An der Quelle
[740] An der Quelle. (Zu unserer Kunstbeilage.) Die junge angehende Priesterin ist mit dem schön gehenkelten Krug zum Brunnen geschritten, um das Quellwasser für den Tempeldienst zu holen. Nun das Gefäß voll ist, könnte sie eilends zurückkehren, aber der Abend ist so balsamisch düftereich, zum Brunnenrauschen tönt so lieblich das Flüstern der alten Platanen und Sykomoren – sie kann sich noch von dem stillen Plätzchen nicht trennen und bleibt, die schönen Arme aufgestützt, die großen Augen wehmutsvoll fragend ins Weite gerichtet, in Gedanken und Träume verloren über den Marmor geneigt. Das Heimweh nach der Welt ihrer Kindheit bewegt ihre Seele, von dem wir auch Goethes Jphigenia ergriffen sehen, wenn sie, „der Göttin stilles Heiligtum“ im Rücken, träumerisch ihre Blicke über das Meer wandern läßt, „das Land der Griechen mit der Seele suchend“.