Zum Inhalt springen

Amerikanische Unsterblichkeitspolicen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Eduard Leyh
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Amerikanische Unsterblichkeits-
policen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 6, S. 97–99
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[97]
Amerikanische Unsterblichkeitspolicen.


Um wahrhaft großartige Freigebigkeit kennen zu lernen, muß man nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika kommen. Kein Land der Welt hat so viele öffentliche Wohlthäter aufzuzählen, wie gerade das, welches wegen seiner rastlosen Dollarjagd, wegen seines crassen Materialismus am meisten verrufen ist. Fast jede größere amerikanische Stadt hat ihren speciellen Wohlthäter, wie im Mittelalter jede europäische ihren Schutzheiligen hatte, und man könnte ein dickes, interessantes Buch über die zahllosen Vermächtnisse schreiben, welche fast allenthalben im Lande zum Besten der Volksbildung und Jugenderziehung, der Armen und Kranken bestehen. Man ist hier bereits so daran gewöhnt, reiche Leute einen Theil ihres Vermögens wohlthätigen Zwecken überweisen zu sehen, daß es förmlich auffällt, wenn ein reicher Mann stirbt, ohne diesem Brauche in seinem Testamente Rechnung getragen zu haben, und die kleineren Legate sind thatsächlich schon so zahlreich, daß Vermächtnisse unter fünfzigtausend Dollars kaum noch besonders beachtet werden.

Wie hier zu Lande der reiche Mann erst mit dem Millionär anfängt, so auch der öffentliche Wohlthäter, welcher auf Nachruhm Anspruch machen will. Wer die amerikanischen Philanthropen in einem kurzen Journal-Artikel vorübergehend erwähnen will, der darf thatsächlich nur die nennen, welche halbe und ganze Millionen verschenkten, und diese bilden bereits eine stattliche Reihe. New-York hat seinen Astor, Cooper und Stewart; der New-Yorker Eisenbahnmagnat Vanderbilt hat zwei Hochschulen seiner Religionssecte mit je fünfhunderttausend Dollars dotirt, was ihn übrigens durchaus nicht hinderte, seinen nächsten Angehörigen, denen der Bankerott drohte, jede Hülfe hartherzig zu versagen; Philadelphia hatte seinen Girard, Boston seine Warrens, Hoboken seinen Stevens, St. Louis seinen Mullanphy, Washington seinen Smitshon und seinen Corcoran; am glücklichsten ist jedoch Baltimore, es hat nicht weniger als drei Millionen-Wohlthäter und dabei noch Etwelche in Aussicht. Von diesen Baltimorer Philanthropen soll hier speciell die Rede sein; ihre Namen sind: John Mac Donogh, George Peabody und Johns Hopkins.

Von diesen drei Männern hat bis jetzt nur Peabody einen europäischen Namen, resp. einen Weltruhm. – Man wird sich noch recht wohl des Aufsehens erinnern, welches vor einigen Jahren die Nachricht hervorrief, daß der in London lebende amerikanische Banquier George Peabody Millionen auf öffentliche Stiftungen zum Zwecke der Volks- und Jugendbildung verwendet habe; das Staunen der Welt dürfte jedenfalls noch etwas wachsen, wenn sie erfährt, daß Peabody in Baltimore, derjenigen Stadt, welche das mit 1,400,000 Dollars dotirte Peabody-Institut besitzt, zwei Pairs hat, die es ihm gleich gethan, und von denen Einer jenes großartige Werk durch weit [98] glänzendere Vermächtnisse noch um ein Bedeutendes übertroffen hat.

Der erste Wohlthäter der Stadt war John Mac Donogh, Stifter des nach ihm benannten landwirthschaftlichen Instituts, welches im October vorigen Jahres in der Nähe von Baltimore eröffnet wurde und in welchem eine Anzahl armer Knaben eine vortreffliche landwirthschaftliche Ausbildung erhalten. Die Zöglinge dieser Anstalt, die mit circa fünfhunderttausend Dollars dotirt ist und jährlich etwa dreißigtausend Dollars aufzuwenden hat, werden während eines vierjährigen Cursus in Allem, was ein gebildeter amerikanischer Oekonom wissen muß, unentgeltlich unterrichtet, außerdem beköstigt und gekleidet, und wenn sie das Institut verlassen, wird für ihr weiteres Fortkommen in väterlicher Weise gesorgt. John Mac Donogh wurde gegen 1780 in Baltimore geboren und wandte ach 1806 als junger Abenteurer nach New-Orleans, um dort sein Glück zu machen. New-Orleans war damals für die östlichen Städte des Landes, was in den dreißiger Jahren Cincinnati, in den vierziger Jahren Texas und Californien, in den fünfziger Jahren Chicago war und heutzutage etwa Duluth oder Omaha ist – der Sammelplatz aller speculativen jungen Leute und problematischen Existenzen des Ostens. Wer in New-York, Boston, Philadelphia oder Baltimore einen dummen Streich gemacht hatte, ging nach der jungen Stadt am unteren Mississippi, um dort Lethe zu trinken und ein neues Leben anzufangen; wer ein kleines Vermögen rasch vermehren wollte, ging nach Louisiana. Unter letzterer Classe von Leuten war auch John Mac Donogh von Baltimore, der wohlerzogene Sohn achtbarer Eltern.

Ein glücklicher Zufall hatte dem jungen Menschen sechstausend Dollars in die Hände gespielt, und mit dieser Summe begann er seine Operationen. Kaum war das Feld einigermaßen sondirt, so kaufte Mac Donogh in der sogenannten Red-River-Gegend eine Strecke werthlosen Landes, natürlich für ein Butterbrod. Der junge Speculant sprach von Stund’ an von Nichts weiter, als von seinen prachtvollen Besitzungen, und nachdem er verschiedene Scheinverkäufe an einen Baltimorer Freund gemacht, gelang es ihm wirklich, einem angesehenen Kaufmanne eine Parcelle seines Landes zu einem ziemlich hohen Preise aufzuschwatzen. Sobald dieser Verkauf bekannt wurde, kauften auch Andere von ihm; seine Transactionen gewannen immer größeren Umfang, und im Jahre 1821 belief sich sein Vermögen bereits auf fünfzehn Millionen Dollars. Mac Donogh war ein Einsiedler und Sonderling, der seine Bedürfnisse auf das geringste Maß beschränkte; da er von Jugend auf für einen Weiberfeind galt, so glaubt man, daß er nie mehr als Ja und Nein mit einem weiblichen Wesen gesprochen habe. So einsam und im eigentlichen Sinne des Wortes freundlos er gelebt hat, starb er auch. Sein Testament machte den als Geizhals bekannten Mann berühmt. Der größte Theil seines Vermögens war der Regierung zum Zwecke der Volkserziehung vermacht; zahlreiche Legate zeigten den Sonderling im grellsten Lichte; nur eins mag hier Erwähnung finden. Mac Donogh, ein medicinischer Autodidakt, bildete sich ein, ein großer Heilkünstler zu sein. Eines Tages kaufte er eine französische Novelle, in welcher der Schriftsteller Leon Gozlan eine neue Heilmethode verfocht. Diese fand den Beifall des Millionärs. Der Novellist, welcher weder als Schriftsteller noch als Heilkünstler den Widerstand der stumpfen Welt zu besiegen vermochte, lebte 1852 elend und arm in Paris und sah einem trostlosen Alter entgegen. Eines Tages suchte ihn der amerikanische Consul von Havre de Grace auf und fragte, ob er der Verfasser jener Novelle sei. Die Frage wird bejaht. „Dann haben Sie in Amerika zehntausend Dollars geerbt, welche Summe Ihnen die Firma Albrecht und Compagnie auszahlen wird,“ sagte der Consul, und die Zukunft des Schriftstellers war sicher gestellt. Der Testator war Mac Donogh.

Das schönste Vermächtniß erhielten jedoch die Städte Baltimore und New-Orleans. Ueber dasselbe schreibt Mac Donogh in seinem Testamente: „Dieser Plan, welchen mein Geist, ohne Zweifel auf höhere Eingebung, entworfen hat und welchen ich jetzt nahezu vierzig Jahre lang mit mir herumtrage, geht dahin, große Besitzungen, Bauplätze in Städten und Häuser zu erwerben, und die Erträge dieser Güter zur Ausbildung armer Kinder zu verwenden. Diese Besitzthümer werden mit der Zeit unzweifelhaft solche Revenuen abwerfen, daß mit denselben die Ausbildung aller armen Kinder in Maryland und Louisiana, sowie noch vieler unbemittelten Kinder anderer Staaten in unserer glücklichen Union bestritten werden kann. Um dieses zu bezwecken und in’s Leben zu rufen, habe ich ein breites und tiefes Fundament gelegt, große Grundflächen in und bei New-Orleans aufgekauft, so daß, wenn gut verwaltet, in künftigen Jahrhunderten deren Revenuen bei der beständigen Ausdehnung der Stadt, welche bestimmt ist, eine der größten und volkreichsten Städte der Welt zu werden, allein jährlich sich auf Millionen belaufen werden. Wenn deshalb Diejenigen, welche nach mir kommen, und welche diese Güter, welche ich aufzuhäufen bestrebt war, zu verwalten haben, darnach trachten, dieselben mit derselben Treue, mit welcher ich gewirthschaftet, zu vermehren und productiv zu machen, dann wird in der That einmal ein förmlicher Berg des Reichthums daraus werden, der noch ungeborenen Geschlechtern durch Jahrhunderte zum Segen gereichen muß.“

Leider sind diese frommen Wünsche des guten Mac Donogh nicht ganz in Erfüllung gegangen und seine praktischen Winke schlecht befolgt worden. Das New-Orleanser Vermächtniß ist nämlich bis auf die Lumperei von fünfundzwanzigtausend Dollars von den Politikern gänzlich gestohlen worden. Die Stadt Baltimore hatte einen kostspieligen Proceß mit New-Orleans zu führen, ehe sie ihr Legat erhielt. Auch hier versuchten die „öffentlichen Diebe“, wie man in den Vereinigten Staaten die Politiker nennen muß, an diesen reichen Fond zu gelangen, um denselben zu reduciren. Er ist jedoch glücklicher Weise sicher gestellt worden. Da die Anstalt kaum zwei Drittel der Zinsen jährlich verzehrt, so kann der Fond mit der Zeit immer noch auf eine Million gebracht werden.

Peabody’s Leben und die Geschichte seiner zahlreichen Stiftungen setze ich als bekannt voraus; es sei nur bemerkt, daß der Banquier der Stadt, in welcher er seine Jugend verlebte und den Grund seines immensen Vermögens legte, stets ein liebevolles Andenken bewahrte, welches er in dem nach ihm genannten Institute verewigte. Dasselbe war anfangs mit fünfhunderttausend Dollars dotirt, erhielt aber später, da die Curatoren sich scheuten, mit einem so geringen Einkommen – wie die Zinsen des obigen Fonds – das Institut in Wirksamkeit treten zu lassen, noch fünfhunderttausend Dollars, und als endlich im Jahre 1866 die Eröffnung stattfinden konnte, bei welcher der Stifter persönlich anwesend war, gefiel ihm das Werk dermaßen, daß er es abermals mit vierhunderttausend Dollars beschenkte. Das Institut enthält eine gewählte Bibliothek, in welcher die classischen Originalwerke aller Culturvölker von den Kings der Chinesen, den Vedas der Inder bis zu Ulfilas’ Bibel und Goethe’s Faust in den besten Ausgaben zu finden sind. Die Bibliothek, welche fortwährend vermehrt wird – wobei man den Wünschen Derjenigen, welche sie frequentiren, in der liebenswürdigsten Weise Rechnung trägt – hat in allen Centralplätzen des Buchhandels, in Leipzig, London, Paris und New-York ihre Agenten, welche derselben beständig neue Schätze zuführen. In der Person des Herrn Dr. Uhler besitzt dieselbe einen umsichtigen und gewissenhaften Custos.

Das Institut zerfällt in drei Hauptabtheilungen. Nämlich außer der Bibliothek, welche im Winter noch für gediegene Vorlesungen in englischer, deutscher und französischer Sprache über wissenschaftliche oder schöngeistige Themata zu sorgen hat, besteht bereits eine Musikschule, die sich wohl mit der Zeit den stolzen Namen Conservatorium erwerben wird. Dieselbe steht unter Leitung des jungen dänischen Componisten Asger Hamerik. Ein Cyklus classischer Orchesterconcerte wird jeden Winter unter der Aegide dieses Zweiges bei dem nominellen Entrée von fünfzig Cents geboten. Sobald der neue Anbau vollendet ist, wird auch eine Abtheilung für bildende Künste in’s Leben treten; das Institut hat schon eine Anzahl von Kunstwerken erworben, so daß der Anfang zu einer Glyptothek und Pinakothek thatsächlich vorhanden ist.

Jetzt zu dem dritten großen Wohlthäter der Stadt, dem Manne, der Peabody übertroffen hat. – Bis vor Kurzem lebte hier ein alter Quäker, Namens Johns Hopkins, der bereits seit einem Menschenalter für den reichsten Kaufmann der Stadt gelten mußte; dabei machte er stets den Eindruck, als ob er seine Kleider beim Trödler kaufe, und wer ihn nicht kannte, der hätte versucht sein können, ihm ein Almosen anzubieten. Der [99] Mann galt für außerordentlich sparsam, sogar geizig, und als vor drei oder vier Jahren eines Morgens eine Zeitung berichtete, daß der alte Hopkins beabsichtige, zwei ebenso großartige Institute zu stiften wie das, welches Peabody’s Namen trägt, lachte Jedermann über den vermeintlichen Witz, denn in der ganzen Stadt konnte sich Niemand erinnern, daß der Millionär jemals etwas zu verschenken gehabt habe. Obgleich der Mann bereits hoch in den Siebenzigern stand, arbeitete er noch rastlos an der Vermehrung und Verwaltung seines ungeheuren Vermögens weiter, baute und kaufte Magazine und war in den Bureaustunden unfehlbar in seiner alten Spelunke von Comptoir zu finden.

Am 24. December vorigen Jahres starb er nach kurzer Krankheit, und als am zweiten Weihnachtstage sein Testament bekannt wurde, fand sich’s, welch herrliches Weihnachtsgeschenk der alte Hopkins der Stadt gemacht hatte. Der Nachlaß des Millionärs wird auf zehn Millionen Dollars veranschlagt; davon erhalten seine Blutsverwandten, etwa sechszehn an der Zahl, circa zwei und eine halbe bis drei Millionen. Der Testator verordnet, daß eine Universität gegründet werde, welche seinen Namen tragen und welcher sein vor der Stadt gelegener Landsitz Clifton, zweihundertdreißig Acker groß, mit einem prachtvollen Schlosse zufallen soll, ferner daß auf einem andern ihm gehörigen Platze ein großes Hospital erbaut werde, in welchem Kranke aller Nationalitäten unentgeltlich Aufnahme finden. Beide Anstalten sind in Bausch und Bogen von vornherein mit sechs Millionen Dollars dotirt und erhalten außerdem noch Alles, was in seinem Nachlasse vorgefunden wird und worüber in dem Testamente nicht speciell verfügt ist. Die Curatoren des Hospitals haben mit diesem Institute eine Schule für Krankenpflege zu verbinden und außerdem ein Waisenhaus für Negerkinder zu errichten. Die Universität soll nach dem Willen des Stifters eine der ersten Hochschulen der Welt werden; jedenfalls wird sie die reichste sein.

Verschiedene andere Wohlthätigkeits- und Erziehungsanstalten der Stadt erhalten noch Legate von zehn-, respective zwanzigtausend Dollars. Sollte einer seiner Verwandten sich beikommen lassen, dieses Testament zu bestreiten, so fällt der ihm ausgesetzte Antheil der Universität und dem Hospitale zu.

Hopkins wurde 1795 als der Sohn unbemittelter Bauersleute im Staate Maryland geboren und kam 1812 nach Baltimore, wo er in dem Engrosgeschäfte eines Onkels eine sehr untergeordnete Stelle erhielt, in welcher er sich zum tüchtigen Kaufmanne heranbildete. Im Jahre 1818 etablirte er ohne jegliches Capital, außer seinen unbedeutenden Ersparnissen, mit einem andern jungen Manne, der ebenfalls nichts weiter als den guten Willen mitbrachte, die Firma Hopkins und Moore. Der Onkel verschaffte dem jungen Hause limitirten Credit, und dasselbe arbeitete sich mühsam empor. Als Moore im Jahre 1822 austrat, nahm Hopkins zwei oder drei Brüder auf, und die Firma hieß fortan Gebrüder Hopkins. Im Jahre 1844 zog sich der Chef als Millionär aus dem Hause zurück und lebte seitdem nur seinen großartigen Speculationen. Fast die Hälfte aller großen Magazine im Geschäftstheile der Stadt war sein Eigenthum; in dieser Gegend kaufte er fortwährend Häuser auf, verkaufte aber nie eins wieder; an Stelle der alten Baracken, welche den früheren Handelsfürsten, den Pattersons, Ollivers, Parrishes, O’Donnells etc. dienten, ließ er solide Bauten aufführen, die heute thatsächlich unbezahlbar sind.

Dabei hatte er ein scharfes Auge für gute Actien; er war außer dem Staate Maryland und der Stadt Baltimore der bedeutendste Actionär der „Baltimore-Ohio-Bahn“, dieses großen Monopols, welches, wie der fabelhafte Polyp, mit seinen Riesenfängen die halbe Welt umspannt; überhaupt existirte kaum ein profitables Unternehmen, an dem der alte Hopkins nicht interessirt gewesen wäre. Wie Mac Donogh und Peabody, war auch er ein Junggeselle, doch konnte man ihm nicht gerade nachsagen, daß er, wie der Erstere, ein Weiberfeind gewesen wäre; er hütete sich aber, sein Lebensschiff mit dem in Amerika kostspieligen Ballaste einer Gattin zu beschweren.

Durch und durch Geschäftsmann, kannte er während seines langen Lebens keine Freude und keinen Genuß, als gewinnbringende Arbeit; er war Director zahlreicher Gesellschaften, aber in keiner derselben eine Null oder Drohne; allenthalben arbeitete er unermüdlich mit, sei es im Finanzausschusse einer jener Titanen-Corporationen, in deren Bureaus in Wallstreet, am Exchange-Place oder Camdenstraße über Krieg und Frieden in West-Indien oder Central-Amerika entschieden wird, oder deren Launen der alten Welt nach Belieben den Brodkorb höher hängen, sei es im Directorium einer Bank, welche die locale Discontorate feststellt; an allen diesen Orten war sein Wort von Gewicht, wenn nicht gar maßgebend und entscheidend. Welch ein umsichtiger und fernblickender Financier er war, zeigen die genauen Bestimmungen seines Testaments. Sogar aus den Auslassungen dieses Instruments ließe sich dies nachweisen. Hierfür nur ein Beispiel.

Als vor etwa vier Jahren die Bauwuth in der mittleren Stadt herrschte, sah sich auch Hopkins veranlaßt, etwas zur Verschönerung dieses Stadttheils zu thun, zumal keines seiner Waarenhäuser und Magazine auf Eleganz Anspruch machen kann. Er ließ deshalb in der Nähe der Post ein prachtvolles Gebäude aus Marmorquadern im venetianischen Stile aufführen, welches ihm über dreihunderttausend Dollars kostete. Das Haus heißt wegen seiner Aehnlichkeit mit dem berühmten Palaste der Lagunenstadt „der Rialto“. Natürlich decken die Miethen der verschiedenen Räumlichkeiten kaum ein Procent Zinsen des Baucapitals. Jedermann war gespannt, welche Verfügung in dem Testamente über diesen Prachtbau getroffen war, derselbe ist jedoch mit keiner Silbe erwähnt und fällt jetzt dem Stiftungsfond zu. Der praktische Geschäftsmann muß diese Auslassung selbstverständlich finden; war der Bau doch eine „schlechte Speculation“, die sich niemals bezahlen wird; warum noch Zeit und Tinte daran verschwenden?

Dies ist in kurzen Zügen die Geschichte der drei wohlthätigen Junggesellen Baltimores; sie haben sich einen Platz neben den größten Philanthropen aller Zeiten und Völker erworben. Im Lichte ihrer Generosität wird das Wort „fürstliche Freigebigkeit“ zur hohlen Phrase.

Fragt man sich nach der Ursache dieser eigenthümlichen Erscheinung von Männern, welche ihr kolossales Vermögen, anstatt es von lachenden Erben verjubeln zu lassen, zum Segen vieler Generationen in solchen ruhmwürdigen Stiftungen als beredte Denkmäler für die Nachwelt hinstellen, so ist die einfache Erklärung: es geschah aus Menschenliebe, vielleicht ungenügend, und wenn man der Sache auf den Grund geht, geradezu eine falsche. Weiß man es doch zu wohl, daß diese Männer im Leben gewöhnlich steinhart waren, und wie manchen edeln Zug man auch von dem Einen oder Andern erzählen mag, so ist es doch nichtsdestoweniger Thatsache, daß sie in der Regel mit der Herzlosigkeit des Wucherers „auf ihrem Scheine bestanden“ und ihren Geldinteressen alles Andere unterordneten.

Hier muß noch eine andere Ursache zu Grunde liegen, und man wird wohl das Richtige treffen, wenn man sagt: es ist eben in Amerika Mode geworden, solche Institute zu dotiren, gerade wie es unter den Karolingern, unter den Saliern und Staufen in Deutschland Mode war, Kirchen und Klöster auszustatten, und wie es in den Tagen der Reformation Sitte wurde, Universitätsstipendien zu stiften. Seitdem Girard und Astor sich durch solche Stiftungen die Unsterblichkeit erkauften, während jetzt schon weit reichere und bedeutendere Zeitgenossen jener beiden Kaufleute vergessen sind, ist es in Amerika stark in Aufnahme gekommen, sich durch die Versicherungssumme von einer halben oder einer ganzen Million eine Unsterblichkeitspolice zu erwerben.

Indem wir hier das Kind beim rechten Namen nennen, soll durchaus nicht angedeutet werden, daß wir deshalb die Wohlthaten weniger hoch achten. Ehre den Männern, welche ihren sauer erworbenen und ängstlich zu Rathe gehaltenen Mammon auf solche Weise durch Jahrhunderte hindurch segenbringend wirken lassen! Es mag himmlisch sein, ein Diadem auszuschlagen, göttlich ist es jedenfalls, die Bevölkerung einer Stadt zur Erbin seiner Millionen zu machen und in dem Bewußtsein zu sterben, ganzen Geschlechtern zum Segen gelebt und gewirkt zu haben. Welch sonderbare Heiligen diese Millionenwohlthäter auch im Leben mitunter gewesen sein mögen, die Nachwelt wird ihre Namen stets mit Dank und Achtung nennen, und die Geschichte wird ihnen einen Platz neben den Edelsten und Besten ihrer Zeit anweisen.

Eduard Leyh.[WS 1]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Eduard von Leyh; vergl. Berichtigung (Die Gartenlaube 1874/19)