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ADB:Wrisberg, Christoph von

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Artikel „Wrisberg, Christoph von“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 556–558, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wrisberg,_Christoph_von&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 06:28 Uhr UTC)
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Wrisberg *): Christoph von W., einer der bedeutendsten norddeutschen Söldnerführer der Zeit, wurde um das Jahr 1510 geboren. Er entstammte einem hildesheimschen Adelsgeschlechte; sein Vater, Ernst v. W., starb am 3. April 1530, seine Mutter Katharine war eine geborene v. Zerßen; der Ehe waren acht Söhne und eine Tochter entsprossen. In die Kriegskunst wurde Christoph von seinem älteren Bruder Lubbert eingeführt, der in der Schlacht bei Soltau Herzog Wilhelm zu Braunschweig und Lüneburg gefangen genommen hatte. Der erste Feldzug, an dem er sich 1532 betheiligte, ging gegen die Türken; schon in dieser Zeit gewann er Bekanntschaft am kaiserlichen Hofe zu Wien. Dann trat er in den Dienst des Königs von Dänemark; auch in dieser Stellung, über die wir nicht genauer unterrichtet sind, führte er Kriegsvolk nach Oesterreich. Im J. 1539 scheint er in die Heimath nach Brunkensen zurückgekehrt und bald mit Ursula von Lauenburg, geb. v. Falkenberg, die das benachbarte Schloß Hohenbüchen von Braunschweig-Wolfenbüttel in Pfandbesitz hatte, in Streit gerathen zu sein, der sich mit Claus von Mandelsloh fortsetzte, als jene an diesen ihre Rechte abgetreten hatte. Als im folgenden Jahre (Juli 1540) eine gewaltige Feuersbrunst einen großen Theil der Stadt Einbeck zerstörte, wurden W., Claus von Mandelsloh und Christoph von Oberg von dem Hohenbüchener Vogte Heinrich Diek, allerdings durch ein unter Folterqualen erpreßtes, nachher widerrufenes Zeugniß, beschuldigt, ihn auf Anstiften Herzog Heinrich’s d. J. zu Braunschweig und Lüneburg zu der Brandstiftung gedungen zu haben. Der Herzog wie die Adligen protestirten auf das heftigste gegen diesen Vorwurf, W. und Oberg durch eine Erklärung vom 8. Januar 1542. Völlige Klarheit über den Ursprung des Brandes wird sich wol schwerlich je gewinnen lassen. Inzwischen war Claus von Mandelsloh gestorben; mit seinem Sohne Veit schloß W. einen Vertrag, in dem dieser ihm Hohenbüchen überließ. Doch gestand Herzog Heinrich d. J. ihm diesen Besitz ebenso wenig zu, wie den von Coppengrave, das er als heimgefallenes Lehen der Herrschaft Homburg für sich in Anspruch nahm, während die Wrisberg, wie vorher die v. Rauschenplat es lange vorher von den Herzögen von Braunschweig-Celle zu Lehen erhalten haben wollten. Schon seit 1540 war deshalb zwischen Braunschweig-Celle und W. einer- und Braunschweig-Wolfenbüttel andererseits beim Reichskammergerichte ein Proceß anhängig. Trotzdem setzte sich Herzog Heinrich mit Gewalt in Besitz beider Güter. – Im J. 1544 warb W. für König Heinrich VIII. von England 1400 Reiter gegen König Franz I. von Frankreich und führte sie in das Lager von Boulogne. Im folgenden Jahre wurden die englischen Verbindungen abgebrochen und W. trat zu Worms, wo er im Frühling weilte, zu dem Kriegsrathe Fr. Speth in Beziehung, der im geheimen für den Herzog Heinrich d. J. Truppen zusammen zu bringen suchte. Der Zweck von Speth’s Werbung blieb W. verborgen; man gab vor, daß das Heer für den König von Frankreich oder den Kurfürsten von der Pfalz und dessen Verwandte gesammelt werde. Wie weit die Verhandlungen gediehen waren, wissen wir nicht. Als Landgraf Philipp von Hessen ihn auf der Heimreise in Gießen fragte, erklärte er frei zu sein. Nachdem dem Landgrafen aber ein W. belastendes Schreiben in die Hände gefallen war, ließ er ihn in Hohenbüchen, das ihm inzwischen wieder eingeräumt war, aufheben, dann aber auf seinen in Kassel geleisteten Eid, daß ihm zum Dienste für Frankreich und nicht gegen die protestantischen Stände Anerbietungen gemacht seien, wieder ziehen. Er ging nach Worms und versprach hier am 6. Juli 1545 ein ansehnliches Heer im Stifte Bremen aufzustellen. Nachdem mit diesem Hadeln verheert war, traf gegen Mitte September Heinrich d. J. [557] bei ihm ein. Von Otterndorf aus sandte W. am 11. September an den Landgrafen von Hessen einen Absagebrief und am 17. d. M. trat er förmlich in die Dienste des Herzogs. Mit ihm zog er durch das Lüneburgische nach Süden, um das von den Schmalkaldischen besetzte Fürstenthum Braunschweig-Wolfenbüttel zurückzugewinnen. Braunschweig ward ohne Erfolg zum Abfalle von dem schmalkaldischen Bunde aufgefordert, Wolfenbüttel vergeblich belagert. Als die Hessen und Sachsen zum Entsatze heranrückten, zog Heinrich ihnen entgegen, ward aber bei Höckelheim gänzlich geschlagen und mußte sich selbst den Gegnern ergeben. W. entkam durch die Flucht; mit Unrecht schrieb der Herzog später ihm, der von dem Treffen abgerathen hatte, die Schuld an dem Unglücke zu. Im Spätherbste des folgenden Jahres trat W. in kaiserliche Dienste und führte durch Westfalen die von ihm gesammelte Mannschaft dem kaiserlichen Heere vor Bremen zu, bei dem er im Februar 1547 eintraf. Nach dem Tode des Grafen Jobst v. Gröningen († März 1547) erhielt er den Oberbefehl und hob zeitweise die Belagerung der Stadt auf, die dann aber nach dem Eintreffen Herzog Erich’s von Braunschweig-Calenberg von neuem begonnen wurde. Als aber in des Letzteren Gebiet Albrecht von Mansfeld mit Hülfsvölkern der Städte und der Sachsen einfiel, zogen Herzog Erich und W. ihm entgegen, jener auf dem rechten, dieser auf dem linken Ufer der Weser. Doch gelang es Albrecht den Herzog, ehe er sich mit W. vereinigen konnte, am 24. Mai bei Drakenburg, nördlich von Nienburg, anzugreifen und in die Flucht zu schlagen. Als W. die Weser überschritten hatte, fand er Erich’s Heer schon in völliger Auflösung. Er warf sich nun auf das schwach besetzte Lager Albrecht’s, in dem eine reiche Kriegscasse und die erpreßten Brandschatzungsgelder in seine Hand fielen. Der Spottvers der Mansfelder:

„Wir han das Feld,
Wrisberg das Geld,
Wir han das Land,
Er hat die Schand.“

war die Rache für diesen leicht errungenen Sieg. Erich warf W. vor, er habe durch sein spätes Eintreffen die Niederlage verschuldet, wogegen dieser in einem ausführlichen Bericht zeigte, daß der Fürst selbst die Schuld daran trug, da er zu weit vorausgerückt sei. Um dieselbe Zeit erfolgten auch von Seiten Herzog Heinrich’s d. J., der nach der Schlacht bei Mühlberg in sein Land zurückgekehrt war, heftige Angriffe gegen W. Dieser ließ in Nürnberg durch Vermittlung des Markgrafen Albrecht von Brandenburg unterm 11. Juni 1547 dem Fürsten die Bitte zustellen, ihm Verhör und Antwort zu gestatten, dann im December des Jahres durch einen Notar in Augsburg Verwahrung gegen jene Vorwürfe einlegen. Er wurde auf die Klage bei dem Kaiser verwiesen, bei dem der Herzog ebenfalls gegen W. Beschwerde erhoben hatte. Die Sache kam vor den Reichshofrath, der sie aber durch Decret vom 11. Februar 1549 an das Reichskammergericht verwies. Wiederholt weilte W. in dieser Angelegenheit am kaiserlichen Hoflager, wo er u. a. mit Lazarus v. Schwendi in nähere Bekanntschaft kam. Im J. 1552 nahm W. zum zweiten Male an einem Feldzuge gegen die Türken theil, im folgenden Jahre kämpfte er unter Heinrich’s d. J. Sohne, Philipp Magnus, gegen Herzog Erich und westfälische Bischöfe und Grafen. Dennoch leistete er einer Einladung nach Wolfenbüttel von Seiten Heinrich’s, der seine Dienste gegen den Markgrafen Albrecht von Brandenburg gebrauchen wollte, keine Folge, da er dem Herzoge mißtraute. Dieser wurde hierdurch aufs heftigste gegen W. erzürnt und entsetzte ihn aufs neue seiner Güter Hohenbüchen und Coppengrave, die ihm inzwischen wieder eingeräumt waren. Er machte auch den freilich vergeblichen Versuch ihn auf dem Gute „zur Hufe“ [558] im Ravensbergischen, das ihm durch seine 1554 vollzogene Heirath mit Lucrezia v. Schloen gen. v. Gehlen zugefallen war, aufheben zu lassen. W. begab sich zu dem Herzoge Johann Albrecht von Mecklenburg, der ihm das Haus Kracke pfandweise eingab. Im J. 1558 sollte er abermals dem Kaiser Truppen gegen die Türken zuführen. Aber der Plan kam, da Irrungen mit dem kaiserlichen Kriegsrathe eintraten, nicht zur Ausführung. Mit der schon gesammelten Mannschaft unterstützte er den Erzbischof von Bremen gegen das Land Wursten. Dann entließ er sein Heer. Dennoch wurde er auf der Rückreise von Verden nach Mecklenburg in dem Flecken Wedel im Holsteinschen auf Betrieb Herzog Heinrich’s d. J. durch den holsteinschen Amtmann Hans v. Berner überfallen und auf Schloß Pinneberg festgesetzt. Man beschuldigte ihn, daß er für Frankreich würbe und klagte ihn wegen Landfriedensbruches an. Erst nach neun Monaten wurde er auf kaiserlichen Befehl gegen das Versprechen freigelassen sich binnen Jahresfrist zur Verantwortung gegen die Anklagen der Herzöge Heinrich d. J. und Erich in Wien zu stellen. Auch die Hauptleute Wrisberg’s wurden in Hamburg über ein Jahr festgehalten und erst nach einem Urtheilsspruche der Universität Heidelberg in Freiheit gesetzt. W. folgte der Ladung und ging zum 3. Juni 1558 nach Wien, aber von den Herzögen war kein Vertreter erschienen. Ihrer Klage trat auch König Philipp II. von Spanien bei, weil W. mit seinem Herrn die Niederlande habe überfallen wollen. Der Kaiser wollte die Sache durch Commissare entscheiden lassen, aber die Fürsten ernannten keine Bevollmächtigten. Die Verhandlungen wurden verschleppt, und auch als die Sache an das Reichskammergericht verwiesen war, kam sie nicht vom Flecke. Ohne daß ein Urtheil abgegeben worden war, erreichte der Proceß erst durch den Tod Herzog Heinrich’s d. J. († 1568) ein Ende. Inzwischen hatte W. 1559 an dem Kriege König Friedrich’s II. von Dänemark und Graf Adolf’s von Holstein gegen die Dithmarschen theilgenommen und dabei insbesondere die Belagerung von Meldorf geleitet. Im J. 1563 trat er in den Dienst des Herzogs Wilhelm von Cleve. Einige Jahre darauf (1568) verhandelte er mit Alba zum letzten Male wegen der Uebernahme von Kriegsdiensten; er sollte 1000 Reiter nach den Niederlanden führen und einen Sitz im königlichen Kriegsrathe einnehmen. Aber die Sache kam nicht zum Abschlusse. Seitdem lebte W. ruhig und zurückgezogen zumeist in Brunkensen – das Gut „zur Hufe“ hatte er verkauft – und ist hier auch am 10. October 1580 gestorben. Er wurde in der Stadtkirche zu Alfeld beigesetzt, wo ihm ein stattliches Grabdenkmal errichtet wurde. Hauptsächlich durch seine Processe und die dadurch veranlaßten Reisen war er in sehr schlechte Vermögensverhältnisse gerathen. Seine Erben traten daher die Erbschaft nur cum beneficio inventarii an. Da Wrisberg’s Ehe kinderlos geblieben war, so fiel diese seinen Neffen und seiner Wittwe zu, die anfangs einen Rechtsstreit darüber begannen, dann sich aber zu Ostern 1588 verglichen. Die Wittwe erhielt ein ansehnliches Leibgeding und nahm zu Hildesheim ihren Wohnsitz, wo sie noch einige Jahre verlebte; sie ist dann gleichfalls in Alfeld bestattet worden. W. hinterließ drei natürliche Kinder, zwei Söhne und eine Tochter, die er mit einer Patriciertochter v. Pfeil gezeugt hatte; er hatte sie gut versorgt und auch noch in seinem Testamente bedacht. Das Geschlecht der v. Wrisberg setzte Christoph’s Bruder Ernst fort, der ebenfalls im J. 1580 verstarb; es ist 1712 in den Freiherrnstand erhoben, am 30. August 1764 aber im Mannesstamme erloschen; Name und Wappen gingen auf die Freiherrn Schlitz v. Görtz über.

Vgl. J. J. Losius, Gedächtniß Christoffs v. Wrißberg (Hildesheim 1742). – v. Löhneysen’s Aufsatz im Archiv f. Gesch., Genealogie u. Diplomatik I, 117–124.

[556] *) Zu S. 257.