Achtundvierzig
Siebzig Jahre ist das nun her.
Siebzig Jahre wiegen so schwer.
Schwarz-rot-goldene Fahnen flatterten,
Vater Wrangels[1] Musketen knatterten –
Wie glühten die Herzen! wie glühten die Köpfe!
Kampf! Kampf gegen die Bürgertröpfe,
gegen die nickenden Zipfelmützen –
Klatschen in trübe Fürstenpfützen –
Der große Sieg in den siebziger Jahren
ist uns verdammt in die Krone gefahren.
Die Krone gleißte. Die Bürger krochen.
Die treusten deutschen Herzen pochen
Und dann? Die versprochenen herrlichen Zeiten!
Und dann? Wir wollen gen Frankreich reiten!
Und dann? Wir kämpfen gegen zwei Welten,
Herz und Hirn haben den Deubel zu gelten –
Wofür, mein Gott, hat die Freiheit geblutet?
Wofür wurden Mütter und Mädchen geknutet?
Spartakus! Deutsche! So öffnet die Augen!
Sie warten, euch Blut aus den Adern zu saugen –
Denkt an die Barrikaden im März –!
Wir litten so viel.
Wollen wir nicht endlich Weltbürger werden?
den deutschen Schlemihl!
Varianz
Erstdruck unter dem Pseudonym Kaspar Hauser in: Die Weltbühne, 2. Januar 1919, Nr. 1, S. 20
- 3Schwarz-rot-goldene] Schwarz-rot-goldne
- 24den Adern] den Augen
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Friedrich von Wrangel (1784-1877), preußischer Generalfeldmarschall