ADB:Xaver
Friedrich August II., war am 25. August 1730 zu Dresden geboren. Seine Erziehung wurde durch Franzosen geleitet, die Erfolge des Unterrichts waren ungenügend, sogar das Französische, welches er schrieb, ist voll von Verstößen gegen Stil und Rechtschreibung; für das Soldatenwesen zeigte er entschiedene Neigung und in körperlichen Uebungen erwarb er Gewandtheit. Als 1756 der Siebenjährige Krieg ausbrach begleitete er seinen Vater in das Lager von Struppen, im nächstfolgenden Jahre wohnte er beim österreichischen Heere den Ereignissen des Feldzuges in Böhmen und in Sachsen bei. Am 11. März 1758 schloß sein Vater, der König-Kurfürst, mit der Krone Frankreich einen Subsidienvertrag, auf Grund dessen der Erstere sich verpflichtete zum Kriege gegen Preußen ein Corps von 10 000 Mann zu stellen, dessen Stamm die von König Friedrich II. zwangsweise in das eigene Heer eingereihten, aus letzterem aber massenhaft entwichenen ehemals sächsischen Soldaten, die sogenannten Revertenten, bilden sollten, welche durch das „Sammlungswerk“ ihrer alten Fahne wieder zugeführt waren. Die Errichtung des Corps erfolgte in Ungarn. Im August 1758 langte dasselbe, zu gemeinsamem Handeln mit dem auf dem westlichen Kriegsschauplatze thätigen französischen Heere unter dem Marschall de Contades bestimmt, in der Grafschaft Mark an. Hier übernahm Prinz X., mit dem Range eines Generallieutenants bekleidet, sein Commando und bemühte sich nun zunächst die Truppe, deren Zustand Manches zu wünschen übrig ließ, in eine bessere Verfassung zu bringen; seine Geburt und seine Beziehungen zum französischen Königshause, auf der Verheirathung seiner Schwester mit dem Dauphin beruhend, waren für das Verhältniß, in welches er trat, günstig, aber seine Fähigkeiten waren nicht glänzend, seine alljährliche Entfernung vom Heere während der Wintermonate, die er am Hofe von Versailles zubrachte, sprach nicht dafür, daß seine Dienstpflichten ihm sehr am Herzen lagen; auch entzogen sie den Prinzen diesen Pflichten bei wichtigen Kriegsvorfällen.
Xaver: Franz Xaver, Prinz und Administrator von Sachsen, in Frankreich unter dem Namen Comte de Lusace bekannt, der zweite Sohn des Kurfürsten von Sachsen und Königs von PolenIm Treffen von Lutterberg am 10. October 1758 stand er zum ersten Male vor dem Feinde. Er befehligte die aus zwölf sächsischen Bataillonen bestehende linke Flügelcolonne und trug durch seine Mitwirkung bei der Wegnahme des Großen Staufenbergs wesentlich zu dem unter dem Oberbefehle des Generals Chevert erzielten glücklichen Ausgange des Treffens bei. Xaver’s Winteraufenthalt [579] am französischen Hoflager brachte ihn um die Theilnahme an dem am 13. April ausgefochtenen Treffen von Bergen, am Tage nach demselben traf er bei der Armee ein. Am 19. Juli übernahm sein bisheriger Begleiter, Graf Solms, als Generallieutenant unter dem Oberbefehle des Prinzen das Commando der Truppen. Auf dem Rückzuge nach der am 1. August geschlagenen Schlacht bei Minden, in welcher die Sachsen tapfer gefochten hatten, verlor Prinz X. seine gesammte Bagage. Sammt der sächsischen Kriegscasse fiel sie am 5. dem hessischen General v. Urff in die Hände, die prinzlichen „Equipage-Pferde“ wurden vor englische Kanonen gespannt. Bei Eröffnung des Feldzuges im J. 1760 erhielt Prinz X. das Commando eines bei der französischen Hauptarmee unter dem Herzoge von Broglie gebildeten Reservecorps, aus 25 Bataillonen Infanterie, 20 Schwadronen Cavallerie, 16 Geschützen zusammengesetzt, zu denen noch eine Anzahl leichter Truppen kamen, im ganzen 22 210 Mann. Mit diesen besetzte er unter leichten Gefechten am 31. Juli Kassel, am 5. August Göttingen und blieb, nachdem seine Heeresabtheilung Ende jenes Monats auf 25 000 bis 30 000 Mann angewachsen war, zunächst in jener Gegend stehen, verlegte bei Beginn des Winters sein Hauptquartier nach Eisenach, von wo er zu Anfang des Jahres 1761 eine Vorwärtsbewegung machte, reiste dann aber nach Versailles und entging so der Theilnahme an dem für die sächsischen Truppen unglücklichen Treffen von Langensalza am 15. Februar. Auf die Nachricht davon kehrte er zum Heere zurück, verließ dasselbe jedoch bald wieder um nach Frankfurt zu gehen und übernahm erst Mitte Juni von neuem sein Commando. Als im Herbst die Uebermacht der Franzosen ihre Gegner unter dem Herzoge Ferdinand von Braunschweig fast erdrückte, entsandte Broglie den Prinzen mit 18 000 Mann und schwerem Geschütze am 6. October von Eimbeck zu einem Unternehmen gegen Wolfenbüttel und Braunschweig. X. nahm erstere Stadt am 10. nach kurzer Beschießung durch Capitulation und schickte sich an die letztere am 13. zu bombardiren als Entsatztruppen unter dem Prinzen Friedrich von Braunschweig und dem hannoverschen General Luckner ihn nöthigten von seinem Vorhaben abzustehen und sich zurückzuziehen. Am 16. war er wieder in Gandersheim und für den Feldzug vom Jahre 1762 übernahm er, im Mai aus Versailles beim Heere eingetroffen, von neuem die Führung des aus seinen Sachsen und aus Franzosen bestehenden Reservecorps. Auf dem nämlichen Kampfplatze, auf welchem Prinz X. im J. 1758 zuerst mit dem Feinde in Berührung gekommen war, beschloß er seine kriegerische Laufbahn. Am 23. Juli erlitt er in einem zweiten Treffen bei Lutterberg eine verlustreiche Niederlage.
Nach Friedensschlusse wartete des Prinzen eine ganz andere Thätigkeit. Am 5. Octbr. 1763 starb sein Vater am Schlage, am 17. Decbr. des nämlichen Jahres folgte diesem Xaver’s Bruder Kurfürst Friedrich Christian, welcher einer Erkrankung an den Blattern erlag, und X. übernahm nun mit dem Titel als Administrator für seinen minderjährigen Neffen, den Kurfürsten Friedrich August, die Regierung; seine eigenen Bestrebungen, den polnischen Königsthron zu besteigen, hatten ebensowenig Erfolg gehabt wie ihm später gelang zum Hochmeister des Deutschen Ordens gewählt zu werden. Mit Verständniß und gutem Willen unterzog er sich der von seinen Vorgängern in Angriff genommenen Aufgabe die dem Lande durch den Krieg geschlagenen schweren Wunden zu heilen. Es galt geordnete Verhältnisse herzustellen, die Schulden zu tilgen, Handel und Gewerbe zu fördern, die Landwirthschaft zu heben, das Heer neuzubilden, aber er erlahmte bald in seinen Bestrebungen. Heftig und herrisch, eigensinnig ohne selbständig zu sein, der erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse entbehrend, daneben verleitet durch seine Vorliebe für den Soldatenstand und beeinflußt durch Günstlinge, die meist Ausländer waren, gerieth er in Mißhelligkeiten mit seiner [580] Schwägerin, der Mutter des Kurfürsten, und mit seinen Ministern, der Aufschwung, den die Verhältnisse genommen hatten, gerieth ins Stocken und schließlich wußte der Administrator keinen anderen Ausweg als den, daß er vor der Zeit seinem Amte entsagte. Schon drei Monate vor Ablauf der für die Vormundschaft in Aussicht genommenen Zeit, am 15. September 1768, legte er sein Amt nieder. Im Genusse einer Rente von 70 000 Thalern lebte er nun eine Zeit lang auf Reisen, meist in Italien, wandte sich dann aber nach Frankreich, von wo er alles Heil für Sachsen und für sich erhoffte und unter dem Namen Comte de la Lusace lebte, erwarb Ende 1771 die Herrschaft Chaumot bei Sens, entäußerte sich derselben wieder um im Mai 1775 Pont-sur-Seine bei Troyes für 1 312 000 Francs zu kaufen, trat auch in das Heer, verließ aber Hals über Kopf das Land als die Revolution ausbrach, wurde 1793 als Emigrant seines Besitzes verlustig erklärt, lebte zuerst in Rom, kehrte dann nach Sachsen zurück und starb dort am 21. Juni 1806 auf dem ihm eingeräumten Schlosse Zabeltitz bei Großenhain. Er war seit dem 9. März 1765, zuerst heimlich, mit einer sehr schönen Italienerin, einer früheren Hofdame seiner Mutter, Gräfin Klara Spinucci (geboren am 29. August 1741, † am 22. November 1792) vermählt. Sein einziger Sohn, welcher Chevalier de Saxe und Graf Zabeltitz hieß, fiel 1802 als russischer Officier im Zweikampfe mit einem Fürsten Tscherbatow.
- Pajol, Les guerres sous Louis XV. Paris 1881/88. – Schuster und Francke, Geschichte der Sächsischen Armee. Leipzig 1885. – Flathe, Geschichte des Königreichs Sachsen, II. Gotha 1870. – Des Prinzen in Pont-sur-Seine zurückgelassene „Correspondance inédite“ gab mit einer dürftigen „Notice sur sa vie“ Arsène Thévenot, Paris 1874, heraus.