ADB:Wyttenbach, Daniel (reformierter Theologe)
Wolffianer, geboren am 26. Juni 1706 zu Wormb im Kanton Bern, † am 29. Juni 1779 zu Marburg in Hessen. Unter seines gleichnamigen Vaters, eines Predigers, Aufsicht anfangs herangebildet, wurde er schon 1718 der Berner Hochschule anvertraut, wo er neben der Theologie auch die Schriften der Philosophen Leibniz und Christian Wolff studierte, aus welchen er das Systematisiren erlernte. Als [428] Gehülfe seines Vaters begann er bereits nach der demonstrativen Methode Wolff’s an seiner unter dem Titel: „Tentamen theologiae dogmaticae methodo scientifica pertractatae“ (Frankof. a. M. 1747 und 1749) in 3 Bänden erschienenen rühmlichst bekannten Dogmatik zu arbeiten. Im J. 1735 unternahm er jedoch zu seiner weiteren wissenschaftlichen Ausbildung, vor allem, um Wolff selbst zu hören, eine Reise nach der Universität Marburg. Von da aus besuchte er die sächsischen, hierauf die niederländischen Hochschulen und zuletzt Paris. Nach seiner Rückkehr 1737 sah er sich in seinem Vaterlande nach einer Professur um. Da ihm keine sich darbot, wurde er wieder Adjunct bei seinem Vater, 1740 Diakonus zu Bern. Endlich, 1746 gelang es ihm, die Stelle seines ehemaligen Lehrers Joh. Rud. Salchlin zu Bern zu erhalten. Zehn Jahre bekleidete er diese Professur der polemischen Theologie. Obengenannte Schrift hatte ihn bereits in der ganzen damaligen Gelehrtenwelt als einen ausgezeichneten Theologen bekannt gemacht. Der reformirte Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel, der nach dem Abfalle des Erbprinzen, des nachherigen Landgrafen Friedrich II. zur römischen Kirche sich nach tüchtigen Theologen seines Bekenntnisses zur Stütze desselben umsah, berief W. 1756 nach Marburg zum Professor der Theologie, Consistorialrath und Inspector der reformirten Kirchen und Schulen des Oberfürstenthums Hessen. Mit größten Ehren empfing man W. hier und ertheilte ihm bald nach seiner Ankunft die theologische Doctorwürde. Die Universität Marburg stand gerade im Zenith ihrer Blüthe. Die Erwartungen, welche man sich von W. hier gemacht, erfüllten sich nicht, so daß man im Scherze äußerte, der echte W. sei auf der Post ausgetauscht worden. Trotz reicher Kenntnisse, treuer Berufsarbeit und größter Uneigennützigkeit in seinen Aemtern bewegte er sich doch zu wenig frei. Seine Schwerfälligkeit im Vortrage, wie auch in geschäftlichen Dingen, nahm ihm die Möglichkeit, sich Geltung zu verschaffen. Bei seiner angeborenen Schüchternheit zog er sich daher bald mißtrauisch von allem Umgange zurück, ohne jedoch in Misanthropie zu fallen. Nach wie vor gedachte er reichlich der Armen. Obwohl wohlhabend, kannte er doch wenig Bedürfnisse und kleidete sich höchst schlicht. Originell war sein Verfahren gegen fleißige wie unfleißige Zuhörer. Von ersteren nahm er kein Honorar an, von letzteren dagegen für jede versäumte Stunde einen Gutengroschen. Im J. 1770 resignirte er auf die ihm lästige Consistorial- und Inspectorstelle, um sich ungehindert der akademischen Thätigkeit widmen zu können. Von seinen vier hinterlassenen Kindern hat sich sein Sohn Daniel, Professor der Philologie zu Amsterdam und Leiden, einen unsterblichen Namen erworben (s. u.).
Wyttenbach: Daniel W., reformirter Theologe undDer Schwerpunkt der Wirksamkeit Wyttenbach’s liegt in seiner litterarischen Thätigkeit. Seine Schriften waren seiner Zeit sehr beliebt, vorzüglich fanden seine Compendien vielen Beifall bei den Studenten der Theologie. Er vertritt in denselben noch voll das orthodox-reformirte Dogma, selbst inbetreff der Praedestinationslehre finden wir ihn im Einklange mit den reformirten Dogmatikem früherer Zeit. Nur hie und da finden sich Modificationen der kirchlichen Lehre, namentlich in der Darlegung des Verhältnisses der göttlichen Wirksamkeit zur Wirksamkeit der sog. causae secundae oder endlichen Ursachen. Die Theologie theilt er nach Wolff ein in eine naturalis und revelata, die erstere ist die Einleitung zur letzteren. In jener ist er ganz von seinem Lehrer abhängig. Als Theologe huldigte er noch der Foederaltheologie des Coccejus, welche er aber nach „scientistischer Methode“, wie man dieselbe nannte, neu darzustellen suchte. Zu den Lutheranern nahm er eine sehr irenische Stellung ein. Er nannte sie „unsere Brüder von der Augsburger Confession“, und stand mit vielen derselben in lebhafter Correspondenz, sogar mit dem Senior des Frankfurter Ministeriums, Johann Philipp Fresenius (A. D. B. VII, 353).
[429] Außer seiner oben genannten bekanntesten Schrift nennen wir noch als einen kurzen Begriff derselben sein „Compendium theologiae dogmaticae“ (Frankof. 1754). Ferner „Elementa hermeneuticae sacrae eo, quo in scientiis fieri debet modo proposita“ (Marburg 1760); „Sciagraphia theologiae didacticae in usus academicos concinnata“ (Marburg 1768); „Die Vortheile der Reformation für die Römischen, als Beweis, daß sie deswegen die Reformation nicht für böse halten, daher keinen Haß gegen Protestanten hegen und äußern sollten. Dabey die Pflichten der Protestanten gegen die Römischen und jener gegen einander. auch gegen den Lehrstand, desgleichen gegen die Secten angedrungen werden“ (Marburg 1779).
- Strieder, Hess. Gel. und Schriftstellergesch. 17. Bd., wo zugleich sämmtliche Schriften von W. aufgeführt werden. – L. Wachler, Dr. W. Münscher’s Lebensbeschreibung. Frankf. 1817. – H. Heppe, Gesch. d. theol. Facultät zu Marburg. Marb. 1873. – J. Chr. Bang, Elogium D. Dan. Wyttenbachii. Bern 1781. – Curtius, Memoria D. Wyttenb. Marb. 1779. – J. Chr. Strodtmann, Gesch. jetztleb. Gelehrten. 12. Th,. Zelle 1747. – Bouginé. – Meusel.