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ADB:Wrede, Karl Philipp Fürst von

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Artikel „Wrede, Karl Philipp Fürst von“ von Karl Theodor von Heigel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 246–252, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wrede,_Karl_Philipp_F%C3%BCrst_von&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 18:26 Uhr UTC)
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Wrede: Karl Philipp Fürst von W., bairischer Heerführer, geboren zu Heidelberg am 29. April 1767, entstammt einem ursprünglich westfälischen Freiherrngeschlechte; der Großvater kam im Anfang des achtzehnten Jahrhunderts an den Hof des pfälzischen Kurfürsten Karl Philipp; der Vater Ferdinand Joseph war Regierungsrath und Landschreiber in Mannheim. Aus den Jugendjahren Karl Philipp’s hören wir nur, daß er als Reiter, Schütze und Fechter mit den wildesten Renommisten der Alma mater zu Heidelberg wetteiferte. Noch vor Ablauf seiner Studienzeit wurde er, erst achtzehn Jahre alt, zum wirklichen Hofgerichtsrath ernannt; im nächsten Jahre trat er seine Function am Oberamt Heidelberg wirklich an. Da aber die Beschäftigung eines Beamten dem Geschmacke [247] des jungen Mannes durchaus nicht entsprach, war es ihm willkommen, daß er nach Ausbruch des Revolutionskrieges zum Civilcommissär bei dem Corps des österreichischen Feldzeugmeisters Fürsten Hohenlohe ernannt wurde und in dieser Stellung, sowie später als pfälzischer Oberlandescommissär bei der Armee Wurmser’s am ersten Feldzug gegen die französische Republik theilnehmen konnte. Nach dem Friedensschluß in seine Civilstellung zurückgetreten, gerieth er infolge seines herrischen ungestümen Wesens in ernsten Conflict mit seinen Vorgesetzten; nur die Gnade des Kurfürsten bewahrte ihn vor schwerer Strafe. Bei Wiederausbruch des Krieges im Sommer 1799 litt es ihn nicht mehr in der Amtsstube; er organisirte ein pfälzisches Freiwilligencorps und erhielt das Patent eines wirklichen Obersten. Es gebrach ihm gänzlich an den zur Führung kleinerer und größerer Truppentheile erforderlichen Kenntnissen, doch seine Schule wurde der Krieg. Schon bei dem Rückzug der kaiserlichen Armee nach Ulm leistete das Bataillon Wrede’s, das anfänglich an Falstaff’s Rekruten erinnert hatte, von seinem Führer aber unermüdlich gedrillt und eingeübt worden war, gute Dienste; in der unglücklichen Schlacht bei Hohenlinden befehligte Oberst W. die zweite pfalzbairische Brigade. Nach dem Frieden von Lüneville wurde W. ein eifriger Mitarbeiter an der neuen Organisation des bairischen Heerwesens; zur Belohnung dieser Dienste wurde er 1804 zum Generallieutenant ernannt. Im Feldzuge von 1805 befehligte er die Avantgarde. Sein Name wurde im neuen Vaterlande rasch populär, als es ihm glückte, die Oesterreicher aus der Landeshauptstadt zu vertreiben. An der Schlacht bei Austerlitz hatte das bairische Corps keinen Antheil; es erwarb sich aber ein nicht unwichtiges Verdienst durch das glückliche Gefecht bei Iglau. Am Feldzuge von 1806 nahm W. wegen Krankheit nicht theil; erst im März 1807 war er so weit hergestellt, daß er sich an die Spitze der in Polen kämpfenden bairischen Division stellen konnte. Am Siege bei Pultusk (14.–16. Mai 1807) hat er das Hauptverdienst zu beanspruchen. Auf Grund von Aeußerungen Stein’s behauptete E. M. Arndt in einem 1858 veröffentlichten Memoirenfragmente, W. habe gelegentlich seiner Reise nach Polen auf Schloß Oels in Schlesien „nach Art der französischen Marschälle“ das herzogliche Silbergeschirr sich angeeignet. Obwol Arndt vom Assisengericht zu Zweibrücken nach genauer Untersuchung des Falles „wegen Verbreitung falscher, böslicher Anklagen“ zu Geld- und Freiheitsstrafen verurtheilt wurde, ging die scandalöse Notiz in viele Geschichtswerke über und wurde auch im ersten Bande von Treitschke’s Geschichte Deutschlands im neunzehnten Jahrhundert wiederholt. Im zweiten Bande nahm jedoch Treitschke, durch eine Schrift von Adolf Erhard auf den Irrthum aufmerksam gemacht, die nur durch ein Mißverständniß hervorgerufene Anschuldigung zurück. Als ähnliche Klagen über das Verhalten der Baiern in Schlesien schon während des Krieges von dem schwedischen Gesandten in Wien, v. Düben, erhoben wurden, zog W. den Diplomaten zur Verantwortung; ein Zweikampf in Simbach nahm harmlosen Verlauf. Von Gegnern des Generals wurde übrigens behauptet, der ehrgeizige Mann habe den Handel nur vom Zaune gebrochen, um die von Napoleon und Max Joseph an ihn gerichteten schmeichelhaften Briefe in die Oeffentlichkeit zu bringen. Auch im Feldzuge des Jahres 1809 wurde W. durch sein heißes Blut in Ungelegenheiten verstrickt; nur der milden Vermittlung Max Joseph’s gelang es, die zwischen W. und der französischen Kriegsleitung aufgewachsene Spannung unschädlich zu machen. Der geschickten Führung sowie der persönlichen Tapferkeit des bairischen Divisionärs wurde auch von französischer Seite Anerkennung gezollt. Nicht nur in den siegreichen Kämpfen an Inn und Abens leistete er gute Dienste, auch die Operationen in Tirol wurden, obwol sie nicht die Unterwerfung der Aufständischen herbeiführten, in militärischen Kreisen günstiger beurtheilt, als vom großen [248] Publicum, das nur den Mißerfolg der bairischen Waffen ins Auge faßte. Vielleicht hätte der Kampf in Tirol nicht mit so glänzendem Triumph der Landesvertheidiger abgeschlossen, wenn nicht der „Teufel im Blaurock“, wie die Tiroler ihren schneidigsten und schonungslosesten Gegner, General W., nannten, gerade in dem Augenblicke, da Ruhe und Ordnung wieder hergestellt zu sein schienen, auf den Kriegsschauplatz bei Wien abberufen worden wäre. Bei Wagram rettete die Division Wrede’s das Corps Macdonald’s aus gefährlicher Lage. Als W. selbst in der Schlacht verwundet wurde, ließ Napoleon dem als Ersatzmann eintretenden General Minucci sagen: „Er soll commandiren wie Wrede, dann wird er mein ganzes Vertrauen genießen!“ Im Spätherbst 1809 kämpfte W. unter dem Oberbefehl des Generals Drouet Grafen von Erlon wieder in Tirol. Diesmal konnten auch die waghalsigsten Anstrengungen der Bauernführer die überlegenen Streitkräfte der Baiern und Franzosen nicht mehr aufhalten. Am 1. November rückte W. in Innsbruck ein; am folgenden Tage erstürmte er den Berg Isel und zwang Hofer und die Seinen zur Flucht. Die Frage, weshalb der von Napoleon bisher so auffällig bevorzugte, durch Verleihung von einträglichen Lehen und Erhebung zum französischen Reichsgrafen belohnte W. nach dem Feldzuge von 1809 auf die Seite der Gegner der französischen Suprematie trat, ist verschiedenartig beurtheilt worden. Wahrscheinlich war er infolge der Erfahrungen, die er während eines längeren Aufenthaltes in Fontainebleau gesammelt hatte, zur Ueberzeugung gekommen, daß Napoleon auch die Rheinsouveränität der deutschen Rheinbundfürsten nicht mehr lange respectiren werde und daß der Größenwahn des Imperators in absehbarer Zeit den Zusammensturz der stolzen Kaisermacht herbeiführen müsse. Dazu kam, daß Napoleon im russischen Feldzuge eine gewisse Kälte gegen den bairischen General an den Tag legte, ja, nach dem Siege bei Polozk, an welchem doch W. den Löwenantheil beanspruchen konnte, ihm das Kreuz der Ehrenlegion versagte; die Ursache lag in Wrede’s schroffem Verhalten gegenüber den französischen Vorgesetzten; nicht selten waren die Marschälle durch das selbständige, selbstbewußte Auftreten des deutschen Officiers ganz außer Fassung gebracht. Die kecken, weitsehenden Pläne Wrede’s galten ihnen als phantastisch, aber sie hätten ernstere Würdigung verdient, denn früher, als jene Kritiker, hatte W. erkannt, welch gefährliche Wandlung bereits die Lage der großen Armee erfahren hatte, wie dringend es geboten war, durch erhöhte Anstrengungen und kühnere Unternehmungen das schwankende Gleichgewicht wieder herzustellen. Als die Baiern nach furchtbaren Kämpfen unweit Smorgoni auf die große Heerstraße gelangten, sahen sie den unaufhaltsam gegen Wilna sich fortwälzenden Strom der flüchtigen großen Armee; das traurige Beispiel mußte auch auf sie ansteckend wirken, immerhin blieb bei ihnen die Ordnung noch so weit aufrecht, daß ihnen die Ehre, aber auch die furchtbare Verantwortung beschieden war, als Nachtrab die flüchtige Armee zu decken. Die Rücksichtslosigkeit der Franzosen gegen die deutschen Kriegskameraden und wohl auch die Ueberzeugung, daß der Untergang der Truppen mit Eintritt der kalten Jahreszeit unvermeidlich bevorstehe, hatten W. schon im October bewogen, um seine Entlassung nachzusuchen; die Bitte war selbstverständlich nicht berücksichtigt worden; auch ein zweites Gesuch blieb unbeantwortet; erst im Februar 1813, als schon fast das ganze bairische Corps und ein großer Theil der zur Ergänzung nachgeschickten Mannschaft aufgerieben waren, erhielt W. die Erlaubniß, nach Baiern zurückzukehren. Hier leitete er die zur Fortsetzung des Krieges angeordneten Rüstungen mit gewohntem Eifer, wenn auch in ihm längst der Wunsch lebendig war, es möchten diese Waffen lieber gegen den gefährlichsten Feind des Vaterlandes erhoben werden. Mit dem Oberbefehl über das neugebildete Armeecorps betraut, nahm W. am Inn [249] Stellung; er ließ aber weder den König, noch den französischen Gesandten in München, Grafen von Mercy-Argenteau, darüber im Unklaren, daß er allein sich gegen die Oesterreicher nicht behaupten könne, und drang auf schleunige Unterstützung durch das „Observationscorps für Baiern“, das sich in Würzburg sammeln sollte. Trotzdem wurde vom französischen Hauptquartier nichts gethan, um Baiern gegen die Uebermacht Oesterreichs zu schützen. Mercy erklärt in seinen Memoiren, er habe ernstlich befürchtet, daß von Seite Wrede’s ein Abfall, ähnlich demjenigen des Generals York vorbereitet werde, doch die Besorgniß habe sich als unbegründet erwiesen; der bairische Heerführer habe sich erst, als er hierzu von seinem Souverän ermächtigt worden sei, mit dem österreichischen General Frimont in Unterhandlungen eingelassen. Als aber die Annäherung Baierns an die Alliirten am Widerstand des Ministers Montgelas zu scheitern drohte, da war es Wrede’s ebenso entschlossener, wie patriotischer Haltung zu danken, daß schließlich doch jener Vertrag zu Stande kam, der sich als einer der wichtigsten Wendepunkte in der Geschichte Baierns darstellt. W. brach am 6. October von seinem Lager am Inn nach München auf, am 7. früh kam er nach Bogenhausen, wo der König mit Montgelas in dessen Landhaus conferirte. Wrede’s Vorstellungen überwanden die letzten Bedenken, der König genehmigte die Annahme der österreichischen Vorschläge. Sofort stieg der General wieder zu Pferd und ritt nach Ried in Oberösterreich, wo ihn Frimont erwartete; am 8. um 3 Uhr Morgens langte er dort an; wenige Stunden später war der bairisch-österreichische Vertrag unterzeichnet. Die Uebertragung des Oberbefehls über die am Inn stehenden Oesterreicher an W. war ein deutlicher Beweis, daß man am Wiener Hofe zur Befähigung und zum patriotischen Eifer des bairischen Heerführers Vertrauen hatte, doch wurden die drei von W. vorgelegten Operationspläne – u. a. war der etwas abenteuerliche Vorschlag gemacht, mit dem bairisch-österreichischen Corps so rasch wie möglich in Frankreich einzufallen, die Grenzfestungen zu überrumpeln und durch Streifzüge im ganzen Lande Schrecken zu verbreiten –, von Fürst Schwarzenberg verworfen, und W. erhielt die Weisung, zunächst die Mainlinie zu gewinnen und sich zum Meister der Veste Würzburg zu machen, damit im Rücken der französischen Armee eine feste Position gewonnen wäre. W. schlug, um an den Main zu gelangen, nicht die kürzeste Route ein, sondern ließ seine Truppen längs der württembergischen Grenze marschiren; es geschah, um den noch schwankenden König von Württemberg zu zwingen, endlich offen der Verbindung mit Napoleon zu entsagen, vermuthlich aber auch, um den Nachbarstaat die Ueberlegenheit Baierns fühlen zu lassen und der Bildung eines süddeutschen Bundes unter bairischer Führung vorzuarbeiten. Nicht bloß die vom militärischen Standpunkt nicht zu rechtfertigende Abschwenkung nach Westen, sondern auch die Beschießung von Würzburg (24. October 1813) wurde von der fachmännischen Kritik getadelt; nach der Schlacht bei Leipzig sei der Besitz dieses Platzes für die Verbündeten nahezu werthlos gewesen, die zur Beschießung erforderliche Zeit hätte zur Besetzung des Engpasses bei Gelnhausen oder eines anderen günstigen Punktes verwendet werden sollen etc. Jedenfalls handelte aber W. im Sinne des Hauptquartiers; er empfing von Schwarzenberg aus Anlaß der Einnahme von Würzburg überschwänglichen Glückwunsch. Auch muß zu gerechter Beurtheilung der Operationen Wrede’s im Auge behalten werden, daß an ihn, der inzwischen seine Truppen über Aschaffenburg ins Hanauische vorgeschoben hatte, nur unsichere, theilweise sogar unrichtige Nachrichten über die Rückzugslinie Napoleon’s gelangten. Noch am 28. October wurde er von Schwarzenberg aufmerksam gemacht, daß Napoleon höchst wahrscheinlich die Richtung über Hersfeld gegen Wetzlar eingeschlagen habe, um sich hinter die Lahn zu ziehen und dann bei Bonn oder Coblenz den Rhein [250] zu überschreiten. Diese Meldung bewog W., der vom österreichischen Obersten Scheibler überbrachten richtigen Nachricht, daß nicht eine vereinzelte französische Division, sondern der Haupttheil der Armee über Fulda heranrücke, keinen Glauben zu schenken. Erst das Erscheinen der Kaisergarde vor Hanau gab die Gewißheit, daß man Napoleon selbst vor sich habe. „Jetzt ist Nichts mehr zu ändern“, soll W. auf diese Meldung erwidert haben, „wir müssen als brave Soldaten unser Möglichstes thun!“ Nachdem am 28. und 29. October nur einzelne Abtheilungen gefochten hatten, nahm W. am 30., als schon die ganze Armee Napoleon’s herangezogen war, in ungünstiger Stellung den Kampf auf. Er hatte mehr Infanterie als der Kaiser, dagegen verfügte dieser über eine stärkere Artillerie, und hauptsächlich dieser Ueberlegenheit hatte er den Sieg zu danken. Da es dem Kaiser darum zu thun war, den deutschen Boden so rasch wie möglich zu verlassen, wurde von Verfolgung der Baiern und Oesterreicher abgesehen. Dieser Umstand machte möglich, daß in Baiern officiell ein „Sieg bei Hanau“ gefeiert wurde. W. selbst drückte sich bescheidener aus. „Ich habe dem Kaiser“, schrieb er an Minister Rechberg, „so scharf zugesetzt, als es mir möglich war; ein Theil seiner alten Garde ist vernichtet, aber ich mußte angesichts seiner überlegenen Macht und des Mangels an Munition in unseren Reihen die Straße freigeben.“ Napoleon war über die Anmaßung, daß die Truppen seines ehemaligen Bundesgenossen ihm den Rückzug abschneiden wollten, sehr aufgebracht. Als er in Mainz mit Graf Mercy, der erst nach Bekanntwerden des Rieder Vertrags München verlassen hatte, zusammentraf, erging er sich in den härtesten Vorwürfen über Max Joseph und W. „Man hat Sie in München betrogen, das ist unwürdig. Der König von Baiern hat sich einer feigen Verrätherei schuldig gemacht. Uebrigens, es ist der Fußtritt eines Esels, aber der Löwe ist noch nicht todt. Ich kam, um ihnen ihren Wrede todtzuschlagen und über die Leiber der ganzen bairischen Armee hinwegzuziehen. Der König wird mich nächstes Jahr wiedersehen, und er soll sich daran erinnern. Er war ein kleiner Fürst, den ich groß gemacht; es ist ein großer Fürst, den ich klein machen werde.“ Napoleon’s Aeußerung bezog sich auf das damals umlaufende Gerücht, W. sei an der im Kampfe um die Kinzigbrücke erhaltenen Wunde gestorben. Die Verwundung war auch eine sehr gefährliche; nur der Umstand, daß der General seit vierundzwanzig Stunden nichts zu sich genommen hatte, rettete ihn, denn die Kugel glitt an den leeren Eingeweiden vorüber, ohne sie zu beschädigen. Als er genesen war, wetteiferten die Verbündeten Monarchen, den „Tapfersten“, wie Kaiser Alexander eigenhändig schrieb, mit den höchsten Orden auszuzeichuen. W. begab sich, sobald es seine Kräfte erlaubten, wieder zur Armee und betrieb mit leidenschaftlichem Eifer möglichst raschen Vormarsch über den Rhein. Wie in Rußland gegenüber den französischen Marschällen, erlaubte er sich während des Feldzugs in Frankreich gegenüber dem Fürsten v. Schwarzenberg nicht selten ein eigenmächtiges Vorgehen, das mit den Pflichten eines untergeordneten Generals nicht vereinbar war. Er unterhielt regen Briefwechsel mit Blücher und führte bittere Klage über die von Schwarzenberg beliebte Schwerfälligkeit der Operationen. Auf eigene Faust rückte er auf der Straße von Brienne vor; sein rechtzeitiges Eingreifen in die von Blücher angenommene Schlacht (1. Februar) entschied den glänzenden Sieg der Verbündeten; von Blücher und Gneisenau wurde der bedeutsame Antheil der Baiern dankbar anerkannt. Auch bei Bar und Arcis an der Aube fand W. Gelegenheit, sich auszuzeichnen; insbesondere Blücher wußte zu schätzen, daß er an W. einen mit seiner eigenen Auffassung der politischen und militärischen Lage völlig einverstandenen Bundesgenossen hatte, dessen Beistand wiederholt den Sieg über die politischen Bedenken Alexander’s und die Verzagtheit Schwarzenberg’s erringen ließ. Insbesondere durch sein beharrliches [251] Festhalten an der Idee des directen Vormarsches gegen Paris erwarb sich W. ein wichtiges Verdienst, das vom bairischen Kronprinzen Ludwig in einer Ode gefeiert wurde. Nach der Einnahme von Paris nahm W. als Vertreter Baierns an den zur Regelung der Territorialverhältnisse eingeleiteten Unterhandlungeu theil. Die Memoiren des Ministers Montgelas fällen über die diplomatische Wirksamkeit Wrede’s ein sehr strenges Urtheil. Nicht mit Unrecht, denn durch die Heftigkeit Wrede’s, der seine Soldatennatur nie verleugnen konnte, wurde die von ihm vertheidigte Sache nicht selten geschädigt. Dies gilt auch von der Thätigkeit des inzwischen zur Belohnung seiner Dienste zum Fürsten erhobenen W. auf dem Wiener Congreß. Daß nicht dem bewährten Staatsmann Montgelas die Vertretung der bairischen Interessen in der Wiener Hofburg anvertraut wurde, hatte seinen Grund darin, daß sich der König von der Entsendung eines den verbündeten Monarchen sympathischen Kriegsgenossen besondere Vortheile versprach. Allein W. war – darin hat Montgelas unzweifelhaft Recht – nicht der Mann, eine Macht zweiten Ranges zu repräsentiren. Sein Ehrgeiz verführte ihn ohne Noth zur Einmischung in die Händel der Großmächte, und diese Zudringlichkeit hatte, wie gewöhnlich in solchen Fällen, zur Folge, daß bei dem Vergleich alle Schuld dem Zwischenträger zugeschoben wurde. Während W. während des Krieges mit den Preußen in bestem Einvernehmen gestanden und auf ihre Dankbarkeit Anspruch erworben hatte, ließ er sich in Wien von Anfang an durch Metternich gängeln und wurde dessen gefügiges Werkzeug in den wichtigsten Conflicten, ohne zur Belohnung mehr als Zugeständnisse in untergeordneten Fragen zu erreichen. Dagegen wurde von norddeutschen Publicisten und auch von Stein mit Unrecht gegen W. der Vorwurf erhoben, er habe in Wien die Bildung eines neuen Rheinbundes begünstigt. Als Herr v. Gentz ein Bündniß mit Frankreich aus Tapet brachte, sprach sich W. gegen solche Rückwärtsbewegung aus; er betrieb sogar eifrig die Zurückforderung von Elsaß und Lothringen, freilich nur, um einen Theil des an die Rheinpfalz anstoßenden Gebietes zur Entschädigung Baierns für den Verzicht auf Heidelberg und Mannheim zu verlangen. Als die Rückkehr Napoleon’s nach Frankreich die verbündeten Mächte zur Wiederaufnahme des Krieges nöthigte, wurden die bairischen Truppen unter dem Commando Wrede’s mit der Deckung des linken Flügels der Armee Blücher’s beauftragt. „Da ich si uf min linken Flügell weiß,“ schrieb Marschall Vorwärts an W., „so bin ich um meine Flanke unbesorgt, jren siegreichen Degen wird der Feind wohl wieder Empfinden.“ Die Baiern fanden jedoch keine Gelegenheit, an entscheidenden Kämpfen theil zu nehmen.

In den nächstfolgenden Friedensjahren, die ebenso bedeutsam für die innere Entwicklung Baierns, wie die vorhergehenden Kriegsjahre für die äußere Gestaltung, gab der Einfluß Wrede’s in manchen wichtigen Fragen den Ausschlag. Im Verein mit dem Kronprinzen Ludwig gelang es ihm, den allmächtigen Minister Montgelas zu stürzen. Auch Eifersucht mag dabei im Spiele gewesen sein, doch ist die Behauptung Montgelas’, W. sei nur aus niedrigem Egoismus „ein Organ der Verleumder und ein Werkzeug der Feinde des Ministeriums“ geworden, unrichtig und ungerecht. W. gehörte zu der vom Kronprinzen geleiteten Partei, die in der Uebermacht des absolutistischen Ministers eine Gefahr für den Staat und in der Einführung einer Repräsentativverfassung die Rettung erblickte. Nach der Entlassung Montgelas (1. Febr. 1817) kam das Verfassungswerk rasch zu Stande. Der zum ersten Präsidenten der Kammer der Reichsräthe ernannte W. erwies sich durch Schlichtung mancher Zwistigkeiten zwischen Regierung und Kammern als aufrichtiger Volksfreund. Als die Verfassung infolge der Karlsbader Beschlüsse und der unmittelbaren Angriffe Metternich’s mehr denn einmal ernstlich bedroht war, warf W. das ganze Gewicht seiner Autorität [252] zu Gunsten der Verfassungstreue in die Wagschale. Dagegen verfocht er in conservativem Sinne die Integrität der Armee, die durch das Sparprincip der Kammern und – seit 1825 – auch König Ludwig’s I. gefährdet war. Auf den Schauplatz öffentlicher Thätigkeit wurde er – abgesehen von einer erfolglosen diplomatischen Mission nach Petersburg in Sachen der bairischen Ansprüche auf badische Landestheile – nochmals gerufen, als die Nachwirkung des Sieges der französischen Volkspartei in den Julitagen 1830 auch in der bairischen Rheinpfalz zu Tage trat und der Ausbreitung republikanischer Gelüste gesteuert werden mußte. Nach dem Hambacher Feste wurde W., auf dessen Entschlossenheit der König unbedingtes Vertrauen setzte, als „außerordentlicher Hofcommissär“ mit ansehnlicher Truppenmacht nach der Pfalz abgeordnet (26. Juni 1832). Das von Joh. Georg Wirth und Genossen erfundene Schlagwort „Baierns Alba“ ist eine lächerliche Uebertreibung. W. handhabte das polizeiliche Regiment freilich strammer, als die durch ihn ersetzten Civilcommissäre, und schritt gegen lärmende Rädelsführer mit rücksichtsloser Strenge ein, aber er erlaubte sich keine Willkür und seinen Truppen keine Zuchtlosigkeit. In einer Ansprache an die Beamten in Speier erklärte er, daß die Regierung nicht daran denke, die Verfassung anzutasten oder die freisinnigen Einrichtungen umzustürzen, und daß er selbst „für die Verfassung lebe und sterbe“. Schon im August konnte er nach wieder hergestellter Ordnung die Pfalz verlassen. Als König Ludwig 1835 zum Besuche seines Sohnes Otto nach Griechenland reiste, stellte er den Feldmarschall an die Spitze des mit der Leitung der Regierungsgeschäfte betrauten Kronrathes. „Es beruhigt mich“, schrieb der König an W., „bei meiner Abreise die Obhut über mein Reich in Ihre treuen Hände zu legen!“ In seinen letzten Lebensjahren ließ W. sich mit Vorliebe Forst- und Landwirthschaft angelegen sein und suchte die seit 1815 ihm gehörige Herrschaft Ellingen in Mittelfranken zu einem Mustergut zu gestalten. Alljährlich besuchte er das Wildbad Gastein mit günstigem Erfolge. Im Sommer 1838 kehrte er krank aus dem Bade zurück; trotzdem wohnte er den Manövern bei Augsburg bei; mit der Mahnung, an unerbittlicher Strenge im Dienste festzuhalten, nahm er Abschied von Prinz Karl von Baiern, der damals die Uebungen zu leiten hatte. Am 12. December 1838 verschied W., in Heereskreisen aufrichtig betrauert, da er zwar auf stramme Zucht gehalten, aber auch unparteiische Gerechtigkeit geübt und die Interessen von Officieren und Soldaten aufs wärmste vertreten hatte. Er zählt nicht zu den großen Feldherren, aber er war ein umsichtiger und tapferer General, der vollkommene General, wie ihn der schöpferische Feldherr zur Ausführung seiner Pläne braucht; das Lob, daß er mit den zu Gebote stehenden Mitteln fast immer das Mögliche geleistet habe, kann ihm nicht versagt werden.

Völderndorff, Kriegsgeschichte von Bayern unter König Maximilian Joseph (1816). – Riedel, Karl Ph. v. Wrede, Fürst und Feldmarschall (1844). – Tilly und Wrede; zur Feier des 8. October 1844. – Heilmann, Feldzug von 1813. Antheil der Bayern seit dem Rieder Vertrage (1857). – Heilmann, Karl Philipp Fürst von Wrede, bayr. Feldmarschall (1881). – Dörr, Die Schlacht von Hanau (1851). – Röder, Hist. Beiträge zur Schlacht bei Hanau (1863). – Gyßling, Bayern im October 1813 und die Schlacht von Hanau, in d. Allgem. Milit.-Zeitg., Jahrg. 1897, Nr. 55–58.