Als die Not am größten war
[104] ALS DIE NOT AM GRÖSSTEN WAR
Apfelbäumchen ist Braut geworden.
Im weißen Blütenkleide
Feiner als indische Seide,
Von Maienglast umsponnen,
Und spricht dem Lenz sein: Ja!
Apfelbäumchen ist Mutter geworden,
Rotbäckchen trägt’s in den Armen,
Mit Lebenssäften, warmen,
König Sommer hat ihnen Schutz gewährt.
Apfelbäumchen ist Witwe geworden.
Der Lenz, der schöne Lenz ist tot,
Die Kindlein sind fortgegangen.
Die Aeste zittern und bangen.
Apfelbäumchen ist Bettlerin worden.
Dürr steht es da in der Einsamkeit,
Und beugt sein Haupt in stummem Leid
Herbststürme zerrissen ihm das grüne Haar.
Da tönt eine Stimme zu ihm:
„So nackt und arm, von Frösten steif,
Bist du für meine Güte reif.
Am Ueberfluß deine Armut weiden.“
Und hoch aus dunkler Wolken Gefieder,
Gleitet ein silberner Mantel nieder,
Und hüllt das Dürftige sorglich ein.
Fühlt es des Schöpfers Frühlingssegen.