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Abenteuer mit einem Bienenschwarm

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Walther Kabel
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Titel: Abenteuer mit einem Bienenschwarm
Untertitel:
aus: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1910, Achter Band, Seite 232–234
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1910
Verlag: Union Deutsche Verlagsgesellschaft
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Erscheinungsort: Stuttgart, Berlin, Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
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Bearbeitungsstand
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[232] Abenteuer mit einem Bienenschwarm. – Ein Briefbote, der sich nach Erledigung seines Dienstes an einem gewitterschwülen Sommernachmittag ermüdet auf einem baumlosen Hügel in der Lüneburger Heide zum Ausruhen hingestreckt hatte und dann fest eingeschlafen war, erwachte plötzlich durch einen starken Juckreiz im Gesicht, über das er zum Schutz gegen die Sonnenstrahlen seine Mütze gelegt hatte. Als er mit [233] der Hand noch ganz schlaftrunken die Mütze beiseite schob, wurde er von einem Insekt, das sich bei näherem Hinsehen als eine Biene entpuppte, in den Zeigefinger gestochen. Durch den Schmerz des Stiches völlig ermuntert, wollte er sich schon zu sitzender Stellung aufrichten, hob aber zunächst zu seinem Glück nur etwas den Kopf und schaute auf seine Beine herab, von denen ihm das rechte, welches er zu gebeugter Lage hochgezogen hatte, mit einem fremden Gegenstande beschwert zu sein schien.

Mit Entsetzen bemerkte er, daß sich auf seinem rechten Knie ein ganzer Bienenschwarm niedergelassen hatte und in einer großen Traube fast bis zum Erdboden herabhing. Das schwärmende Bienenvolk hatte eben diese höchste Erhebung in der Umgebung seiner Gewohnheit gemäß zum vorläufigen Ruhepunkt erkoren.

Die Lage des Mannes konnte kaum übler sein. Er wußte genau, daß die geringste Bewegung von ihm die Bienen aufscheuchen mußte, die dann sicher über ihn hergefallen wären. Daher verhielt er sich zunächst längere Zeit völlig still und überlegte, wie er sich ohne Gefahr für sein Leben von diesem gefährlichen Besuch am besten befreien könnte.

Endlich hatte er sich zu einem Entschluß durchgerungen, und die Art, wie er die stachelbewehrte Nachbarschaft loswurde, stellt seiner Geistesgegenwart das beste Zeugnis aus. Da er wußte, daß die Bienen mit Rauch leicht zu vertreiben sind, und auch ein leiser Wind von rechts herüberwehte, nahm er zuerst aus seiner Jaketttasche, indem er den rechten Arm nur immer millimeterweise mit größter Vorsicht bewegte, einige Phosphorzündhölzchen heraus und legte sie möglichst weit entfernt von sich auf den Boden. Dann begann er mit derselben Behutsamkeit und stets unter Vermeidung jeder Erschütterung seines Körpers langsam das trockene Gras, so weit er mit der rechten Hand reichen konnte, auszurupfen und zu einem Haufen aufzuschichten. Doch oft genug mußte er bei dieser Arbeit innehalten, da die argwöhnischen Bienen lebhafter hin und her flogen und das Anwachsen des Grashaufens in ihrer Nähe mißtrauisch zu beobachten schienen.

[234] Erst nach einer endlosen Stunde hielt er die Menge des Brennmaterials für seine Zwecke genügend. Oben auf den Haufen legte er nun noch grüne Heidekrautbüschel, die viel Rauch entwickeln mußten, und schließlich glückte es ihm dann auch nach mehreren vergeblichen Versuchen, eines der Streichhölzer an einem im Bereiche seiner Hand liegenden Stein anzuzünden. Sofort flammte das ausgedorrte Gras lichterloh auf, und das Heidekraut verbreitete, ganz wie er erwartet hatte, einen beißenden, dichten Qualm, den der Wind gerade auf die Bienentraube hinwehte. Vor der Hitze und dem Rauch flüchtete der Schwarm sehr bald, doch sollte der Briefbote nicht ohne erhebliche Verletzungen aus diesem seltsamen Abenteuer hervorgehen, denn seine Beinkleider waren bei der Nähe des Feuers ins Glimmen geraten, so daß ihm das rechte Bein an verschiedenen Stellen schwer verbrannt wurde.

W. K.