ADB:Zimmermann, Eberhard August Wilhelm
Joh. Christian Z., eines vielseitig gebildeten Mannes, der sich nicht ohne Erfolg in der Dichtkunst versuchte, u. a. auch mit deutschen Alterthümern beschäftigte und 1772 eine „Nachricht von einigen bei Uelzen ausgegrabenen Urnen“ veröffentlichte. Er hatte sich am 22. April 1739 als pastor adj. zu Hannover mit Henriette Charlotte Königs verheirathet und ist am 28. Mai 1783 in Uelzen gestorben. Der Sohn bezog in seinem 17. Jahre die Universität Leyden. Er wollte sich anfangs der Medicin widmen, doch bald ging er gänzlich zum Studium der Naturlehre und der Mathematik über, das er dann bei Joh. Andr. v. Segner in Halle, bei Leonh. Euler in Berlin und bei A. G. Kästner in Göttingen fortsetzte. In der höheren Mathematik hatte er so bedeutende Fortschritte gemacht, daß er an letzterem Orte schon 1765 eine Abhandlung über die Analyse der Curven („Curvarum imbricatarum consideratio analytica“) herausgab. Bereits im Jahre vorher hatte er eine Berufung an das Collegium Carolinum in Braunschweig erhalten, aber wegen seiner Jugend abgelehnt. Als diese bald darauf wiederholt wurde, nahm er sie an, und so wurde er unterm 27. Januar 1766 zum professor ord. matheseos et physices an jener Anstalt ernannt. Er hat hier über reine Mathematik, Naturlehre oder Experimentalphysik, Naturgeschichte und physikalische Geographie Vorlesungen gehalten. Drei Jahre darauf unternahm er eine große wissenschaftliche Reise durch Livland, Rußland, Schweden und Dänemark. Für seine Studien waren derartige Reisen, die er mehrfach machte und für die er von Seiten der Regierung in bereitwilligster Weise Urlaub und mannichfache Unterstützung erhielt, von großer Wichtigkeit. Denn indem er der Naturgeschichte einen höheren Standpunkt und eine allgemeinere Anwendung verschaffen wollte, suchte er Geographie und Handelswissenschaft, Geogenie und Naturwissenschaft zu verbinden und für das praktische Leben nutzbar zu machen. Nur durch eigene Anschauung, durch enge Verbindung mit zahlreichen Gelehrten und Geschäftsmännern, die er auf seinen Reisen gewann, konnte er die Erfahrungen und das Material sammeln, dessen er für seine geographischen, statistischen und handelspolitischen Arbeiten bedurfte. Daneben verfolgte er auch andere enger begrenzte Aufgaben. So unternahm er 1775 eine Reise nach dem Harze, um gewisse Experimente anzustellen, besonders um durch das Barometer die Höhe des Brockens zu bestimmen; noch in demselben Jahre veröffentlichte er die hier gemachten „Beobachtungen“. Im Jahre 1778 reiste er abermals nach dem Harze, um eine Maschine zur Compression des Wassers zu versuchen und dann in Göttingen vorzuführen; 1779 erschien seine Abhandlung „Ueber die Elasticität des Wassers“. Außerdem trieb er zoologische und anthropologische Studien; er schrieb über die Elephanten (1783), über die Verbreitung und Ausartung des Menschengeschlechts (1778) u. A. Im J. 1786 erhielt Z. einen Ruf, als Mitglied der kaiserlich russischen Akademie für das Fach der Naturlehre nach St. Petersburg zu kommen. Er schlug ihn jedoch aus, da der Herzog ihm unterm 13. März 1786 seine Stellung wesentlich verbesserte, den Hofrathstitel zusagte, den er unterm 22. Juni d. J. erhielt, und für eine große Reise Urlaub und reiche Geldunterstützung gab. Dieses Mal blieb Z. fast zwei Jahre unterwegs; er durchreiste England, Frankreich, Deutschland, [257] die Schweiz und Italien und richtete außer auf die Länderkunde sein Augenmerk hauptsächlich auf die Einrichtung der Akademien und Universitäten. Kaiser Leopold II. nahm seinen Rath wegen der Universitäten in Pisa und Siena und wegen des Museums in Florenz in Anspruch, die Regierung in Neapel wegen der in Apulien entdeckten Salpetergruben. Unterm 19. Februar 1796 wurde Z. von Kaiser Franz II. in den erblichen Adelstand erhoben. Einige Jahre darauf (1800) richtete Z. an den Herzog Karl Wilhelm Ferdinand die Bitte, ihm von seiner Lehrthätigkeit, in der er durch das Fortbleiben der Ausländer und die Verbesserung des Gymnasium Katharineum sehr beschränkt sei, zu entbinden und ihm die Aufsicht über die wissenschaftlichen Anstalten des Herzogthums, besonders die Einrichtung einer guten Medicinalanstalt zu übertragen. Der Geheimrath Mahner, dem diese Arbeiten im Ministerium oblagen, sprach sich mit nicht unberechtigten Gründen dagegen aus, da es vor allem vor der längst erwogenen, aber wegen der allgemeinen politischen Verhältnisse noch verschobenen Umgestaltung der wissenschaftlichen Anstalten des Landes, insbesondere der Verlegung der Universität Helmstedt, unthunlich sei, große Veränderungen mit dem Collegium Carolinum vorzunehmen und eine Stelle, wie Z. sie wünsche, neu zu schaffen. Der Herzog antwortete auf die von Z. nicht gerade sehr tactvoll gestellte und wiederholte Bitte in seiner Weise und erließ ihm, indem er wie Mahner wol nicht ohne Grund Geldbedrängniß als die Hauptursache jenes Anliegens annahm, die Rückzahlung der ihm früher gewährten Vorschüsse. Als im folgenden Jahre der Herzog von Weimar Z. an Mounier’s Stelle die Leitung des Instituts für junge Engländer unter sehr günstigen Bedingungen anbot, schwankte er, ließ sich dann aber durch das große Entgegenkommen, das Karl Wilhelm Ferdinand ihm bewies, doch bewegen, in Braunschweig zu bleiben. Unterm 11. November 1801 wurde er unter Erhöhung seines Gehalts, um ihm zu seinen litterarischen Arbeiten die nöthige Muße zu verschaffen, von den Geschäften am Collegium Carolinum ganz dispensirt und mit dem Charakter eines geheimen Etatsraths ausgezeichnet. Er lebte nun ganz seinen wissenschaftlichen Arbeiten. Von 1802–13 gab er sein „Taschenbuch der Reisen oder Unterhaltende Darstellung der Entdeckungen des 18. Jahrhunderts“ heraus, worin er in zwölf Jahrgängen in gemeinverständlicher, anziehender Form einen großen Theil des Erdballs behandelte, und wovon dann später (1810–1814) unter dem Titel „Die Erde und ihre Bewohner nach den neuesten Entdeckungen“ in fünf Bänden ein Auszug erschien. Daneben verfolgte Z. auch die politischen Ereignisse der Zeit mit lebhafter Theilnahme und widmete auch ihnen seine Feder. Die Anfänge der französischen Revolution hat er in Paris selbst erlebt; er übersetzte v. Echerny’s „Briefe eines Einwohners von Paris“ (Berlin 1791); die Vergleichung der französischen Staatsumwälzung mit den Ereignissen in Amerika veranlaßte ihn zu einem Werke über „Frankreich und die Freystaaten von Nordamerica“ (Theil I 1795, Theil II 1800). Er ahnte und fürchtete die Folgen, die aus der französischen Revolution für ganz Europa entstehen würden, und suchte nach Kräften auf diese Gefahren hinzuweisen und zu ihrer Bekämpfung aufzufordern. Da es nach seiner conservativen Gesinnung „Pflicht des wahren Aufklärers ist, nicht umzustürzen, sondern zu verbessern“, so strebte er auf eine friedliche Vereinigung der Stände und auf die Errichtung einer Schutzwehr gegen den Umsturz hinzuwirken, „den Völkern aber den hohen Werth der Sicherheit der heutigen Regierungen begreiflich zu machen“. In diesem Sinne verfaßte er die „allen Edlen und Großen Germaniens gewidmete“ Schrift: „Ernste Hinsicht auf sein Vaterland bei Annäherung des Friedens von einem biedern Deutschen“ (Leipzig 1795). So war Z. denn [258] auch ein leidenschaftlicher Gegner von Napoleon’s Gewaltherrschaft und er blieb dem braunschweigischen Fürstenhause, das ihm so viel Wohlwollen erwiesen hatte, auch in den Tagen des Unglücks ein treuer Anhänger. Die Freimüthigkeit, mit der er in der westfälischen Zeit aus seiner Gesinnung kein Hehl machte, hätte ihm leicht gefährlich werden können. Er erlebte noch das Ende der Fremdherrschaft und den zweiten endgültigen Sturz Napoleon’s. Sogleich nach der Rückkehr Herzog Friedrich Wilhelm’s nach Braunschweig gab er die von Heinr. Wilh. v. Bülow verfaßte „Skizze einer Lebensbeschreibung“ dieses Fürsten in zweiter Auflage mit einer warm geschriebenen Vorrede heraus. Es war das letzte Buch, das er veröffentlichen sollte. Wenige Wochen nach dem Tode Herzog Friedrich Wilhelm’s machte plötzlich in der Nacht vom 3. auf den 4. Juli 1815 ein Nervenschlag seinem Leben ein Ende. Seine Gattin Anna Elisabeth geb. v. Knobloch, die er 1769 oder 1770 heimgeführt hatte, war bereits am 25. Mai 1810 gestorben. Ihn überlebte ein einziger Sohn, J. G. W. v. Z., der in preußische Dienste getreten war, und mit dem das Geschlecht dann erloschen zu sein scheint. – Z. erfreute sich zu seinen Lebzeiten als Gelehrter eines sehr hohen Ansehens; die Akademien zu Göttingen, Bologna und London hatten ihn zum Ehrenmitgliede, die zu St. Petersburg zum wirklichen Mitgliede ernannt. Ist er auch in den Wissenschaften, die er trieb, kein bahnbrechender Geist gewesen, so hat er doch nach Kräften an ihrer Förderung gearbeitet und zu ihrer Verbreitung in weiteren Kreisen nicht unwesentlich beigetragen. Daß er als Lehrer Vorzügliches leistete, beweist das Zeugniß keines Geringeren als K. F. Gauß’, der noch am 15. Juli 1849 in dem Schreiben, mit dem er den Glückwunsch des Carolinums zu seinem 50jährigen Doctorjubiläum beantwortete, mit warmen Worten hervorhob, wie viel er jener Anstalt verdanke, „vor allem aber der väterlichen Freundschaft des edlen, alle seine wissenschaftlichen Bestrebungen auf jede mögliche Weise befördernden Zimmermann“.
Zimmermann: Eberhard August Wilhelm (von) Z., Naturforscher und Geograph, wurde am 17. August 1743 zu Uelzen geboren. Er war der einzige Sohn des dortigen Propstes und Superintendenten- Vgl. Eschenburg, Gesch. d. Collegii Carolini, S. 92. – Brockhaus’ Convers.-Lex. X (1819), 756 f. – Herzogl. Landeshauptarchiv in Wolfenbüttel.