An Madame Karschin bey Übersendung eines Blumenstrausses am 1. Dezember 1789
[87]
An Madame Karschinn, bey der Übersendung eines Blumenstrausses, am ersten December 1789.
Liebste Karschinn, nimm den Morgengruß
Und den Blumenstrauß an deinem ersten Tage
Von mir an, nebst einem warmen Kuß.
Sey so glücklich, wie die falsche Sage
Der an goldnem Tisch, in purpurnem Gewande,
Die Zufriedenheit von deinem Mittelstande
Nicht, noch deines Herzens süßen Frieden kennt.
Schau’ im Winter deines Lebens
Voll des nimmer satten Strebens
Wird zur Hölle selbst Elysium;
[88]
Aber tausendfach genießet,
Wer das Leben weislich sich versüßet. –
Blumen auf der Wiesenflur.
Diese sind für dich im Garten aufgeblühet,
Und zum frischen Sträußchen band
Sie die Freundschaft dir durch meine Hand.
Unter Schneegestöber, unter Eis,
So laß uns, nach seinem Beyspiel, gleichen Fleiß
Auf des Lebens Dornenpfade wenden,
Und mit nimmer müden Händen
Und den Dornen munter aus dem Wege gehn.
Pflücke sie, Geliebte! viele Jahre
Und bekränze dich auch noch im Silberhaare.