An Ferdinand Freiligrath
An Ferdinand Freiligrath.
Ich darf nicht steh’n an Deines Grabes Rand;
Ich werf’ Dir nicht auf’s Haupt die Schaufel Erde.
Des kranken Kindes fieberheiße Hand,
Sie hält zurück mich an dem Heimathherde.
Doch ständ’ ich auch an Deiner Schlummerstatt
Und kränzte Deine Stirne, die erblaßte,
Ich weinte still an Deinem Sarg mich satt
Und fänd’ kein Wort, das Deinen Werth umfaßte.
Wohl ward dem Dichter reichen Ruhmes Zier,
Doch laß’ mich das zu höchstem Lobe sagen:
Noch zehnmal höher stand der Mann in Dir
Und selten hat ein solches Herz geschlagen,
So frei von Selbstsucht, ehrlich, g’rad’ und schlicht.
Was Weib und Kind, den Freunden Du gewesen,
Was wir verlieren, o, das sagt sich nicht,
Das kann nur Gott in uns’rer Seele lesen.
Und Keiner treuer zu dem Volke stand –
Im fremden Land gingst Du auf Dornenwegen.
Da rief den Flüchtling heim das Vaterland;
Mit off’nen Armen kam es Dir entgegen.
Der deutsche Geist, längst steht er siegreich da;
In Schlachten hat die deutsche Kraft gesprochen.
Als an die Brust Dich zog Germania,
Da hörten wir des deutschen Herzens Pochen.
Das war ein Klang! Vom fernsten Meergestad’,
Vom Urwalddickicht kamen Dir die Grüße,
Daß man mit Rosen schmücke Deinen Pfad,
Daß man des Lebens Herbe Dir versüße.
Da sahst Du, was an Liebe Du gewannst,
Da sahst Du, welchen Segen Du errungen.
Dein Lied: „O lieb’, so lang’ Du lieben kannst!“
Für’s deutsche Herz war’s nicht umsonst gesungen.
Nun tönt um Dich die Klage, Sanggenoss’! –
Der glühend uns gemalt der Tropen Bilder,
Der uns der fremden Dichtung Schatz erschloß,
Der uns in heiß bewegter, stürmisch wilder,
Gewalt’ger Zeit der Freiheit Credo sang,
Er, der noch in dem letzten Völkerstreiten
Sein Liederschwert stolz wie kein And’rer schwang,
Er ist verstummt, verstummt für alle Zeiten! – –
Mag’s denn ein Trost in uns’rem Leide sein:
Die Liebe stand an Deinem Sterbebette.
Auf deutscher Erde schlief der Dichter ein;
Im Vaterland ist seine Ruhestätte.
Und nicht als welker Greis, vom Kampfgefild’
Bist Du in voller Kraft zur Gruft getreten. –
Schlaf sanft! Im deutschen Herzen lebt Dein Bild,
Das Bild des Volkstribunen und Poeten.
Emil Rittershaus.
Barmen, an Freiligrath’s Begräbnißtage, den 21. März 1876.