Zum Inhalt springen

ADB:Zinzendorf, Ludwig Friedrich Julius Graf von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Zinzendorf, Ludwig Friedrich Julius Graf von“ von Franz von Krones in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 353–356, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zinzendorf,_Ludwig_Friedrich_Julius_Graf_von&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:32 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 45 (1900), S. 353–356 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Ludwig von Zinzendorf in der Wikipedia
Ludwig von Zinzendorf in Wikidata
GND-Nummer 101847629
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|45|353|356|Zinzendorf, Ludwig Friedrich Julius Graf von|Franz von Krones|ADB:Zinzendorf, Ludwig Friedrich Julius Graf von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=101847629}}    

Zinzendorf: Ludwig Friedrich Julius Graf v. Z., österreichischer Staatsmann, geboren zu Nürnberg am 23. September 1721, † am 4. October 1780 in Wien; der älteste Sohn des (damals 25jährigen) Grafen Friedrich Christian v. Z. und dessen erster Frau, Dorothea Jul. Amalie geb. Gräfin v. Polheim, und Halbbruder Karl Joh. Christian’s v. Z. (s. oben S. 340). Seine Autobiographie spricht von der „scharfen, andächtigen Jugenderziehung“ im Elternhause, das er 1739 verließ, um als „Cadet“ in sächsische Dienste zu treten. Er verlebte die erste Zeit zu Dresden in Gesellschaft mit seinem jüngeren Bruder Maximilian, unter der Leitung des Hofmeisters Mauville. Bald (mit 18 Jahren) vollzog er den Uebertritt zur katholischen Kirche. Er hatte, wie er selbst schreibt „verschiedene Bücher gelesen, die ihm Zweifel über die von den Reformatoren in den Dogmen eingeführten Neuerungen beibrachten“. Dieser Glaubenswechsel wurde am 22. November 1739 in Dresden vollzogen, was sein Oheim Nicolaus Ludwig Graf v. Z. (s. o.), der „Herrnhuter- oder Brüder-Bischof“, mit einem französisch geschriebenen Briefe zur Kenntniß nahm, sein Neffe solle sich nicht begnügen „de faire la grimace“ sondern „bien être catholique de coeur et d’âme“ und bei seinem Uebertritte keine weltlichen Rücksichten walten lassen. Um so heftiger war der Groll des Vaters, eines kernigen Protestanten. Am 16. Juli 1740 wurde Z. Unterlieutenant in der kursächsischen Leibgarde und begab sich bald darauf zu seinem Großoheim, dem königl. ungar. geheimen Rathe und Gen.-Feldmarschalllieutenant Grafen Ludwig v. Z. (s. o. S. 338) nach Oesterreich, und zwar nach Wien und Brünn, woselbst sein Großoheim Commandant der Festung auf dem Spielberge war. 1742 quittirte er die sächsischen Kriegsdienste und wurde Anwärter des Güternachlasses des mit dem letztgenannten Grafen Ludwig v. Z. erloschenen älteren (Georg Hartmannschen) Zweiges der Karlsbacher Linie seines Hauses. 1744 österreichischer Kammerherr und großjährig geworden, 1745 in die eingeerbte Herrschaft Enzersfeld eingeführt, begab sich Z. nach Frankfurt a. M., im Gefolge des österreichischen Botschafters Graf Khevenhüller. Hier hörte er ein Collegium beim Reichshofrathe Frhr. v. Senckenberg über jus publicum, empfing am 4. October den Ritterschlag vom gekrönten Kaiser Franz I. und kehrte dann nach Wien zurück. 1746 ging der 26jährige Graf nach Leipzig, um von der Universität eine tüchtige Vorbildung für den Eintritt ins österreichische Landrecht (ständisches Landesgericht) zu holen und arbeitete mit eisernem Fleiße als immatriculirter Universitätshörer an vierzehn Stunden des Tages, wie er selbstzufrieden erzählt. Er belegte Natur-, Civil-, Staatsrecht, deutsche Rechtsgeschichte und ein collegium practicum elaboratorium. Als seine akademischen Lehrer bezeichnet er den Romanisten Hommel, den Professor für Staatsrecht und deutsche Reichsgeschichte Hofrath Mascov, Prof. Bauer für Lehenrecht und Gerichtsproceß, Prof. Gottsched für deutschen Stil und Prof. Jöcher für Staatenhistorie. Zum Correpetitor erkor er sich den Magister Aaland. Vergnüglich erschien ihm das Wandern zu den Hörsälen nicht: „Si vous pouviez comprendre combien l’on est honteuse d’aller son livre sous le bras au collège“ schrieb er damals an eine Dame. [354] Er sehnte sich vielmehr nach einer praktischen Wirksamkeit, nach einer Stelle im österreichischen Landrechte. Am 10. April 1747 kehrte er aus Leipzig, – mit dem Vater ausgesöhnt, – nach Wien zurück, und erlangte die Stelle eines „überzähligen“ Beisitzers in der oben genannten Gerichtsstelle, und wurde bald zur Bearbeitung von ständischen Processen herangezogen. – Durch die Fürstin Eszterházy, eine geb. Gräfin Lunati-Visconti, trat Z. 1749 dem Manne einer großen Zukunft, Graf Kaunitz, näher, gerade vor dessen Abgange an den Gesandtschaftsposten in Paris-Versailles, gefiel diesem und folgte ihm bald (September 1750) als Attaché an den Hof von Frankreich. Durch fleißiges Lesen französischer und englischer Schriften über Finanz- und Creditwesen vorgebildet, wie dies sein gleichzeitiger „Essay“ über die Gründung einer Staatsbank bezeugt habe, konnte er um so mehr in Paris heimisch werden und an der „übeln“ Finanzwirthschaft Ludwig’s XV. ein abschreckendes Beispiel studiren. Im October 1751 unternahm Z. eine Reise in die Bretagne. Auch die chronique scandaleuse des französischen Hofes blieb ihm nicht fremd. Er schrieb eine Sammlung von Anekdoten für Kaiser Franz I. zusammen, der ihm dafür seinen Dank brieflich aussprach. Weniger erbaut war er von dem Auftrage des Wiener Hofmannes, Graf Wrbna, bei allen Näherinnen von Paris Muster anzusammeln, nach welchen reiche Stoffe für Frauenkleider angefertigt werden sollten. Graf Rudolf Chotek, damals neben Haugwitz die Seele der Finanzreform Oesterreichs, und weiterhin ein Gegner Zinzendorf’s, begleitete dies Ansinnen mit Worten, die den Auftrag als dringlich bezeichneten. Als Bekannte während seines Aufenthaltes in Paris bezeichnet Graf Z. den Herzog von Chartres (Orleans), dessen Gattin, geb. Prinzessin Conti, den Prinzen Conti und die Mehrzahl des Hofadels. „Seine Geliebte war die Marquise L. B. T., eine nicht schöne, aber mit vielen Kenntnissen begabte Dame, die auch als Schriftstellerin eine Rolle gespielt hat.“ Bald (1753) ging Kaunitz von Frankreich nach Wien ab, um hier Hof- und Staatskanzler zu werden. In Brüssel trennte sich Z. von ihm, reiste nach England und kehrte über Leipzig nach Wien zurück (Sommer 1753). Durch die Ernennung zum ordentlichen Hofrathe bei der damaligen Centralstelle für innere Verwaltung der deutschen und böhmischen Erbländer (Directorium in publicis et cameralibus) und im „Commercien-Directorium“ – für die Handelsangelegenheiten Oesterreichs – wuchs seine amtliche Thätigkeit, doch nicht ohne eine Schattenseite, da ihm sein Präsident, Graf Rudolf Chotek, abgeneigt war. Auch die Mitaufsicht über das Theresianum (savoyische Ritterakademie) dachte man ihm zu. Anfangs des Jahres 1755 wurde er an die Zarin Elisabeth Petrowna abgesendet, um sie anläßlich der Geburt ihres Großneffen, des Großfürsten Paul Petrowitsch zu beglückwünschen, aber zugleich mit geheimen Aufträgen (7. Januar). Er sollte zunächst der Ursache des Mißverständnisses zwischen dem österreichischen Gesandten, Graf Eszterházy, und dem russischen Großkanzler Bestuscheff-Riumin nachspüren, mit dem englischen Botschafter über die gemeinsamen Angelegenheiten Rücksprache nehmen, die einzelnen Schwierigkeiten im Nachbarverhältnisse Rußlands und Oesterreichs ebnen helfen, das Project Dänemarks, Holstein auszutauschen, die künftige Königswahl in Polen u. a. seiner Aufmerksamkeit nicht entgehen lassen; auch die Frage der künftigen Besetzung des russischen Großkanzlerpostens interessirte den Wiener Hof ausgiebig genug. Seinem Berichte an Kaiser Franz I., Gemahl Maria Theresia’s, über die freundschaftliche Gesinnung der Zarin schloß er eine Fülle von Anekdoten aus dem russischen Hofleben bei. Später (31. Mai) erhielt Graf Z. den Auftrag, die Rückreise über Schweden, Kopenhagen und Hannover anzutreten. Zu Kopenhagen ereilte ihn der Auftrag, den zur Cur nach Karlsbad beurlaubten Graf Eszterházy in Petersburg zeitweilig zu ersetzen, wobei es trotz der Einwendungen [355] des bald genesenen Botschafters auch blieb. Damals schrieb ihm Kaunitz (16. September): „Ich glaube nicht, es nothwendig zu haben, Ihnen neuerdings zu erklären, daß ich stets Ihr Bürge (caution) bleibe, wohl aber ist es für mich wichtig, Ihnen ins Gedächtniß zurückzurufen, daß ich Sie liebe“.

Nach der zweiten Rückkunft aus Rußland fühlte sich Graf Z. durch manche Eigenmächtigkeiten und Zurücksetzungen von Seiten des Grafen Chotek gekränkt. Anderseits sah er sich als Kenner des Geld- und Verkehrswesens zu wenig gewürdigt; die Stellung im neu geschaffenen Depositenamte und die Stelle eines Vicepräses bei der Hofcommission für Berg- und Münzwesen konnten ihm nicht genügen. Das Vertrauen, welches er bei Kaunitz genoß, bestärkte ihn in der Hoffnung, Gesandter am britischen Hofe zu werden. In einem Schreiben an Kaunitz vom 21. October 1756 klagt er über die Gegnerschaft Chotek’s und die vielen Vordermänner, welche sein Vorwärtskommen im innern Staatsdienste hemmen. Es dränge ihn dies in die diplomatische Laufbahn. Er wolle vor allem nützlich sein, und England wäre der richtige Boden für seine Thätigkeit. Dazu kam es nicht, denn er blieb seinem bisherigen Berufskreise erhalten und arbeitete fleißig an Vorschlägen, der Geldnoth des Staates abzuhelfen. Nebenher wurde ihm (1757) die Censur des „Wienerischen Diarium“ und der in französischer Sprache aufzulegenden „Wiener Zeitung“ übertragen. Bezeichnend ist die damalige Absicht des Grafen Z., sich mit der einzigen Tochter des Directorial- und Banco-Präsidenten Graf Rudolf v. Chotek, seines bisherigen Widersachers, zu vermählen, was jedoch nicht zu Stande kam. Während seiner „unfreiwilligen Muße“ – denn die Abneigung seines Präsidenten (Chotek) hielt ihn 1758–61 fast von aller Amtsthätigkeit ausgeschlossen – erhielt er (1759) den Auftrag, nach der Eroberung Dresdens durch die Oesterreicher unter Daun das sächsische Kronprinzenpaar dort abzuholen und nach Prag zu geleiten. Außerdem strengte er (1761) – aber ohne Erfolg – den Proceß um das alte Zinzendorf’sche Fideicommiß in Niederösterreich (Karlspach, Waasen, Freidegg, Schönegg, Freienstein und Auhof im Viertel Ober-Wienerwald) gegen Johann Ernst Grafen v. Starhemberg an. Befriedigung gewährte ihm dagegen die Durchführung seines Finanzplanes, die Ernennung zum Präsidenten der ständischen Creditdeputation (25. Mai 1761) und mehr noch die Ernennung zum Leiter jener Finanzhofstelle, die mit der Generalcontrolle der gesammten Geldgebarung des Staates zu thun hatte und allen Buchhaltereien der österreichischen Erbländer vorstand. Seit 1. Januar 1762 begegnen wir ihm als Generalcontrolor der Finanzen und Präsidenten der „Hof-Rechnungskammer“, der frühesten Vorläuferin des österreichischen Staatsrechnungshofes der Gegenwart. Alle grundlegenden Arbeiten für das neue, hochwichtige Amt liefen durch seine Hände. – Seit October 1764 bestellte der Graf (in seinem 43. Lebensjahre) seinen häuslichen Herd, indem er die 20jährige Tochter des Fürsten Josef Adam von Schwarzenberg, Herzogs von Krumau, Maria Anna, zur Frau nahm. Den Grafen Z. beschäftigten im J. 1766 vor allem drei Entwürfe: die gemeinnützigste Verwendung des Rückzahlungsfond für die Staatsschulden, die Anlegung einer Börse und die Gründung einer Staatsbank. Zunächst vollendete er den Plan zu einer „Länderbank“, die auch (August 1767) probeweise genehmigt wurde und ihn zum Präsidenten bekam. Wie viel sich auch Gra† Z. auf diese seine Schöpfung zu gute hielt, so war er doch nicht blind für die Schwierigkeiten, eine „so ungeheure Maschine zu lenken und zu übersehen“, und ebenso wenig für die Schattenseiten ihrer Thätigkeit. Er tröstete sich mit dem Wahlspruche: In magnis voluisse sat est. Verdruß genug bescheerte ihm das Abwehren aller Bemängelungen und Gegnerschaften, die der Hofrechenkammer und Länderbank erwuchsen. Bereits 1764 Commandeur des St. Stefansordens, [356] erhielt Graf Z. 1771 das goldene Vließ. 1773 wurde die Hofrechenkammer als selbständige Centralbehörde aufgehoben und als Rechenkammer – nach niederländischem Muster – der Hofkammer einverleibt. Graf Z. erhielt, nunmehr disponibel geworden, den Titel eines Staats- und Conferenzministers der innern Angelegenheiten mit einem Ruhegehalte von 2000 fl. und ein Capital von 30 000 fl. zur Tilgung seiner im Staatsdienste aufgelaufenen Schulden. In seinem Ruhestande suchte er wiederholt (1776–1780) Frankreichs Süden zur Behebung seiner Kränklichkeit auf. Am 29. August 1780 von Lyon in Wien eingetroffen, verfiel er rasch und sichtlich und starb nach schwerem Leiden am 4. October im Alter von 59 Jahren. Seine einzige Tochter, M. Therese (geboren 1765) ehelichte den Grafen Josef Dietrichstein (1783) und starb schon nach zwei Jahren (1785). Von seinem Vater (Friedr. Christian, † am 15. December 1756) hatte Graf Z. die Fideicommißherrschaften der älteren (Georg Hartmann’schen) Karlsbacher Linie der Zinzendorf: Wasserburg, Karlstetten und Poppel in Niederösterreich geerbt. 1764 erhielt er das ungarische Indigenat (Reichsbürgerschaft).

Gaston Graf v. Pettenegg, Ludwig und Karl, Grafen v. Zinzendorf. Ihre Selbstbiographie, nebst einer kurzen Geschichte des Hauses Zinzendorf. Wien 1879. – v. Hock-Bidermann, Der oe. Staatsrath (1868–1879 erschienen). – A. Wolf, Graf Rud. Chotek, k. k. Staats- u. Conf.-Minister. Sitzb. d. Wiener Akad., hist.-philos. Cl. IX. – Lichtnegel, Gesch. des oe. Controls- u. Rechnungswesens. Wien 1872. – Schwabe v. Waisenfreund, Versuch e. Gesch. d. oe. Staatscredit- u. Schuldenwesens. 1860–66, 2 Thle.