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ADB:Wolrab, Nicolaus

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Artikel „Wolrab, Nicolaus“ von Karl Steiff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 162–163, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wolrab,_Nicolaus&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 21:33 Uhr UTC)
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Wolrab: Nicolaus W. – so und nicht Wolrabe pflegt sich der Mann selbst zu schreiben – ist der Name eines Druckers und Verlegers, der uns auf vielen und bedeutenden Werken aus dem vierten und fünften Jahrzehnt des sechszehnten Jahrhunderts begegnet. Sohn eines gleichnamigen Leipziger Buchbinders, der aber wol zugleich Buchführer war und 1506 auch Buchdrucker genannt wird, kaufte N. W. 1533 das Bürgerrecht von Leipzig. Es ist möglich, daß er damals schon sein Geschäft errichtete; doch stammen die frühesten Leipziger Drucke mit seinem Namen, die wir gefunden haben, erst aus dem Jahre 1537. Entsprechend der von oben begünstigten Richtung und wol auch seiner eigenen Neigung folgend – er war mit einer Nichte des Joh. Cochläus verheirathet – druckte und verlegte er zunächst viele gegenreformatorische Schriften, unter denen namentlich solche von G. Witzel zu nennen sind. Auch Mich. Vehe’s (kathol.) Gesangbuch erschien in erster Auflage bei ihm 1537. Als aber im J. 1539 die Reformation im Herzogthum Sachsen eingeführt wurde, nahm W., der doch auch später noch sich scharf gegen die Reformatoren äußerte, keinen Anstand, Schriften Luther’s und seiner Anhänger zu drucken. Ja er wurde sogar von der Regierung mit der Herausgabe der neuen Agende, der Apologie und der lutherischen Bibelübersetzung betraut. Der Nachdruck der letzteren trug ihm freilich geharnischte Einsprachen der Reformatoren, vor allem Luther’s ein. Das Druckerzeichen, dessen sich W., wenigstens in der früheren Zeit bediente, zeigt eine reichgekleidete Frau, die in der Rechten ein Crucifix, in der Linken ein aufgeschlagenes Buch hält. Nach der Umschrift stellt es die Braut Christi, d. h. in diesem Falle die Kirche dar. Auf späteren Drucken findet man als Büchermarke die Fortuna, wie sie mit geschwelltem Segel auf einer Muschel fährt. Obgleich sich W. hoher Gunst erfreute, insbesondere von Seiten der Herzogin Katharina, der Gemahlin Herzog Heinrich’s die bald schützend bald fördernd sich seiner kräftig annahm, hatte er doch kein Glück mit seinen Unternehmungen. Daß er durch einige derselben mit den Behörden in Conflict gerieth, war noch das Wenigste, wiewol es ihm einmal, 1539, sogar strenge Haft, ein andermal, 1542, durch Unterdrückung eines von ihm hergestellten Werkes (von J. Schenk’s Homilien) schwere Schädigung brachte. Aber geradezu verhängnißvoll wurde für ihn, daß er, der von vornherein nicht viele Mittel hatte, zu hoch „sich verstieg“, wie er selbst einmal andeutet. Seine Unternehmungen standen in ganz und gar keinem Verhältniß zu seinen Mitteln; sehr bald gerieth er in die Hände von Gläubigern, die z. Th. seinen Leichtsinn zu ihrem Vortheil ausbeuteten, z. Th. aber auch mit ihm ins Verderben gerissen wurden. Daß er bei den Versuchen, sich herauszuhelfen, schließlich zu schwindelhaften Mitteln griff, kann nicht geleugnet werden, während es wol zu weit geht, sein Geschäft überhaupt ein Schwindelgeschäft zu heißen. Das Ende war, daß W. sein Bücherlager und das Eigenthumsrecht an der Druckerei den verschiedenen Gläubigern überlassen mußte und daß er es vorzog, Leipzig den Rücken zu kehren und sein Heil in Frankfurt a. O. zu versuchen. Vielleicht war er schon 1546 dort; Drucke von ihm kennen wir aber erst von 1547 an aus genannter Stadt, auch ist er erst 1547 in die Universitätsmatrikel [163] eingetragen. Die Leipziger Bedrängnisse verfolgen ihn aber auch hierher und so zieht er bald wieder weiter. Zunächst finden wir ihn und zwar schon 1549 wieder in Leipzig, wo er auch wieder druckt bis 1551. Daß er zwischenhinein nach Küstrin gegangen und dort 1550 ein markgräfliches Ausschreiben veröffentlicht hat (Potthast) ist sehr fraglich; wahrscheinlich liegt hier eine Verwechslung von Ausstellungs- und Druckort vor. Dagegen scheint sicher, daß er weiterhin, bis 1555, in Dresden sich aufgehalten hat. Zuletzt gelang es ihm in Bautzen und zwar als dortiger Prototypograph, eine Druckwerkstätte einzurichten. Aus dem Jahre 1556 kennt man den ersten – und einzigen? – dortigen Druck von ihm. (Falsch ist es, wenn bei Grässe u. a. zu lesen ist, er habe schon 1522 die Druckerei in Bautzen eingeführt und unwahrscheinlich ist es nach dem oben Gesagten auch, wenn der Geschichtschreiber der Stadt Bautzen, Böhland, hiefür das Jahr 1552 angibt.) Bald nach 1556 oder noch in diesem Jahre muß W. gestorben sein. Denn 1558 schon finden wir seinen Sohn Johann W. im Besitz des Geschäftes, das nun offenbar wieder eine festere Grundlage gewann. Denn Joh. W. kommt als Bautzener Verleger und Drucker noch 1580 im Meßkatalog vor, an dessen Stelle tritt von 1581 an Michael W. (wol der Enkel des Nikolaus) und erst 1596 verschwindet der Name der Familie aus den genannten Verzeichnissen.

Vgl. Kirchhoff, Die Entwickelung des Buchhandels in Leipzig, 1885, bes. S. 53–66, mit der Berichtigung im Archiv f. Gesch. d. deutschen Buchhandels XII, 1889, S. 303 fg. Vgl. ferner dass. Archiv XI, 1888, S. 224 ff.; XIII, 1890, S. 4, 24. – Geschichte des deutschen Buchhandels, Bd. 1, v. Kapp, 1886 (s. Register). – Widmann, Eine Mainzer Presse der Reformationszeit, 1889 (s. Register). – Potthast, Geschichte der Buchdruckerkunst zu Berlin im Umriß (unvollendet) S. 8 fg.