An Deutschlands Frauen
[35] An Deutschlands Frauen.
1826.
Niemals waren Deutschlands Frauen
Rührend schöner anzuschauen,
Als in schlichter Wärtertracht.
Haben nie in Männerherzen
Dauernd heisser angefacht.
Mögt ihr jetzt im Putze prangen,
Jungfrau’n, der das Roth der Wangen
Ueberbietend grell verschlingt? –
Tragend, wie sie fremder Länder
Thorheit euch zum Köder bringt?
Denkt der Zeit, nicht lang verschwunden,
Als aus tausend Todeswunden
Da herbei ihr hülfreich eiltet,
Zwischen Freund und Feind euch theiltet
Pflegend, sorg – und liebevoll.
[36] Aehnlich ganz sind die Geschicke
Nur entrückt, am fernen Strand. –
Gegen übermüth’ge Sieger,
Kämpfen Gott vertraute Krieger
Auch für Heerd und Vaterland. –
Wie aus Riesenwurmes Schlingen,
Todes-wund sich schwer empor;
Ihre Festen, wüste Trümmer,
Banger Frauen Angstgewimmer
Kühne Heldenherzen schwellen
Hinter Missolonghis Wällen[1]
Mit Verderben rings bedroht,
Hunger wüthet, gift’ge Wunden,
Grauser als der Schlachten Tod.
Weiber, Greise, Kinder klagen,
Wie von wildem Sturm verschlagen,
Nakt auf öder Klippe Strand.
Schwache Hände doch erhebend,
Zum Gebet für’s Vaterland.
[37] Schrecklicher, wenn dort als Beute
Junge Mütter, Kinder, Bräute,
Eins vom Andern roh geschieden,
Wie am Markt die Käufer bieten,
Die kein Jammer menschlich rührt.
Fürstentochter, Königinnen! –
Nicht gewohnt an Noth und Schmerz,
Könnt ihr dieses Bild ertragen? –
Legt ihr nicht der Menschheit Klagen
Weinend an der Gatten Herz? –
Ketten, schwer von Diamanten!
Gebt die Perlenschnur im Kauf,
Die am Schwanenhals sich schmieget. –
Ach, der Perlen grösste wieget
Rührend ist’s, wenn froh entbehrend,
Kleines durch den Sinn verklärend,
Armuth sich des Gebens freut:
Von der höhern Noth durchdrungen,
Dem bedrängten Bruder beut.
[38] Rührender, wenn in den Reichen,
Wo die Erdensorgen schweigen,
Mitgefühl die Brust bewegt:
Zu dem Scherflein frommer Armen
Das geliebte Kleinod legt.
Auf denn, edle deutsche Frauen,
Bringt mit sanfter Zähren Thauen,
Bruderlieb’ ist nicht beschränket,
Wie es enge Selbstsucht denket:
Gottes Welt ist ihr Altar.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Zur Belagerung der griechischen Stadt 1825/26 siehe Messolongi.