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ADB:Zell, Friedrich Josef

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Artikel „Zell, Friedrich Josef“ von Gottfried Kentenich in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 55 (1910), S. 415–417, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zell,_Friedrich_Josef&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:07 Uhr UTC)
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Zell: Friedrich Josef Z., Politiker, wurde am 17. Juli 1814 zu Trier als Sohn eines königl. Notars geboren. Auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt vorgebildet, bezog er im J. 1833 als Achtzehnjähriger die Universität Heidelberg, um Rechtswissenschaft zu studiren. Wenn wir ihn in späteren Lebensjahren in enger Freundschaft mit Mittermaier verbunden sehen, so dürfen wir wohl annehmen, daß die ersten Bande dieses Verhältnisses sich spannen in den Tagen, wo er den Worten des großen Criminalisten lauschte. Sein Aufenthalt in Heidelberg währte aber nur kurze Zeit. Noch im Jahre 1833 wurde der Besuch der badischen Hochschule den preußischen Unterthanen verboten, und Z. wanderte nach Bonn am Rhein. Nach glänzend bestandenem Staatsexamen ließ er sich in seiner Vaterstadt Trier als Anwalt nieder und erwarb sich bald eine ausgedehnte Praxis, die er jedoch später aufgab, um als Generaladministrator des gräflich v. Kesselstadt’schen Majorates zu fungiren. Seit 1846 gehörte er dem Rathscollegium der Stadt an, und bald nachher wurde er zum Stadtsyndikuos gewählt. Seine reine, lautere Gesinnung, seine für seine Jugend ungewöhnliche Besonnenheit, sein Gerechtigkeitssinn erwarben ihm in kurzer Zeit das Vertrauen der Bürger, sie erklären auch die führende Stellung, die ihm gleich nach dem Ausbruch der Revolution in Trier und den Rheinlanden zufiel. Am 23. März 1848 versammelten sich in Köln die Deputirten von siebzehn rheinischen Städten und faßten unter dem Vorsitz Zell’s eine Resolution, welche für Preußen eine constitutionelle Verfassung forderte, wie sie im wesentlichen nachher von der Krone bewilligt wurde. Unter den Abgeordneten, welche die Adresse nach Berlin überbrachten, befand sich auch Friedrich Zell. Der 8. April führte ihn dann an die Spitze des Trierer Gemeinwesens. Am Tage vorher war es in der Stadt zu einem wüsten Excesse gekommen, in dessen Verfolg der Oberbürgermeister in Urlaub ging. Im Einverständniß mit der königl. Regierung übernahm ein Bürgerausschuß von vier Männern die Verwaltung der Stadt, deren eigentlicher Leiter aber war Z. Am 14. April trat er mit einem Programm für die von der preußischen Staatsregierung auf den 1. Mai angesetzten Wahlen zur Frankfurter Nationalversammlung hervor. Dieses mahnte zur Ruhe und Ordnung, wandte sich gegen den gewaltsamen Umsturz der in den einzelnen Staaten Deutschlands bestehenden Verhältnisse und die Republik und forderte schließlich eine constitutionelle Monarchie und den Uebergang der vorhandenen Zersplitterung Deutschlands in zu viele Einzelstaaten zu einer Einigung nach Stämmen auf dem Wege gesetzmäßiger Entwicklung. So viel Beifall dieses Programm bei dem einsichtigeren Theil der Bürgerschaft fand – die hohe Geistlichkeit, voran der Trierer Bischof, und das Militär schlossen sich ihm durch Unterschrift an –, so wenig befriedigte es die große Masse. Diese erhob [416] vielmehr einen überzeugten Republikaner, den jungen Advocaten Ludwig Simon (s. A. D. B. XXXIV, 377), auf den Schild, und im Wahlkampf unterlag der liberal-conservative Z. seinem radicalen Gegner. Die Trierer Bürgerschaft entsandte Ludwig Simon nach Frankfurt, aber durch das Vertrauen des 4. rheinischen Wahlbezirks, Wittich-Bernkastel, wurde auch Z. in das Parlament berufen. Hier hat er mit Dahlmann, Beseler, Welcker, Waitz, Pfizer, Mittermaier und anderen Capacitäten im dreißiggliedrigen Verfassungsausschuß gesessen. Wie Mittermaier nahm Z. seinen Platz im linken Centrum, das sich Abends im Württemberger Hof traf. So schweigsam Z. im Parlament war, hier kamen der Scharfsinn und die glänzende Redegabe des Sohnes des weinfrohen Mosellandes zu ihrem Recht. Bald war er der eigentliche Leiter des Clubs und damit der Partei. Seine besonnene Haltung erwarb ihm das Vertrauen des Reichsverwesers und seines Ministers v. Gagern. In der schwierigen Lage, in welche die Centralgewalt infolge der Sistirung des Malmöer Waffenstillstandes durch das Parlament gekommen war, finden wir Z. unter den Berathern des Reichsverwesers, und zu den auserlesenen Männern, welche Gagern vor Beginn der öffentlichen Debatte über die Reichsverfassung bei sich zu einer Vorberathung zu versammeln pflegte, gehörte nach Laube’s Bericht gewöhnlich Friedrich Zell vom Württemberger Hof. „Was darüber hinaus nach links lag, das galt für völlig unvereinbar mit den Anschauungen und Absichten der Parlaments-Mehrheit.“ Mit Gagern theilte Z., so gering seine Sympathien für preußische Sitte und Lebensauffassung waren, die Ueberzeugung, daß die Macht und Zukunft Deutschlands auf Preußen beruhe. Aber während Gagern nach der am 21. März erfolgten Ablehnung des Welcker’schen Antrages, der Preußen die erbliche Kaiserwürde übertrug, klar erkannte, daß die Bemühungen des Parlaments gescheitert waren, und infolge dessen zurücktrat, wollte Z. es nicht fassen, daß alles aus sei. Er blieb gleich vielen anderen braven Männern, und nach der Abstimmung vom 27. März ging er mit Simson nach Berlin, um seinem König die deutsche Kaiserkrone anzutragen, er verzagte auch nicht, als dieser ablehnte, er blieb. Von Berlin eilte er an den Rhein, wo es von neuem gährte. Am 8. Mai versammelten sich in Köln die Vertreter von 303 rheinischen Gemeinden. Die Verhandlungen leitete, wie am 23. März des Jahres zuvor, wieder Z. Das Ergebniß war ein Aufruf an das gesammte Volk der Rheinlande und namentlich alle waffenfähigen Männer, durch Collectiverklärungen in kleineren und größeren Kreisen seinen Willen, an der deutschen Reichsverfassung festzuhalten und den Anordnungen der Reichsversammlung Folge zu leisten, auszusprechen. Z. schloß die Versammlung mit einer Aufforderung zur That. Dazu kam es in Rheinland nur vereinzelt (Kinkel), dagegen loderte die Revolution gewaltig in Sachsen empor, am nachhaltigsten in Baden. Die Gesuche der badischen Staatsregierung um militärische Unterstützung beantwortete das Reichsministerium damit, daß es statt der Bataillone zwei Reichscommissäre nach Baden sandte, Christ und Friedrich Z. Sie hatten den Auftrag, im Interesse des Landes, des Reiches und der Reichsverfassung alle nöthigen Maßregeln zu ergreifen, um den verfassungsmäßigen Bestand des Landes herzustellen und den Reichsfrieden zu sichern. Die wichtigste, für eine Reihe Badenser folgenreiche Maßregel, die Z. ergriff, „um den verfassungsmäßigen Bestand des Landes herzustellen“, hat darin bestanden, daß er die zurückgebliebenen Beamten und die Officiere des am 17. Mai in Karlsruhe einrückenden 3. badischen Infanterieregiments bewog, in ihren Aemtern zu bleiben und unter gewissen Cautelen der neuen Regierung den Eid zu leisten. Allein die Hoffnung der Centralgewalt, die badische Bewegung in den Dienst der Durchführung der Reichsverfassung zu [417] stellen, scheiterte, die rothe Partei siegte, und resignirt kehrte Z. nach Frankfurt zurück. Hier war inzwischen der Erlaß Friedrich Wilhelm’s IV. vom 14. Mai eingegangen, der die preußischen Abgeordneten abberief. Auf Anlaß Zell’s fand eine Conferenz fast sämmtlicher noch anwesender Juristen aus Preußen statt, welche fast einstimmig den Beschluß faßte, auszuharren. Aber von dem stolzen Parlament waren nicht viel mehr als 100 Mitglieder übrig. Am 30. Mai beschloß die Majorität, nach Stuttgart überzusiedeln. Unter den Gegnern dieses Beschlusses war auch Z. In den letzten Tagen des Juni finden wir ihn mit den anderen Erbkaiserlichen in Gotha, aber er vermochte sich das Radowitz’sche Programm nicht anzueignen. Bitterkeit im Herzen nahm er im October seine Anwaltsthätigkeit in Trier wieder auf. Wegen seiner Renitenz gegen den Abberufungsbefehl vor die Disciplinarkammer gestellt, wurde er in zwei Instanzen freigesprochen. Seine Anwaltspraxis trat im Laufe der Zeit hinter seine Thätigkeit als Syndikus der Stadt Trier und Verwalter des gräflich Kesselstatt’schen Majorates zurück. Am 24. Juli 1881 ist er gestorben, von seinen Freunden und der Bürgerschaft tief betrauert. Die „Brustbilder aus der Paulskirche“ widmen ihm folgende Charakteristik: „Gediegenes Wissen, fester Sinn und ein Wille, der den Neigungen der Gegenwart nicht bloß schön thun, sondern dem Vaterlande wirklich wohl thun will, sind seine Eigenschaften.“

Nachgelassene Papiere Zell’s im Besitz seiner einzigen in Trier lebenden Tochter. – Neue Heidelberger Jahrbücher 1906.