehn?“ etc.

Jedenfalls hiernach ist in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein achtzehnstrophiges Gedicht mit anderem Versbau der letzten Zeile entstanden, welches nun die Melodie hatte, die sich im Volke verbreitete, und die Hauff seinem Liede unterlegte. Jenes Gedicht beginnt:

„Ich hab’ ein kleines Hüttchen nur,
Es steht auf einer Wiesenflur;
Vor diesem Hüttchen fließt ein Bach,
Und diesem Bach fließt Liebe nach.“ etc.

(Vollständig gedruckt in Erk und Irmers neuer Sammlung von Volksliedern, 3. Heft.)




Zu S. 19: Reuters Morgengesang. Über die Entstehung von Hauffs bestem und mit vollem Recht längst zum Gemeingut unseres Volkes gewordenen Liede „Reuters Morgengesang“ gibt uns des Dichters Neffe, Prof. J. Klaiber in Stuttgart, folgende interessante Schilderung[1]: „Er wohnte bereits im Hause der Mutter: da erwacht er [436] eines Morgens in der Frühe an einem schwermütigen Gesang mit eigentümlich getragenen Akkorden; er öffnet das Fenster und lauscht. Die Töne kommen aus dem unter seinem Fenster angebauten Raume, in welchem Landmädchen beim Waschen beschäftigt sind. Vom Texte selbst ist nur wenig zu verstehen, aber die Melodie hat ihn wundersam ergriffen, und – wie über die Schranken seiner Kraft hinausgehoben, wie von einem leisen Hauch der Ahnung betroffen, dichtet er im Angesicht der Morgenröte, die den Himmel färbt, in einem Zuge das Lied, das für ihn selbst so prophetisch werden sollte, vom Morgenrot, dem Boten frühen Todes.“

Auf welchen thatsächlichen Grundlagen diese anmutige Darstellung Klaibers beruht, wissen wir nicht, können jedoch annehmen, daß sie verbürgt sind und also der oben geschilderte Vorfall wirklich die Veranlassung zu unserem herrlichen Liede war. Bezweifeln jedoch müssen wir, daß Hauff, wie aus obigem zu schließen wäre, gar keinen Text zu der dem schwäbischen Volke längst bekannten Melodie gekannt habe, die wenigstens, wenn sie nicht noch älter ist, aus der Mitte des 18. Jahrhunderts stammt. Ist auch der Text in Hauffs Liede ein ganz anderer, so zeigen doch einige Verse und Wendungen deutlich genug, daß er auch einen Text des alten Liedes gekannt haben muß. Dieser behandelt ursprünglich die ungetreue Liebe, und zwar in der einen längeren und wahrscheinlich auch älteren Fassung die Klage eines Mädchens über die falsche Liebe des Mannes und in zwei kürzeren und vermutlich neueren Fassungen die Untreue des Mädchens. Alle drei mir bekannt gewordenen Texte mögen hier folgen. Den ersten hat Hoffmann von Fallersleben 1874 im ersten Bande des „Archivs für die Geschichte der deutschen Sprache und Dichtung“ aus einem Arienbuche von „Madem. Christina Sophia Albrechtin in Leipzig, 1754“, mitgeteilt; er lautet:

Falsche Liebe.

1.     Wie gedacht,
0.     Vorgeliebt, jetzt ausgelacht:
Gestern ist der Bund zerrissen,
Heute aus der Brust geschmissen,
Wieder in den Ort gebracht.

2.     Dieses ist
0.     Aller Männer Hinterlist:
Viel versprechen, wenig halten,
Sich entzünden, bald erkalten,
Öfters eh’ ein Tag verfließt.

3.     Dein Betrug,
0.     Falsche Seele, macht mich klug,
Keiner soll mich mehr umfassen,
Keiner soll mich mehr verlassen,
Einmal ist fürwahr genug.

4.     Denke nur,
0.     Ungetreue Kreatur,
Denk’ dich, sag’ ich, nur zurücke
Und erwäge deine Blicke
Und erwäge deinen Schwur!

[437]

5.     Hast du nicht
0.     Ein Gewissen, das dich sticht,
Wenn die Treue meines Herzens
Und die Geister deines Schmerzens
Solchem Wechsel widerspricht?

6.     Bringt mein Kuß
0.     Dir so einen Überdruß,
Ei, so geh’ und küsse diese,
Welche dir ihr Gold gewiesen,
Das dich wahrlich blenden muß.

7.     Bin ich arm,
0.     Dieses macht mir wenig Harm:
Tugend steckt nicht in dem Beutel,
Gold und Schmuck macht nur den Scheitel,
Aber nicht die Liebe warm.

8.     Und wie bald
0.     Schwindet Schönheit und Gestalt!
Rühmst du gleich von deiner Farbe,
Daß ich dessengleichen darbe,
Auch die Rosen werden alt.


9.     Weg mit dir,
0.     Falsches Herze, weg mit dir!
Ich zerreiße deine Kette,
Ob ich auch nicht Schönres hätte,
Das nur redlich meint mit mir.

Die zweite Form findet sich in der Sammlung schwäbischer Volkslieder, die E. Meier 1855 herausgab:

Ach wie bald.

 1.
Ach wie bald, ach wie bald
Verliert die Schönheit ihr’ Gestalt!
Prangst du schon mit deinen Wangen,
Die so schön wie Purpur prangen,
Auch die Rosen welken ab.

 2.
Sieh’ das ist, sieh’ das ist
Aller Mädchen ihre List:
Viel versprechen, wenig halten,
Sich entzücken und erkalten
Eh’ ein Tag vorüber ist.

 3.
Weine nicht, weine nicht,
Falsche Seele, weine nicht!
Denn was nützen deine Thränen,
Die aus Falschheit von dir strömen,
Wo kein’ Treu’ zu finden ist.

 4.
Du machst mir, du machst mir
In der Nacht viel Bang und Müh’.
In der Nacht bei Sturm und Regen
Lief ich deiner Lieb’ entgegen,
Und du bist so falsch an mir.


 5.
Es gibt noch viel, es gibt noch viel,
Zwei, drei Rosen auf einem Stiel.
Schönstes Blümlein in dem Garten,
Reife Rosen auf uns warten,
Brechet ab, was euch gefällt.

Der dritte Text findet sich gedruckt in Erk und Irmers Sammlung von Volksliedern, 3. Heft, Nr. 62; er lautet:

[438]

 1.
Gut gedacht, gut gedacht,
Aller Freud’ ein End’ gemacht!
Gestern Lust und Freud’ genossen,
Heute durch die Brust geschossen,
Morgen in dem kühlen Grab!

 2.
Ach wie bald, ach wie bald
Schwindet Schönheit und Gestalt!
Mancher prahlt mit seinen Wangen,
Die wie Schnee und Rosen prangen; –
Alle Rosen welken bald!

 3.
Verfluchet ist, verfluchet ist
Die Stunde ja zu jeder Frist,
Da ich mich glücklich bei dir träumte,
Die Liebesstunden nie versäumte,
Bis du mir den Liebeskuß dann gabst.

 4.
Weine nicht, weine nicht,
Falsche Seele, weine nicht!
Was helfen mir denn deine Thränen,
Die aus falschem Herzen gehen,
Wo keine Treu’ zu finden ist!

 5.
Dieses ist, dieses ist
Aller Mädchen ihre List:
Viel versprechen, wenig halten,
In der Liebe ganz erkalten,
Bis der Tod vorüber ist.

 6.
Hinweg von mir, hinweg von mir!
Falsche Seele, weg von mir!
Jetzt zerreiß’ ich alle Stricke;
Bei mir find’st du keine Liebe!
Hätt’ ich dich zuvor gekannt!


Es wird schwer zu entscheiden sein, welche von diesen beiden letzten Fassungen die ursprünglichere ist, da bekanntlich die Texte von Volksliedern im Laufe der Zeit und an den verschiedenen Orten immer individuellen Änderungen ausgesetzt sind; dem Hauffschen Liede scheint die letztangeführte Form näher zu liegen, daß diese aber wirklich seine Grundlage war, läßt sich bezweifeln; wahrscheinlicher ist es mir durch den Vergleich der einzelnen Strophen geworden, daß Hauff noch eine andere, zwischen der zweiten und dritten Fassung liegende Wiedergabe gekannt und benutzt habe.



Zu S. 30: Hans Huttens Ende. Hans von Hutten, der Sohn des fränkischen Ritters Ludwig von Hutten und ein entfernter Vetter des Ritters Ulrich von Hutten, lebte als Stallmeister am Hofe des Herzogs Ulrich von Württemberg (1498–1550). 1514 vermählte er sich mit Ursula, der reizenden Tochter des württembergischen Erbmarschalls Konrad Thumb. Herzog Ulrich aber, der mit seiner ihm aufgenötigten Gemahlin oft in Unfrieden lebte, fand bald selbst Wohlgefallen an der Gattin seines Freundes Hutten. Da plauderte dieser aus, der Herzog habe ihn auf den Knieen gebeten, „Ursula liebhaben zu dürfen, denn er könne, wolle und möge es nicht lassen.“ Darüber ergrimmte der stolze Herzog gewaltig gegen Hutten und leugnete aufs entschiedenste, vor irgend jemand niedergekniet zu sein. Ludwig von Hutten suchte [439] beim Herzog vergeblich um Urlaub für seinen Sohn nach, um ihn aus dieser drückenden Lage zu befreien. Da machte Ulrich am 7. Mai 1515 mit Hans einen Jagdritt in den Böblinger Wald, schickte dort seine Begleiter voraus, wandte sich gegen Hans von Hutten, hielt ihm seine treulosen Reden vor und jagte dann den fast Wehrlosen und vergebens um Gnade Flehenden etliche Male um eine Hecke, bis jener, aus mehreren Wunden blutend, tot niedersank. Dann schlang Ulrich dem Leichnam einen Gürtel um den Hals, befestigte letzteren an einem Schwerte und stieß dieses neben dem Haupte des Getöteten in die Erde, gleich als habe er einen Urteilsspruch der heiligen Feme vollstreckt, denn diese strafte gewöhnlich mit dem Tod des Hängens an einem Baum, an den ein Messer gesteckt wurde. Die Ermordung dieses Edelmannes aber wurde für den Herzog verhängnisvoll, indem ihm sofort 18 Ritter ihren Dienst aufsagten und Ulrich von Hutten mit scharfer Feder gegen ihn schrieb.

In späteren Zeiten suchte man übrigens die Schuld des Herzogs dadurch zu verringern, daß man Hansen ein ehebrecherisches Verhältnis mit der Herzogin andichtete und die zornige Blutthat des Herzogs darauf zurückführte, daß man sagte, er habe seinen eigenen Trauring an Hansens Finger gesehen. Was also Hauff hier besingt, ist eine Fabel späterer Jahrhunderte.




  1. Vgl. „Nord und Süd“, 1878. 5. Band.