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Angebliche Convertiten-Begräbnißscandale

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Textdaten
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Autor: Friedrich Hofmann
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Titel: Angebliche Convertiten-Begräbnißscandale
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 223
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1875
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[223] Angebliche Convertiten-Begräbnißscandale. In derselben Nummer ultramontaner Blätter (der Passauer „Donau-Zeitung“ und des „Fränkischen Volksblatt“ in Würzburg), welche die große, von Robert Keil in Nr. 8 der Gartenlaube als „jesuitisches Bubenstück“ gezüchtigte Neuigkeit in die Welt schleuderten, daß Friedrich Schiller katholisch gestorben und zur Strafe dafür ehrlos von Schneidergesellen nächtlicher Weile in eine Kalkgrube begraben worden sei, in derselben Nummer stehen noch zwei andere Behauptungen, deren Wahrheit auf ebenso festen Säulen steht, wie jene Schiller-Geschichte.

Um durch Thatsachen zu beweisen, daß „das ehrlose Begräbniß während der Nacht in Norddeutschland für Convertiten schon förmlich Brauch zu sein scheint“ – erzählen jene Blätter folgende zwei Geschichten aus Süddeutschland:

1) „Erst im Jahre 1864 starb König Wilhelm von Württemberg. In vielen Stücken war er ein vortrefflicher Regent gewesen, aber von seinen Vorurtheilen gegen die katholische Kirche konnte er sich sein Lebenlang nicht losmachen. Sein Bruder Paul trat zur katholischen Kirche über, was den König förmlich indignirte, und als der Prinz starb, wollte er die Leiche desselben nicht einmal in die Familiengruft beisetzen lassen. Prinz Paul Karl Friedrich August von Württemberg ist am 17. April 1852 gestorben.“

Auf Anfrage an geeigneter Stelle in Stuttgart über diese Behauptung erhielten wir folgende authentische Benachrichtigung:

„Auf die Frage, welche Ihr Schreiben vom zweiten dieses Monates mir stellte, bin ich nach Erhebung des actenmäßigen Thatbestandes in der Lage zu antworten:

Daß die Beisetzung der Leiche des Prinzen Paul von Württemberg am 29. August 1852 Vormittags acht Uhr genau mit dem bei allen königlichen Prinzen in Anwendung zu bringenden Ceremoniel vollzogen worden ist. Die Morgenstunde war der großen Hitze wegen gewählt worden. – Am Sarge standen die beiden Söhne des Verstorbenen. Daß sonst von der königlichen Familie Niemand anwesend war, erklärt sich aus der gewohnten allsommerlichen Verlegung der Residenz. Des Königs Fernebleiben konnte nicht auffallen, da derselbe – mit Ausnahme seiner Gemahlin Königin Katharina – keiner Beisetzung je angewohnt hatte, selbst der seiner von ihm sehr geliebten Schwester, der Königin von Westphalen, nicht. – Die zwischen dem Tode des Prinzen Paul und der Beisetzung in der Familiengruft zu Ludwigsburg verstrichene viermonatliche Zwischenzeit erklärt sich nicht aus irgend einem Widerstreben des Königs, wie jene ultramontanen Verdächtigungen glauben machen wollen, sondern einfach daraus, daß die Leiche des Prinzen der anfänglichen Bestimmung nach in Paris, beigesetzt werden, respective (in der Kirche Madeleine, wo die Funeralien stattgefunden hatten) beigesetzt bleiben sollte, und daß der Sohn Prinz Friedrich von Württemberg erst später dem Könige den Wunsch aussprach, die Ueberreste seines Vaters in die Ludwigsburger Familiengruft übertragen zu sehen. Dem ausgesprochenen Wunsche folgte sofort der Befehl des Königs zu den entsprechenden Anordnungen.

Die Leiche des Prinzen Paul befindet sich in der katholischen Abtheilung der Gruft bei den übrigen Fürsten des Hauses, welche dem gleichen Bekenntniß angehörten.“

Weit schärfer, als diese erste, tritt die andere Verdächtigung auf. Wir lesen nämlich als

2. Geschichte: „Gerade zehn Jahre später (das heißt nach dem Tode des Herzogs Paul von Württemberg), 1862, wurde in Coburg der Scandal mit der Leiche der Herzogin von Coburg-Kohary aufgeführt. Alle Welt erinnert sich noch daran. Die Fürstin war in früheren Jahren katholisch geworden; als sie 1862 starb, wurde sie in der aufgeklärten Stadt Coburg unter der glorreichen Regierung des sehr aufgeklärten Herzogs Ernst, weiland des ‚Schützenkönigs‘, in finsterer Nacht wie eine Selbstmörderin in das ‚Mausoleum‘ geschafft.“

Diese schauerliche Geschichte hat nun ihre ganz besonders heitere Seite. Das ungarische Magnatengeschlecht der Kohary war von je so strengkatholisch, daß 1816, wo der protestantische Prinz Ferdinand von Sachsen-Coburg sich mit der Erbtochter des letzten Fürsten vermählte, sofort die katholische Erziehung der Kinder festgesetzt wurde; ja, es ging auch noch das Gerücht und ist sogar in manche biographische und historische Schriften übergegangen, Prinz Ferdinand sei im Jahre 1818 bewogen worden, selbst zur katholischen Kirche überzutreten, um seinem Hause den Gesammtbesitz des Kohary’schen Familienreichthums zu erhalten.

Nun wäre doch wohl, gemäß jener „norddeutschen“ Bosheit gegen die Convertiten, eine Mißhandlung der Leiche des angeblich katholisch gewordenen Prinzen Ferdinand, der noch dazu ebenfalls 1852 starb, das Nächstliegende für das „aufgeklärte“ Coburg gewesen. Aber nein, sondern „alle Welt erinnert sich noch daran“, daß die Herzogin (Antonie) von Coburg-Kohary 1862 „wie eine Selbstmörderin in das Mausoleum geschafft worden ist“.– Und warum? Weil sie katholisch geworden sein soll. Das war freilich gar nicht möglich, weil sie ihr Lebenlang katholisch gewesen ist, – aber die Pfaffenblättchen brauchen zur Bestärkung des schiller’schen Katholicismus und ehrlosen Schneiderbegräbnisses einige höhere abschreckende Convertiten-Beispiele, und „was gemacht werden kann, wird gemacht“.

Um auch über diese Angelegenheit vollständige Klarheit zu erlangen, wandten wir uns sogleich an die höchsten Stellen. Die von dem Herzoglichen Geheimen Cabinet uns zugegangene Auskunft auf unsere Anfrage berichtigt zugleich die bisher fälschlich verbreitet gewesene Angabe über den Prinzen Ferdinand, indem sie sagt: „Prinz Ferdinand ist niemals katholisch geworden; der Uebertritt ist auch gar nicht nöthig gewesen, um die Kohary’schen Familiengüter zu erben; der Prinz hat endlich nie den Namen Kohary angenommen. Richtig ist nur, daß sofort die katholische Erziehung der Kinder festgesetzt wurde. Die Prinzessin, um deren Beisetzung es sich handelt, ist, wie Sie ganz richtig hervorheben, immer katholisch gewesen. Was aber Leichenbegängnis und Beisetzung der hohen Verblichenen (anstatt in der katholischen Kirche) im protestantischen Mausoleum, zur Seite ihres dort ruhenden Gemahls, anbetrifft, so ist dieselbe auf bestimmte Verfügung der Hochseligen Fürstin selbst erfolgt. Das läßt Ihnen Seine Hoheit ausdrücklich mittheilen und alle anderen Angaben für lügenhaft erklären.“ – Aus dem herzoglichen Ministerium erhielten wir die weitere Notiz: „Die Beisetzung der auf der Eisenbahn hierher gebrachten Leiche der Fürstin erfolgte allerdings zur Nachtzeit, indessen in solennester Weise unter Begleitung der Söhne der Verstorbenen, des Herzogs August und des Prinzen Leopold, mit Hofgefolge, sowie unter Mitwirkung der hiesigen katholischen Geistlichen und mit den bei Katholiken üblichen Feierlichkeiten.“ –

Das ist also der Coburger „Scandal“ und die Art, wie man „Selbstmörderinnen“ bestattet!

Seltsamerweise steht gerade das Fürstenhaus Coburg als das notwendig toleranteste da, weil seine Glieder in jeder der vier Hauptkirchen des christlichen Europa zu finden sind: die lutherischen in Coburg-Gotha, die römisch-katholischen in Belgien und Portugal; eine Prinzessin gehörte als Großfürstin von Rußland der griechischen und der Coburger Stamm in Großbritannien gehört der anglikanischen Kirche an. Die vielen gegenseitigen Besuche beweisen, daß alle diese Glieder des einen Hauses und so verschiedener Confessionen in Lieb’ und Frieden mit einander leben – und da vergessen plötzlich diese „aufgeklärten Coburger“ und ihr „sehr aufgeklärter Herzog, weiland der Schützenkönig“ ihre gute Erziehung so vollständig, daß sie an dieser katholischen Herzogin ihre Schandthat in finsterer Nacht vollbringen! Ja, ja, es ist ausdrücklich gesagt: in finsterer Nacht! Sie warteten damit, bis es gerade einmal recht finster war.

Wahrlich, es erfordert eine Stirn von besonderer Beschaffenheit, vor den Augen aller Zeitgenossen eine solche Fälschung von Thatsachen vorzunehmen, und zwar mit dem Trumpfe: „Alle Welt erinnert sich noch daran!“ und der wiederholten Betheuerung: „Alles, was wir geschrieben haben über das Begräbniß des Prinzen Paul von Württemberg, der Frau Herzogin von Coburg-Kohary und insbesondere über die Mißhandlung der Leiche Schiller’s – Alles halten wir aufrecht.“

Fr. Hfm.