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Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden/Grabhügel und Steindenkmäler

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Die Marschen Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden (1856)
von Friedrich Köster
Plinius und Tacitus über das Land und Volk der Chauken
[38]
3.
Die in den Herzogthümern Bremen und Verden noch vorhandenen alten Grabhügel und Steindenkmäler.

Diesen Gegenstand hat früher Mushard behandelt in seinem palaeogentilismus Bremensis; und handschriftliche Nachrichten über Germanische Alterthümer in unserer Provinz von dem weil. Geheimenrathe v. Spilcker befinden sich im Besitze des Vereins für Niedersächsische Geschichte zu Hannover. Das neueste Verzeichniß liefert (nach Berichten der Königlichen Aemter) die Statistik der im Königreiche Hannover vorhandenen heidnischen Denkmäler vom Forstrath Wächter. Aus dem Hannoverschen Magazin besonders abgedruckt, Hannov. 1841. Der unsere Provinz betreffende Theil (Seite 52 bis 84) ist aber weder ganz vollständig, noch überall richtig; daher wir in dem folgenden Auszuge aus demselben einzelne Verbesserungen und Zusätze beigebracht haben.

1. Im Amte Rotenburg sind bei Ahausen, Kirchwalsede und Visselhövede noch 43 Grabhügel vorhanden; obschon viele andere bei dem Baue der Napoleon’schen Kaiserstraße zerstört worden. Doch scheint nichts besonders Merkwürdiges darunter zu sein. Auch in dem jetzigen Amte Schneverdingen zwischen Wolterdingen und Soltau finden sich noch ununtersuchte Hühnengräber[1].

2. Im Amte Ottersberg hat man 1816 zwischen Soltau und Hassendorf in den geöffneten Hügeln eine Menge von Urnen gefunden. Bei Nartum 8 Träger ohne Decksteine. Das schöne Denkmal bei Steinfeld (6 Träger mit 2 Decksteinen) ist noch ziemlich gut erhalten: in einem malerischen Buchenhaine belegen, dient es jetzt als Vergnügungsort für die Umgegend.

3. Amt Zeven hat merkwürdige Grabhügel und Steinhäuser bei Badenstedt, Heeslingen, Selsingen und [39] Rhadereistedt. Eine Viertelstunde von Selsingen, bei Parnewinkel, liegt ein Hügel, der Tuitsberg, auf welchem ein Götzenbild gestanden haben soll (Kobbe, Geschichte der Herzogth. I. S. 46).

4. Amt Harsefeld. Hier finden sich zahlreiche Hühnengräber bei Issendorf, und bei Ohrensen, Ksp. Bargstedt, eine Burgruine. Vorzugsweise ist das Gericht Delm (zwischen Apensen, Grundoldendorf und Beckedorf) ein wahres antiquarium in natura (von Wächter durch eine interessante Zeichnung erläutert.) Bei Grundoldendorf liegt ein ganzes System von 4 symmetrischen und mit viereckigen Stein-Ringen umschlossenen Steinhäusern. Im Tannen-See, bei Cammerbusch und Revenah, die Ruinen der Raubburg des eisernen Ritters Heinrich von der Borch, welcher nicht bloß der Sage angehört, sondern eine historische Person ist. (S. unten.)

5. In den Aemtern Bremervörde und Beverstedt sind viele Denkmäler zerstört. Aber zu merken ist bei Stinstedt, Ksp. Loxstedt, an der Grenze des Sietlandes, die Menge von Steingräbern, und in der Gräflich Bremerschen Forst Westerberg ein mächtiges, wohl erhaltenes Hühnenbette, anscheinend bestimmt, die Todten auf der hohen Geest vor der Elbfluth zu sichern. Zwischen Wedel und Donnern, Ksp. Beverstedt, der Drachenstein mit dem merkwürdigen Gebilde einer Schlange (s. unten). Ueber die Sage von einer untergegangenen Stadt im Balk-See s. gleichfalls unten. Im Moor bei Glinde (zwischen Bremervörde und Oerel) hat man alte Pallisaden-Reihen entdeckt, welche vielleicht von der Schlacht gegen die Askomannen herrühren (Stader Sonntagsblatt 1855, № 4.), und im Moor bei Dannenberg, Amts Ottersberg, wurde 1785 ein uralter Kahn, aus Einem Eichenstamme gearbeitet, ausgegraben (Kobbe I, S. 8. Er wird im Göttinger Museum aufbewahrt). Bei Stinstedt finden sich Spuren einer Römer-Straße des Drusus, und zwischen Bremervörde und Land Hadeln Spuren des Karlsweges, auf welchem Karl d. Gr. bis an die Mündung der Elbe vordrang.

6. Amt Osterholz. Hier zeichnet sich aus das schöne Steingrab am Wege von Scharmbeck nach Osterholz, [40] welches man mit Unrecht für eine Opferstätte der Göttin Ostra erklärt hat, und das bei Heißenbüttel, Ksp. Hambergen (4 Träger mit einem großen Decksteine). Aber noch merkwürdiger sind die drei Denkmäler bei Wallhöfen, Ksp. Hambergen, deren jedes aus einem System von Gräbern (mit Trägern und Decksteinen) besteht[2].

7. Im Amte Blumenthal soll sich bei Reckum an der Weser noch der Steinklotz befinden, von welchem aus (nicht ein Raubritter, sondern) der Erzbischof Gerhard II. um das Jahr 1200 die Weser mit einer Kette zu sperren versuchte (Kobbe, Gesch. I. Seite 75).

8. Amt Bederkesa. Bei Sievern ein großes, von vielen Steinen symmetrisch eingeschlossenes Hühnengrab mit Decksteinen, genannt das Bülzenbette (abgebildet in Spiel’s Vaterländ. Archiv. 1822. Heft 1.). Bei Großenhain der Elendstein, bei Debstedt der Wulfstein, in der Flögeler Haide der Dansenstein (versteinerte tanzende Jungfrauen, wie die Sage geht); bei Meckelstedt ein Grabmal mit 8 Trägern und 2 Decksteinen. Westlich vom Bülzenbette liegt die s. g. Pipinsburg, eine kleine Verschanzung, aus zwei concentrischen Erdwällen bestehend, und südlich von derselben eine etwas größere Schanze, genannt die Heidenstatt. Daß die Pipinsburg von dem Vater Karl’s d. Gr. herstamme, ist sehr unwahrscheinlich, weil sie einen so geringen Umfang hat, und der Name sich auch anderwärts (z. B. bei Osterode am Harz) findet; richtiger wohl betrachtet man sie als ein kleines Fort gegen die Ueberfälle der Normannen. Im Vaterländ. Archiv. von 1832 ist sie abgebildet. Eine interessante Nachricht über eine, unter dem Moor liegende, zwischen Bederkesa und Großenhain [41] entdeckte Römische Pfahlbrücke gibt die Hannov. Zeitung vom 21. Mai 1855.

9. Im Amte Neuenwalde steht bei Wanhöden ein s. g. Opferaltar, richtiger ein Hühnengrab, aus fünf großen Steinen errichtet.


Wir begleiten obiges Verzeichniß mit folgenden Bemerkungen:

1. Die Volksnamen Hühnengrab, Hühnenbette sind ein natürlicher Ausdruck der riesigen Dimensionen dieser Denkmäler.

2. Sie scheinen insgesammt ursprünglich unterirdisch gewesen zu sein: wo sie jetzt sich über den Boden erheben, mögen Wasser oder Wind den losen Sand weggeführt haben.

3. Daß einige unter ihnen zu Opfer- oder Gerichtsstätten gedient, läßt sich nicht beweisen; vielmehr ist wahrscheinlich, daß sie ohne Ausnahme Grabmäler waren.

4. Die große Anstrengung, welche, beim Mangel mechanischer Hülfsmittel, ihre Errichtung gekostet haben muß, läßt vermuthen, daß sie meistens für vornehme Personen, Heerführer oder Priester, bestimmt waren.

5. Oft sind sie ganz leer (Kenotaphien). Wegen der Waffen und Geräthe aber, welche sie enthalten, muß man sich mit der sehr unbestimmten Vermuthung begnügen, daß die steinernen der vorhistorischen (keltischen?) Periode angehören, die kupfernen der germanischen, und die eisernen und goldenen der römischen Zeit. Menschen-Gebeine finden sich selten: und die roh geformten thönernen Urnen, mit Asche darin, führen auf die Periode der Römer-Herrschaft. Denn die ältesten Deutschen, so wie die zum Christenthume bekehrten, begruben ihre Todten, und nur vom 2ten bis 6ten Jahrhundert nach Christo wurde theilweise die römische Sitte des Leichen-Verbrennens herrschend.


  1. Vergl. J. M. Kemble, Ausgrabungen im Amte Soltau im Sommer 1853 (in der Zeitschrift des histor. Vereins für Niedersachsen. Hannover 1853 1. Heft 1.).
  2. Herr Superintendent Ruperti theilt mit, daß in Lesum oft Urnen aus ungebranntem, nur an der Sonne gedörrtem Thon aufgegraben werden, die ganz mit Menschenknochen angefüllt sind, auch steinerne Beile und kleine Handmühlen, bestehend aus 2 Steinen von 1 Fuß Durchmesser. Eben so in Worpswede. Zwischen Hinderbeck und Scharmbeckstotel, wo jetzt der Judenkirchhof ist, zeigen sich bei’m Nachgraben viele Spuren, daß dort ein größerer Wohnplatz gewesen.
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