An den Schlaf (Zerstreute Blätter)
An den Schlaf.
Gott des Schlafes, Freund der Ruh,
Dessen dunkle Schwingen
Uns in sanftem, süßem Nu
Zu den Auen bringen,
Wo in einer andern Welt
Harmonieen klingen.
Freund der Menschen, holder Gott!
Unser halbes Leben
Deiner Hand gegeben.
Und sie herrscht im Reich der Ruh;
Purpurblumen lässest du
Auf uns niederschweben.
Sei auch mir willkommen,
Der so oft dem Sklaven treu
Seine Last entnommen,
Der die Fessel ihm zerschlug
Sein Gemüth entglommen.
Meiner Hoffnung Flügel hebt
Sich nur noch in Träumen.
Du der sie mit Muth belebt,
Komm mit deiner süßen Macht:
Laß, wie in der letzten Nacht,
Mich Verwandlung träumen.
Denn seit Psyche niedersank
Sehnt sie sich Aeonenlang
Wieder aufzuschauen;
Und dem Flügel, den sie regt,
Den sie, ach zerknickt! bewegt,
Holder Schlaf, mit Deinem Thau
Heilst du ihre Schwingen,
Muthig auf zur Lebensau
In das Land zu dringen,
Augen sinkt! Ich höre schon
Harmonieen klingen.