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Allerlei Hochzeitsgebräuche/Bauernhochzeiten im Hansjochenwinkel

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Textdaten
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Autor: Wilhelm Meyer-Markau
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Titel: Bauernhochzeiten im Hansjochenwinkel
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 36, S. 585–589
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Allerlei Hochzeitsgebräuche.[1]

IV.0Bauernhochzeiten im Hansjochenwinkel.
Von W. Meyer-Markau. 0 Mit Illustrationen von H. Dietrichs.


Dorf und Bauernhaus im Hansjochenwinkel.

Gleichsam als ein Stücklein Vergangenheit, das die rastlos forthastende Zeit abseits vom Wege mitzunehmen verabsäumt hat, liegt der Hansjochenwinkel im nordwestlichen Theile des Kreises Salzwedel. Dort gedeiht jener kernige Bauernschlag wendisch-germanischer Abkunft, der schon einmal (vergl. „Gartenlaube“ Jahrg. 1882, S. 313) den Gegenstand unserer Schilderung bildete. – Die Natur hat die Gegend ziemlich karg ausgestattet; nur der am Horizont sichtbare dunkle Saum ausgedehnter Nadelwaldungen und vereinzelt im Felde stehende knorrige Eichen bilden den natürlichen Schmuck der weiten Ebene. Aber die schwielige Hand des fleißigen Bauern wußte die sandige Scholle in fruchtbares Land zu verwandeln, und dicht aneinander gedrängt leuchten aus dem frischen Grün der Obstgärten wohlhabende Dörfer hervor, mit dem wohlbekannten Giebel des niedersächsischen Hauses, zumeist nach wendischer Sitte in Hufeisenform gebaut. Am eigenartigsten von allen daselbst herrschenden Gebräuchen ist unbestritten die Art und Weise, in der die dortigen Bauern in die Ehe treten. In Folge althergebrachter Sitte herrschen noch heute bei den Hochzeiten im Hansjochenwinkel jener farbige Prunk und jene laute Freude, die in alter Zeit das Volksleben verschönerten. Auch ein wenig urwüchsige Poesie tritt uns hier bei solchen Anlässen entgegen, obwohl die Gründe für die Eheschließung eines Paares fast durchweg sehr wenig idealer Natur sind und zumeist der krasseste Realismus sich breitspurig als Ehevermittler hinstellt. Wenn sich die „Alten“ auf ihrem Bauerngute abgearbeitet haben und demselben nicht mehr vorstehen können, so wird „eingefreit“. Da gilt’s denn vor Allem, eine „passende Partie“ zu finden. Passend ist aber eine solche nur dann, wenn der andere Theil mit seinem Gelde den Hof „heben“ kann, das heißt, wenn er Mitgift genug bietet, um alle Mitbewerber siegreich aus dem Felde zu schlagen. Nun aber sucht sich der Bauernbursch nicht etwa selber die Braut unter den Töchtern des Landes, das besorgen die lebenserfahrenen Alten. In der Regel wird von diesen einer zuverlässigen „Frauensperson“, der „Freiwerberschen“, vertraulicher Auftrag ertheilt, für den Hof die Bäuerin „ausfindig zu machen“. Solcher Liebe Müh’ ist nicht etwa umsonst, nein, dafür bekommt die „Freiwerbersche“ ihr „Freiwerberhemd“ und freie „Köst“ – so nennt man nämlich die Hochzeit.

Ist unter den zur Auswahl gestellten „Bauerndirnen“ der Eltern Wahl auf eine bestimmte gefallen, so kommt die Braut mit den Ihrigen „zum Besehen gefahren“. Dabei wird dann nicht nur Alles, was in Feld und Wald, in Hof und Stallung zu schauen, „durchmustert“, sondern es werden auch Boden und Keller, Kisten und Kasten „in Observanz genommen“. So nebenbei sieht sich bei dieser Gelegenheit das zukünftige Paar oft zum ersten Mal mit prüfendem Blicke an. Wohl der Braut, wenn sie [586] einen kräftigen Körperbau hat, er ist mehr Fürsprache für sie als die größte Schönheit; denn „das glatte (schöne) Gesicht kann man nicht essen“, und ein „spillerig Ding“ (schwächlich gebautes Mädchen) kann nicht arbeiten, wie es einer Bäuerin geziemt.

Ist das „Besehen“ zur Befriedigung des interessirten Theiles ausgefallen, so wird „die Sach’ gleich ’wiß gemacht“ und zu diesem Behufe die „Löfft“ (Verlobung) verabredet. Dieselbe findet stets auf dem Hofe statt, von dem Braut oder Bräutigam weg heirathen, während die Köst dagegen immer auf dem anderen Hofe abgehalten wird.

Auch bei diesem Feste tritt der praktische Sinn des Hansjochenwinklers zum Vorschein. Wohl zieht das Jungvolk des Dorfes am „Löfftabend“ vor die Hausthür und zerwirft dort Scherben und schießt hinter den Fenstern, wofür es von Braut und Bräutigam auf dem Hofe mit einem „Pöttchen“ (Topf) voll Grog und mit Butterkuchen bewirthet wird; wohl werden zum ersten Male silberne oder goldene Ringe gewechselt und Liebesgaben zwischen den Neuverlobten ausgetauscht, aber schon diese Brautgeschenke haben einen praktischen Werth, denn sie bestehen zumeist aus „Erbthalern“ und „Doppelpistolen“ (Friedrichsd’or). Das ist das „Verlobungsgeld“, welches die späteren Eheleute ihr ganzes Leben lang sorgfältig aufbewahren, „weil dann das Vieh gut gedeiht“. In erster Linie aber wird auf der Löfft „Alles beschnackt“, das heißt das Nähere über die Bedingungen der Uebergabe des Hofes an das „jung Volk“ verabredet, was allerdings später noch durch eine gerichtliche „Beschreibung“ bekräftigt wird.

Bis dahin sollte eigentlich alles geheim gehalten werden, und erst nach der „Löfft“ haben sich die Verlobten öffentlich zu zeigen und fahren deßhalb gemeinsam „zu Markt“, zumeist zum Dionysius-Markt in Salzwedel. Dort werden „goldene“ Gesangbücher, „Halsgeschirr“, Uhrketten etc. gekauft. Für einige Distrikte muß dieser Dionysius-Markt auch wohl die Gelegenheit für die „Brautschau" abgeben, also für das erste Bekanntwerden des jungen Paares.

Anhalten des Brautwagens.

Wenn man die inneren Vorbereitungen zum Einfreien nach allen Seiten hin getroffen hat, so denkt man auch an die äußeren. Diese werden im Wesentlichen auf dem Hofe des Brautvaters vorgenommen. Dort arbeiten Tischler für den „Kistenwagen“ die Möbel, Schneider die Kleidungsstücke, „Neisterinnen“ (Näherinnen) aus „selbstgemachtem“ Linnen die Wäsche. Endlich ist der Hochzeitstag nahe gerückt, der bei erstmaligen Heirathen in der Regel ein Dienstag, bei Heirathen solcher Personen aber, von denen „ein Part verwittwet“ war, ein Freitag sein muß. Am Donnerstag vor der Köstwoche" werden vom Hofe des Brautvaters Mastochsen, Schweine, Hammel, Gänse, „Kiepen voll Hühner“, „Moller“ (Säcke mit Mehl zu Kuchen und Brot), Grütze, Butter, Eier, gebackene Pflaumen, Bohnen, ja selbst Salz und was dergl. m. auf den Hof des Bräutigams gebracht. Am Freitag wird dort geschlachtet, am Sonnabend und Montag gebacken. Ganze Berge von zubereiteten Backwaaren, von Fässern mit Braunbier und „Schluck“ (Branntwein) werden aufgestapelt, denn die Zahl der Gäste beträgt manchmal mehr als ein halbes Tausend. Endlich ist der Sonntag vor der „Köst“ gekommen, und der interessanteste Theil der Hochzeit nimmt seinen Anfang: es werden Braut- und Kistenwagen gefahren. Der Brautwagen von früher unterschied sich wesentlich von dem von heute; denn während man zu demselben jetzt eine Kalesche oder Kutsche mit zwei Pferden davor nimmt, verwendete man dazu in früheren Zeiten einen großen Erntewagen mit Sprossenleitern, den man mit Tannenreisig und Blumengewinden bekränzte. Derselbe wurde auch erst am Hochzeitstage gefahren; sechs Pferde zogen ihn.

Auf dem „nasken“ (linken) Vorderpferde saß der nächste Verwandte der Braut, also gewöhnlich ihr Bruder, auf dem „hotten“ (rechten) Deichselpferd derselbe Verwandte des Bräutigams. Im Falle ein Bräutigam in einen Hof „freite“, war dies Alles just umgekehrt. Dem Hinterfuhrmann steckte man auf jeder Schulter ein großes buntes Frauentuch fest, dem Vorderfuhrmann ein solches nur auf der rechten Schulter. Jedem Pferde war auf dem Kopfe ein künstlicher Blumenstrauß mit schmalen, rothen Seidenbändchen befestigt. Auf dem Wagen saßen vorn die Musikanten, hinter diesen die jungen „Kerle“, welche zur Köst „genöthigt“ waren. In der Mitte des Wagens auf dem geschnitzten und gedrechselten „Brautstuhle“ saß die Braut. Um sie herum standen die jungen „Dirnen“ so dicht, daß dieselbe von den Zuschauern bei Leibe nicht gesehen werden konnte, denn wenn man die Braut von unten sah, so war der Wagen nicht voll, die [587] Köst also nicht vornehm genug, weil zu wenig Gäste geladen waren. Hinter der Braut standen die Brautjungfern, nächste Verwandte von Braut und Bräutigam, mit zwei Brautlichtern.

Brautjungfer mit Brautlicht.

Diese Brautlichter waren damals Tännchen, aufgeputzt mit breiten, sehr langen rothen und grünen Seidenbändern, mit künstlichen Blumensträußen und recht vielem „Knittergold“, das „tüchtig knittern mußte, so als der Wind ging.“ Auf den Aesten des Tannenbäumchens steckten Christbaumlichter, und der Stiel war mit Buchsbaum umwunden. Neuerdings hat auch hierin die Kunst über die Natur obgesiegt, mit Rosmarin oder gar mit künstlichen Blumen umwundene Gestelle haben den Christbaum vom Brautwagen verdrängt.

Ganz hinten auf demselben saßen die „Korbmütter“, zwei Frauen nächster Verwandtschaft, die einen großen Korb vor sich stehen hatten, aus welchem sie den Zuschauern Kuchen, „Kubel“-(Weißbrot-) Schnitte, Aepfel und Pfeffernüsse zuwarfen. Dem Brautwagen folgten die älteren Hochzeitsgäste als „Nachfolger“. Je mehr solcher Wagen, desto „großartiger“ die Köst. Auf dem allerletzten derselben fuhren Vater und Mutter der Braut, bei denen Pferde und Wagen ungeschmückt bleiben mußten. Wenn der stattliche Zug langsam durch die Fluren dahin fuhr, hörte man schon aus weiter Ferne die schmetternde Musik, das Juchzen der Burschen, das Kreischen der Mädchen und das Schießen vom Brautwagen herunter.

Auf der „Grenzmarke“ des Dorfes, das die neue Heimath der Braut werden sollte, hielt der Zug an. Der Hinterfuhrmann stieg vom Pferde, trat an den Wagen neben die Braut und fragte:

„Jungfer Braut, willst Du lieber rückwärts oder vorwärts?“

„Man vorwärts!“ war deren Antwort, und dabei reichte sie dem Frager ein Taschentuch, in das ein Geldgeschenk von einem halben bis zu zwei Thalern gebunden war. Und der Brautzug ging wieder vorwärts. Sobald derselbe ins Dorf einbog, standen die Gemeindehirten an der Dorfstraße und jedem derselben warf die Braut einen Apfel mit einem hineingesteckten „Viergroschenstück“ zu.

Auf dem Hofe des Hochzeitsgutes hatten Braut und der auf sie wartende Bräutigam zum Schluß der Fahrt noch ein Kunststück auszuführen. Die Braut mußte nämlich, bevor der Wagen still stand, sich über die Leiterbäume hinweg ihrem zukünftigen Herrn und Gebieter in die Arme werfen, wofür er seine Zukünftige regelrecht zu „fangen“ und ins Haus bis hinter den Feuerherd zu tragen hatte. Für die übrigen Fahrgenossen stellte man zum bequemen Herabsteigen eine Leiter hin. Allein diese machten von derselben nicht früher Gebrauch, als bis man ihnen Grog und „Butterkuchen“ nach oben gereicht. Die geleerten Gläser zurückzugeben, wäre recht unschicklich gewesen, nein, die wurden vom Wagen aus „in tausend Stücke kaput geschmissen“. Für das junge Paar stand indessen im Hause eine Suppe fertig, in welche – gesegnete Mahlzeit! – „von Allem, was in der Wirthschaft vorkommt“ (soll heißen: Stückchen von der Pferde-, Kuh- und Schafkrippe) hinein gemischt sein mußte. Wenn die Suppe gut mundet – ich darf jetzt in der Gegenwart reden, da diese Sitte und der damit verknüpfte Aberglaube bis auf den Tag besteht – so gedeiht die künftige Wirthschaft gut; im entgegengesetzten Fall sieht’s damit schlecht aus.

Tanz im Zelte.

Der Brautwagen von heute sieht nüchterner, prosaischer aus. Derselbe fährt bereits am Sonntag vor der Köst. Daß dazu eine Kalesche oder auch eine Kutsche genommen wird, ist schon berichtet. Der Kutscher ist der Bruder des Bräutigams, die Auswerfefrau, die neben diesem sitzt, ist stets eine verheirathete Person aus allernächster Verwandtschaft desselben. Im zweiten Stuhle sitzen die Brautleute, denn heutzutage holt sich der junge Bauer seine Bäuerin selber. Zwischen dem ersten und zweiten Stuhle stehen oder sitzen die Brautjungfern mit den Brautlichtern, wofern diese auf dem Wagen nicht gänzlich fehlen. Vor dem Wagen reiten sämmtliche „jung’ Kerls“ von den eingeladenen Hochzeitsgästen als Vorreiter. Sie alle sind wie der Brautfuhrmann bunt bebändert und haben künstliche Blumensträuße an den Mützen. Selbst die Pferde sind in entsprechender Weise geschmückt. Den Brautzug eröffnen hoch zu Roß spielende Musikanten. In allerjüngster Zeit fahren auch wieder Hochzeitswagen hinier dem Brautwagen her, was dem langen Zuge von Reitern und vielen Wagen ein recht stattliches Ansehen verleiht.

Zwei „nächste Verwandte“ der Brautleute jagen in vollem Galopp vorweg in das Haus des Bräutigams und fragen „Vater und Mutter“, ob sie die Braut als Schwiegertochter aufnehmen wollen. Die bejahende Antwort wird schleunig zurückgebracht, und auf der Grenze erfolgt dann die Brautfrage in hergebrachter Weise, ebenso wird auch jetzt noch beim Brautzuge geschossen, nur nicht mehr vom Wagen hinunter, sondern hinter ihm drein. Unterwegs sperren oft Bursche und Kinder die Straße für den Brautwagen mit Leinen und Ketten oder auch wohl mit Guirlanden ab, und der Bräutigam muß sich mit Geld, Branntwein und Kuchen freien Weg erkaufen. Im Uebrigen verläuft die Einkehr der Braut in ihr neues Heim wie seit Alters her.

An demselben Sonntag vor der „Köst“ fahren jetzt auch die „Kisten- oder Schabb- (Schrank-) Wagen“, deren bis zu drei, [588] ja vier da zu sein pflegen. Alle nur erdenklichen Möbel, wie sie in eine Bauernwirthschaft passen, sind auf den Wagen zu finden, worunter vor Allem das buntbebänderte Spinnrad mit einem feinen Wocken nicht fehlen darf. Mit besonderem Kunstgriff sind an vielen Orten die Betten in schneeweiße Laken gebunden; es muß nämlich von jedem Bettstücke ein Zipfel vorstehen, „damit man nachzählen kann, wieviel die Braut an Betten hat.“ Auf dem vordersten Kistenwagen sitzen wiederum zwei „Korbmütter" mit ihren Gaben für Jung und Alt.

Die heutige Köst dauert in der Regel nur noch zwei Tage, früher dagegen wurde sie drei, vier, selbst acht Tage gefeiert. Die Einladung dazu erfolgt durch den Schenken vierzehn Tage vorher in formgerechter Weise mit Grüßen von den Brautleuten und denjenigen Alten, welche die Köst „ausrichten“. Am Hochzeitsmorgen kommen die Gäste zum Hochzeitshause gefahren. Sobald ein „Köstenwagen“ in den Hof einfährt, begrüßen ihn die Musikanten mit einem Tusch. Darauf treten Braut und Bräutigam an ihn heran, geben jedem darauf Sitzenden eine „Klapphand“ und „nöthigen“ alle gemeinsam ins Haus. Dort wird den Ankömmlingen Kaffee mit Kuchen und sofort hinterdrein Frühstück verabreicht, bei welch letzterem der „Tiegelbraten“, ein recht wohl schmeckendes Essen aus Kaldaunen, eine bedeutende Rolle spielt. Dabei kreisen Schnapsglas und Bierkrug.

Das Fahren der Schabbwagen.

Um zwei Uhr Nachmittags findet die Trauung statt. Der Zug zur Kirche, oder in Filialdörfern ohne eine solche wohl auch in die Scheune des betreffenden Gehöftes, setzt sich nach einer ganz bestimmten Rangordnung zusammen, bei der die Brautlicht tragenden Brautjungfern vorauf gehen. Unmittelbar darauf folgen die Brautleute. In der Kirche stellen sich die Brautjungfern mit den brennenden Brautlichtern hinter das Brautpaar. Bei dem Trauakte lenkt leider der Aberglaube die beiden zunächst Betheiligten von ihrer Andacht oftmals gänzlich ab. Da bemüht sich zunächst die Braut, zwar so unmerklich wie möglich, aber doch aus allen Kräften, dem Bräutigam auf den Fuß zu treten. Glückt ihr dieses, so ist ihr für die Ehe die Herrschaft im Hause sicher. Doch auch dann ist sie dessen gewiß, wenn sie beim Ringewechsel die Hand oben bekommt. Selbstredend sucht der Bräutigam beides nach Kräften zu verhindern. Ferner müssen Braut und Bräutigam „von Allem, was gesäet wird,“ einige Körner in Stiefeln und Schuhen tragen, weil das die Fruchtbarkeit ihrer Felder erhöht, „denn so kriegt das Korn ja den Segen mit.“ Auch zerknickt die Braut ein im Taschentuch verborgenes Stöckchen in möglichst kurze Enden, „damit ihr Mann sie später nicht schlagen kann.“ Endlich steckt man der Braut ein „Viergroschenstück“ in die Haare, damit sie ihr ganzes Leben hindurch viel Geld hat, und was dergleichen Gebräuche mehr sind.

Inzwischen sind die Speisetafeln zu der nun folgenden Hauptmahlzeit in Stuben und Kammern, auf der „Diele" des sächsischen Wohnhauses, auf den Tennen der Scheune und je nach Bedarf auch noch in Zelten angerichtet. Da dampft die unerläßliche Hühnersuppe und der Gänsebraten neben dem dicken Reis, Gelbsauer, Bohnen und Pflaumen, die besonders zugerichtet sind. Mit Grog und Hochzeitskuchen werden die von der Kirche heimkehrenden jungen Eheleute und Trauzeugen an der Hausthür empfangen, und nun vertheilen sich an einzelne Tische die Hochzeitsgäste, die vorsorglich ihre „Köstenmesser und Gabeln“ mitgebracht haben, in der löblichen Absicht, ihnen wenig Ruhe in der gemeinschaftlichen Scheide zu gönnen. An der Ehrentafel sitzen bei den Brautleuten die allernächsten Familienglieder außer den Vätern und Müttern, die mit „aufzuwarten“ haben, ferner „Priester und Kantor oder Küster“. Selbstverständlich fehlt die Tafelmusik nicht, für welche die Musikanten sofort auf einem Holzteller mit darauf gestecktem, halb zusammen geklapptem Taschenmesser ihre „Gaben“ von den Gästen heischen. Nach den Musikanten „sammeln“ der Koch auf einem fast meterlangen Abschaumlöffel von Messing, der Schenke in einem zerbrochenen Schnapsglase mit Branntwein darin, die Schüsselwäscherin auf einer Scherbe, worauf ein Bündelchen Stroh über Scheuersand liegen muß.

Nach der Hauptmahlzeit setzen sich die Alten wieder um die abgeräumten Tische, um ihren „Schafskopf“ oder ihr „Wendisch“, „Drei-Kart’“, ihr „Solo“ und ihren Skat „abzuklopfen“. Die Jugend tanzt. Und wie!

Da kommen zunächst die „Ehren- oder Brauttänze“ an die Reihe. Dieselben werden sämmtlich nur von zwei Paaren getanzt und zwar weiblicherseits von der Braut und abwechselnd von einer der beiden Braut- oder „Kranzjungfern“. Die Braut und die Kranzjungfer tragen dabei in hochgeschwungener Rechten die angezündeten Brautlichter, die bei jedem einzelnen Tanze „ausgetanzt“ werden müssen, was wegen des Luftzuges nicht allzu lange zu währen pflegt. Der Braut ist die Reihenfolge ihrer Tänzer ganz genau vorgeschrieben: auf den „Hinterführmann“ vom Brautwagen folgt der „Vorderführmann“ und sodann immer so weiter in derselben Abwechselung zwischen beiden Verwandtschaften nach dem Grade derselben in absteigender Linie. Den Beschluß bei den Brauttänzen bilden die Dorfinsassen, welche sämmtlich zur Hochzeit geladen werden, denn

„Nachbar vor der Thür
Geht aller ‚Freundschaft‘ (Verwandtschaft) für."

[589] Die Zahl der Tänze mit der Braut ist auf drei für jeden der Tanzberechtigten festgesetzt. Obwohl allerdings nur Ehemänner, oder in deren Vertretung und besonderem Auftrage deren Söhne, das Vorrecht der Ehrentänze genießen, gehört doch eine körperliche Ausdauer der Braut zur Erfüllung dieser ihrer Pflicht, die geradezu in Erstaunen setzen muß. Man bedenke nur, daß mitunter bis zu 200 Personen auf die Ehre ihrer drei Tänze warten. Meines Wissens ist trotzdem noch nie eine solche Braut auch nur unwohl geworden. Wahrlich, im Hansjochenwinkel bedarf’s keines Vereines für Körperpflege.

Spät in die Nacht dauern diese Tänze, und wenn der zweite Hochzeitsmorgen anbricht, so wird derjenige von den jungen Leuten, der sich verschläft, mit Musik auf einer Achse vom Ackerwagen ins Hochzeitshaus gefahren und muß dort seinen Kaffee aus einem schwarzen Topfe trinken.

Rückkehr von der Trauung.

Am letzten Mittag wurde früher allgemein, jetzt nur noch vereinzelt, „Brauthahn getragen“ oder „gesessen“. Während desselben sitzen sämmtliche Familienvorstände unter den Gästen beim leckersten Köstenschmause. Hinter ihnen stehen ihre Frauen. Oben auf der Tafel sieht man eine tiefe Zinnschüssel, verdeckt mit einem flachen Teller aus derselben Masse. Rechts vom „Brauthahn“, so nennt man nämlich jene verdeckte Schüssel, sitzen der Bräutigam und dessen Trauleiter, links die Braut und deren Trauleiter. Der Bräutigam nimmt alsdann einen Teller, legt darauf zwei Aepfel und reicht ihn der Braut, die Butterkuchen und Weißbrotstückchen dazu legt. So wird der Teller dem nächsten Tischgenossen zugeschoben, der seine „Gabe“ in Baar darauf „wirft“. Damit wandert der Teller zurück, und die Gabe wird in die verdeckte Schüssel gethan. Darnach wird der Teller dem folgenden Gaste zugeschickt, von diesem wandert er mit neuer Gabe wieder zurück, und alsdann immer und immer wieder von Hand zu Hand in derselben Weise hin und her, bis er vor dem zu unterst sitzenden Gaste gestanden hat. Die Gaben betragen bei den nächsten Verwandten nicht unter zehn Thalern, bei den entferntesten und bei den Dorfleuten mindestens so viel, daß für jeden Hochzeitstag ein halber Thaler gerechnet ist. Während des Brauthahntragens stehen die Musikanten an der Thür und spielen; über diese Thür aber schreibt man: „Heute für Geld, morgen für umsonst!“ – Noch zu Anfang unseres Jahrhunderts saß der Pastor an der verdeckten Schüssel und empfing für den Bräutigam die Hochzeitsgabe; damals auch mußte der Vater der Braut (oder wenn diese einen eigenen Hof besaß, des Bräutigams Vater) zu gleicher Zeit und an gleichem Ort „einen blanken Tisch machen“, das heißt die Mitgift aufzählen. Letzteres geschieht heute nur noch unter Beisein der nächsten Angehörigen. Dabei fragt denn der Mitgift auszahlende Vater des jungen Ehepaares, ob er das vorgezeigte Geld aufzählen solle. „Vorsicht ist die Mutter der Weisheit“; und so antwortet denn der geldempfangende Vater recht diplomatisch. „Zähl auf, nicht um uns, sondern um die, die zusehen; sie möchten’s sonst nicht glauben, daß es – die ausbedungene Summe wird laut und deutlich genannt – sind!“

Wo der Hahn geschwunden ist, drücken die Gäste ihre Gaben dem Bräutigam beim Abschiede in die Hand, eine Neuerung, die den großen Kösten recht gefährlich geworden ist; denn da Niemand sieht, wie viel jeder männiglich schenkt, so knausert man nach Kräften, und in Folge dessen will nur noch selten Jemand eine große Hochzeit „ausrichten“. Mit der Abnahme der großen Hochzeiten verschwinden aber auch die schönsten Bräuche, zu deren Ausführung eine große Zahl von Theilnehmern unbedingt nöthig ist. Es wird auch im Hansjochenwinkel alles einfacher und glatter unter dem großen Hobel der modernen Kultur.


  1. Vergl. Jahrg. 1883, S. 304.