ADB:Ypermann, Johann
Erscheinungsbild
[609] Mittel des Wunderglaubens. Die instrumentellen Ausziehungsmittel, Zange und Schraube, die uns bildlich überliefert sind, sind eigenartig und weichen in ihrem Bau von allen dem gleichen Zwecke dienenden Instrumenten der Vorgänger und Zeitgenossen Ypermann’s ab.
Ypermann: Johann Y., belgischer Arzt und Vater der flämischen Chirurgie, ist im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts in Ypres (Belgien) geboren, hat am Collège de St. Côme in Paris unter Lanfranchi (der 1295 nach Paris gekommen war und 1306 starb) bis 1303 oder 1304 Medicin studirt, hat sich dann bei Ypres als Arzt niedergelassen, ist 1304 an dem Hospice de Belle angestellt worden und 1318 nach Ypres übergesiedelt. Im Jahre 1325 zog er mit dem kleinen Heere, das Ypres gelegentlich der Fehde der Einwohner von Brügge mit dem Grafen von Flandern stellte, als Militärarzt ins Feld. Sein Tod fällt in die Zeit nach 1329, in welchem Jahre sich zum letzten Male archivalische Rechnungen auf Y. beziehen. Er hat sich während seines verdienstreichen Lebens einen so begründeten Ruf erworben, daß noch heute in Belgien ein hervorragender Arzt als zweiter Ypermann bezeichnet wird. Y. ist Verfasser von vier lateinisch abgefaßten medicinischen Schriften, von denen zwei die Heilmittel, eine die innere Medicin und eine die Chirurgie abhandeln. Die Medicin und die Chirurgie sind nach Abschriften der ins Flämische übersetzten Urschrift, die in der Brüsseler Bibliothek handschriftlich aufbewahrt werden, von Broeckz veröffentlicht worden. Die Chirurgie, das bedeutendere Werk, hat Y. zunächst für seinen s. Z. die Wundheilkunde studirenden Sohn geschrieben. Sie zeigt die große Belesenheit des Verfassers, der sich auf zahlreiche Meister des Alterthums und Mittelalters beruft, ohne sich diesen blindlings anzuschließen. Hervorzuheben ist aus diesem Buche, daß es nicht nur die damals vergessene Aderunterbindung, sondern auch die von Amüssat erst 1825 wieder entdeckte Aderdrehung beschreibt. Für die Behandlung der Geschoßwunden räth Y., die Geschosse – nämlich die Pfeile und Bolzen – schleunig aus den Wunden herauszuziehen; zu dieser Entfernung bedient er sich zwar der von Andern empfohlenen Mittel, aber er übergeht dabei alle die damals noch bräuchlichen- M. C. Broeckz, Annales de l'Acad. archéol. de Belgique T. XX; la chirurgie de maître Jéhan Ypermann u. s. w. 1853; traité de médecine u. s. w. 1867. – H. Frölich, Die Kriegsverletzungen im Mittelalter, in Oesterreich. militärische Zeitschr. 1886. H. 8–10. – A. Hirsch, Biogr. Lexikon VI, 1888. – Haeser, Lehrb. d. Gesch. d. Med. I (1875) S. 769 ff.