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Ankündigung einer allgemeinen Erziehungsanstalt zu Windsbach

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Autor: Christian Philipp Heinrich Brandt
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Titel: Ankündigung einer mit dem 1. Juli 1840 beginnenden allgemeinen Erziehungsanstalt zu Windsbach bei Ansbach
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Erscheinungsdatum: 1840
Verlag: Raw’sche Buchhandlung
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Ankündigung
einer
mit dem 1. Juli 1840
beginnenden
allgemeinen
Erziehungsanstalt
zu
Windsbach
bei Ansbach




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Durch die Raw’sche Buchhandlung in Nürnberg und durch Dekan Brandt in Windsbach unentgeldlich, jedoch unfrankirt, zu beziehen.




Druck der Brügel’schen Officin in Ansbach.


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I. Gründe für Errichtung der Anstalt.

Im Jahre 1836 wurde dahier, unter der Leitung des Unterzeichneten, der Grund zu einem Waisenhause, und zwar für Aufnahme von Söhnen verstorbener Geistlichen, gelegt, um dadurch einem dringenden Bedürfniß abzuhelfen. Der Herr verlieh dem mit Ihm begonnenen Werke Seinen Segen; Stiftungen und Spenden wurden dem Unternehmen von Nah’ und Ferne, von Hohen und Niedern zu Theil; bald stand ein stattliches Gebäude da, und bald füllten sich auch dessen Räume mit einer zahlreichen Kinderschaar. Gegenwärtig erhalten 53 Knaben durch treue, von christlichem Geiste durchdrungene Lehrer Erziehung und Unterricht, theils unentgeldlich, theils für eine geringe Vergütung, und nur der Mangel an Raum, sodann die Besorgniß, die Pfleglinge möchten durch Überfüllung der Anstalt Schaden leiden, und vor Allem die Rücksicht auf den ursprünglichen Zweck des Waisenhauses hat uns abgehalten, die Anzahl der Zöglinge nicht noch mehr anwachsen zu lassen. Denn fort und fort werden uns nicht nur von Geistlichen, sondern auch von Eltern anderen Standes Gesuche um Annahme ihrer Kinder zugebracht, und können zu unserem Bedauern oft keine Berücksichtigung finden.

|  Die eigentliche Bestimmung des Waisenhauses für Pflege wirklicher Pfarrwaisen und für Erziehung von Söhnen unbemittelter, Bayerischer Geistlichen zu wahren, und zu gleicher Zeit dem Verlangen, das sich von manchen Seiten her so lebhaft ankündigte, entgegenzukommen, hat uns zunächst zur Errichtung einer allgemeinen Erziehungsanstalt veranlaßt, die, neben dem Waisenhause bestehend, zur Aufnahme von Knaben aller Stände, des Inlandes und des Auslandes, geeignet wäre[1]. Außerdem bestimmte uns noch dazu:
1) Der Hinblick auf die Einrichtung der lateinischen Schulen mit fast ausschließlicher Bevorzugung der alten Sprachen einerseits, und auf die Anordnung der Gewerbschulen mit alleiniger Hervorhebung der Realien andrerseits, während in beiderlei öffentlichen Anstalten, um der Verhältnisse willen, mehr der Unterricht, als die eigentliche Erziehung beherzigt werden kann;
2) der Umstand, daß Bayern zur Zeit, so viel wir wissen, keine größeren, in christlichem Sinne geleiteten Privatanstalten besitzt, obschon mehrere Länder Teutschlands ähnlicher sich zu erfreuen haben;
3) die Überzeugung, daß gerade hier, in Windsbach, durch das Zusammenbestehen und Ineinandergreifen der beiden Anstalten, des Waisenhauses und der allgemeinen Erziehungsanstalt, in jedem| Betracht ein fruchtbares Gedeihen zu erwarten steht, und endlich
4) die Hoffnung, daß durch die Mittel der neuen Anstalt das Waisenhaus gehoben und unterstützt werde.
 Indem wir die Gründe auseinandersetzten, die uns zur Errichtung der Anstalt bewogen, können wir nicht umhin, nun auch in Kürze den Haupteinwand zu beleuchten, den man gegen Erziehungsanstalten im Allgemeinen zu erheben pflegt, nämlich: daß durch sie viele Eltern zur Ablehnung ihrer Pflicht, die ihnen von Gott geschenkten Kinder im heimlichen Familienkreise zu hegen und zu pflegen, verleitet würden. Wir wollen nicht darauf hinweisen, daß die öffentlichen Schulen mehr oder weniger der gleiche Vorwurf trifft, da die nicht an Ort und Stelle wohnenden Eltern ihre Kinder ebenfalls aus ihrer Mitte dahin senden, ja im letztern Falle noch mehr, indem dann die Schüler meistens in keiner, oder doch nicht genügender Obhut stehen, wir bekennen vielmehr unverholen: würden alle Eltern, vermöge ihrer Zeit und Fähigkeit, wahrhaft im Stande sein, ihren Kindern Zucht und Lehre so, wie es der christlichen Jugend gebührt, zu Haus angedeihen zu lassen, so wären Institute nicht nur überflüssig, sondern sogar schädlich. Da aber Jenes, wie die Erfahrung genugsam lehrt, nicht der Fall ist, so erachten wir Anstalten, die für Beides, Erziehung und Unterricht, im Geiste des Christenthums Sorge tragen, für nothwendig und heilsam, indem nur diese in der That den Kindern Dassenige bieten, was ihnen sonst daheim nicht dargeboten würde. Freilich wird Vater und Mutter dem Kinde nicht so| leicht ersetzt, es soll jedoch unser innigstes Anliegen sehn, daß diese Lücke möglichst ausgefüllt werde, und daß das Band gegenseitiger Liebe so Erzieher wie Kinder zu Einer großen Familie zusammenfasse. Da es unsre Absicht ist, mehrere verheirathete Lehrer für die Anstalt zu gewinnen, so wird dadurch unser Bestreben um so eher erreicht werden. –


II. Oertlichkeit.

 Zum Behufe der Anstalt wurde bereits ein ziemlich geräumiges, frei und heiter gelegenes Gebäude der Vorstadt, unweit der Anhöhe, worauf das Waisenhaus steht, sammt Scheuer, Hofraum, Garten und einer großen Wiesflur angekauft. Da jedoch dasselbe für die Anzahl der Zöglinge, die ungefähr auf 75 berechnet ist, nicht ausreicht, so haben wir, im Vertrauen auf Gottes Fürsorge, die nöthige Veranstaltung getroffen, daß mit dem Beginne des Frühjahrs ein neuer, ausgedehnterer Bau angefügt werde.

 Windsbach selbst ist durch seine gesunde und anmuthige Lage im Rezatthale ebensowohl, als durch die Nachbarschaft von Ansbach, Nürnberg, Schwabach u. s. w. für unsere Zwecke geeignet. Arzt und Apotheker befinden sich im Orte. Der Magistrat der Stadt ist zur Förderung unsres Unternehmens in jeder Weise bereitwillig, und wird uns auf unser Ansuchen ein eigenes Kirchlein zur Verfügung stellen, da es gerathen sein dürfte, daß die studirende Jugend, wechselsweise mit dem öffentlichen Gottesdienste, besondere, für sie berechnete Predigten vernehme. –


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III. Zweck der Anstalt.

 Der Zweck unsrer Anstalt ist: Knaben von 7–15 Jahren mit Gottes Beistand zu einer haltbaren, sittlichen Gesinnung zu erziehen, in geistiger Beziehung aber so weit zu fördern, daß Diejenigen, welche sich einem wissenschaftlichen Beruf ergeben, von da in eine ihrem Alter entsprechende Klasse des Gymnasiums, die Andern dagegen in eine höhere Gewerbschule oder in die bestimmte Lehre überzugehen befähigt sind. –


IV. Einrichtung der Anstalt.

 Die Grundsätze, welche wir bei der Einrichtung unsrer Anstalt beobachten, ergaben sich theils von selbst, theils nach besondrer Berücksichtigung der in neuerer Zeit erhobenen, pädagogischen Gutachten und Rathschläge (Klumpp, Lorinser, Eyth u. A.). Wir möchten eher die That, als das Wort sprechen lassen, doch da es einmal einer vorausgehenden Verständigung bedarf, so sind wir bereit, unsre Gedanken offen darzulegen. Es sind im Wesentlichen folgende:

 1) Was die Streitfrage über den sogenannten Humanismus und Realismus betrifft, so bekennen wir uns zu einer verständigen Versöhnung der Gegensätze. Wir wissen, daß es im frühen, jugendlichen Alter nicht sowohl auf den Reichthum der Kenntnisse, als vielmehr auf die Beschaffenheit der Entwicklung und Grundlegung ankömmt, – wir machen jedoch, bei dem jetzigen Stande der Dinge, neben der Anfoderung der möglichsten Gründlichkeit auch die der möglichsten Vielseitigkeit. Wir erkennen den| bildenden Werth des klassischen Schriftenthums freudig an, – wir verkennen aber auch nicht den der wichtigsten, den Sinn für die Natur und das unmittelbare Leben weckenden Realien. Wir wissen die alte Zeit mit Allem, was darauf Bezug hat, nach ihrer wahren Bedeutung zu schätzen; – wir verlieren jedoch darüber die spätere Zeit und die Gegenwart nicht aus dem Auge, um so weniger, als letztere uns, schon als Christen, näher berühren. Wir geben die Nothwendigkeit von der Erlernung der alten Sprachen zu, – wir sind jedoch auch von der Fruchtlosigkeit ihrer allzu frühzeitigen Betreibung überzeugt. Wir sind in letzterer Beziehung der Ansicht, daß erst dann mit ihnen erfolgreich der Anfang zu machen sei, wann Sinn und Verstand der Kinder durch allmählig in der Muttersprache gewonnene Erfassung der Redeformen und durch Beschäftigung mit einigen zweckdienlichen Realien erschlossen, das Gemüth aber durch Religionsunterricht gegen so manche, der guten sich zumischende üble Einwirkung des Alterthums gerüstet ist, und halten zugleich die todte, Lust und Zeit raubende Lehrart von uns fern, ohne deßhalb den neuern, mechanischen Methoden das Wort reden zu wollen. Endlich können wir es nicht verläugnen, daß wir eine besondere Vorliebe zur heimathlichen Sprache hegen, wir wissen sie jedoch in den gehörigen Schranken zu halten, auf daß nicht Anderes dadurch beeinträchtigt werde.
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 2) Soll dem Geiste durch tüchtige Ausbildung das geziemende Recht widerfahren, so darf auch dem Körper nicht das seinige entzogen werden. Wir werden darum alle Maßregeln treffen, die zu einer frohen,| frische Entwicklung der Körperkräfte hinzielen, als da sind: leibliche Uebungen aller Art, Anordnung passender Spiele, Beschäftigung mit nützlichen Handarbeiten – besonders mit Gartenbau, Turnfahrten u. s. w.

 3) Unsre Erziehung beruht nicht auf dem Grunde der altklassischen Bildung, sondern einzig und allein auf dem, welchen der Gekreuzigte und Auferstandene gelegt hat; unser Hauptbuch ist keiner der Klassiker, sondern einzig und allein das Wort Gottes; unser Endziel ist kein anderes, als das: die uns anvertrauten Kinder mit der Gnade des Herrn zu gläubigen Christen und zu liebethätigen Gliedern des Vaterlandes und der Menschheit heranzubilden. Wir wollen Nichts erzwingen, Nichts erkünsteln, es soll aber auch, das hoffen wir zu Gott, nicht an uns liegen, wenn irgend ein Zögling unserer lautern Absicht widerstreben, und Nichts mit dahin nehmen sollte für seine künftige Lebenszeit.

 Nach dem jugendlichen Entwicklungsgange bemessen wir Umfang und Art des Unterrichts in aufsteigender Stufenfolge, und theilen nach jenem auch unsere Zöglinge in 3 Ordnungen:

1te Ordnung: Knaben von 7–9 Jahren (Entfaltungsperiode).
2te Ordnung: Knaben von 9–12 Jahren (niedere Lernzeit).
3te Ordnung: Knaben von 12–15 Jahren (höhere Lernzeit).

 Die Ordnungen zerfallen, je nach den Verhältnissen, in Klassen mit eben so viel Lehrern, als Unterabtheilungen. In der 1. Ordnung beschränkt sich die Lehre auf Religion, teutsche Sprache und mehrere passende| Realien. In der 2. Ordnung erweitert sich der Unterricht durch Betreibung der lateinischen Sprache und durch Weiterführung in der Religion, im Teutschen und in den wesentlichen Realien. In der 3. Ordnung endlich kömmt zur eingreifenderen Befassung mit dem Lateinischen und Teutschen und zum verhältnißmäßig höhern Religions- und Realunterricht noch die Unterweisung im Griechischen und in den neuern Sprachen (hauptsächlich im Französischen). Insoweit es uns thunlich scheint, werden wir hiebei den bayerischen Schulplan zu Rathe ziehen.

 Der Unterricht im Lateinischen ist für alle Zöglinge, selbst diejenigen, welche sich nicht dem Gelehrtenstande widmen wollen, ins Besondere wegen des erleichternden Einflusses auf Aneignung der neuern Sprachen unerläßlich. Die Erlernung des Griechischen dagegen wird von Jenen nicht verlangt, damit sie für ihre Ausbildung in den lebenden Sprachen und in den Realien um so mehr Zeit erübrigen.

 Gedächten Eltern ihre Söhne noch längere Zeit der Anstalt zu überlassen, so würde für diesen Fall die erfoderliche Anordnung getroffen werden. –


V. Leistungen der Anstalt.

 Die Anstalt sorgt für Erziehung, sämmtlichen Unterricht (Religion, alte und neue Sprachen, Geschichte, Geographie, Mathematik, Naturgeschichte, Naturlehre, Zeichnen, Schönschreiben, Gesang, Turnen u. s. w.), für Kost, Wohnung nebst Heizung und Beleuchtung, für Wäsche und Bedienung.

|  Der Unterricht in der Instrumentalmusik und Privatstunden, die für den Fall verlangt würden, daß ein Zögling zum Eintritt in die seinem Alter zukommende Klasse noch der Nachhülfe bedürfte, sind besonders zu bestreiten. –


VI. Bedingungen der Aufnahme.

 Um auch weniger Bemittelten den Eintritt in die Anstalt zu erleichtern, ist das jährliche Ersatzgeld, je nach dem Alter der Zöglinge und dem Vermögen der Eltern, von 150-250 Gulden rhn. festgesetzt, so jedoch, daß im Durchschnitte 200 fl. zu entrichten sind. Es ist leicht einzusehen, daß die Anstalt nicht bestehen könnte, wenn um den niedrigsten Ansatz zu 150 fl. mehr, als ein Fünftheil der Zöglinge aufgenommen würde.

Außerdem hat jeder Zögling zu erlegen:

1) als einmaligen Zuschuß bei der Aufnahme:
 für die Büchersammlung und zur Unter-
 haltung des Lehrgeräths
10 fl. 0– kr.
2) folgende jährliche Beiträge:
 a) für Bettstelle, Schränke u. dergl. 01 fl. 30 kr.
 b) für die Dienstboten 03 fl. 0– kr.
 c) Klassengeld (für Dinte, Schwämme,
 Kreide u. s. w.)
0– fl. 36 kr.
 Ein jeder Zögling hat endlich mitzubringen: 1 Bett nebst 2fachem Ueberzuge (wo möglich jedoch: Matraze mit Zubehör); 3fache, vollständige Kleidung (Feiertags-, Winter-, Sommeranzug); wenigstens 6fache Leibwäsche; 4 Handtücher und 4 Servietten; 2 Zinnteller sammt Besteck; 1 Waschnapf und 1 Becher von Blech; 2 Kämme, 1 Schwamm,| 1 Zahnbürste und 1 Kleiderbürste; 1 ledernes Ränzchen für Turnfahrten.

 Das Kostgeld ist in Vierteljahrbeträgen vorauszuzahlen.

 Schreibmaterialien und Bücher besorgt die Anstalt um billigen Preis.

 Für entferntere Eltern, besonders des Auslandes, wird bemerkt, daß auch die obengenannten Gegenstände so wohlfeil als möglich von der Anstalt verabreicht werden. –




 Ein ausführlicherer Bericht über die innere und äußere Einrichtung der Anstalt soll, sobald dieselbe ins Leben getreten ist, dieser Ankündigung nachfolgen. Wir wissen wohl, daß die That leicht hinter dem Worte zurückbleibt, doch mag es sich gewöhnlich auch also verhalten, wir unsrerseits werden uns redlich bemühen, dem gesteckten Ziele nachzukommen. Wir sagen Dies im Ausblicke zum Herrn, an Dessen Segen Alles gelegen ist, und Den darum auch wir, als den rechten Kräftiger und Helfer, um Kraft und Hülfe anrufen für das unternommene Werk. Zu Seiner Ehre ist es begonnen, Er wird es auch hinausführen.


 Windsbach, im März 1840.


Dekan Brandt, 
im Namen der übrigen Unternehmer.



  1. Die Genehmigung der k. Regierung von Mittelfranken haben wir bereits erhalten.