ADB:Winkelhofer, Sebastian
Johann Michael Sailer, das bis zu Winkelhofer’s Tode dauerte. Nachdem W. zunächst aushülfsweise auch gepredigt hatte, wurde er im J. 1775 ordentlicher Prediger an der untern Stadtpfarrkirche zu St. Moriz in Ingolstadt. Damit war er in das seiner eigenthümlichen Begabung angemessene Arbeitsfeld eingetreten, auf dem er fortan ununterbrochen bis an seinen Tod so erfolgreich und segensreich wirken sollte. Einen während der Jahre seiner Wirksamkeit in Ingolstadt an ihn ergangenen Ruf als Domprediger nach Augsburg lehnte er ab. Dagegen siedelte er mit dem Anfang des Jahres 1789 nach Neuburg an der Donau über, wo er am 18. Januar in der Hofkirche seine erste [433] Predigt hielt. Hier wirkte er bis Anfang 1794, da er als Prediger an die St. Michaels-Hofkirche nach München berufen wurde. An allen drei Orten seiner Wirksamkeit hatte er das Hauptgewicht in seinem Predigtamte darauf gelegt, die Geschichte Jesu Christi in fortlaufenden Predigten zu behandeln. Wie Sailer berichtet, hatte er in Ingolstadt über dieselbe 282, in Neuburg 124 Predigten gehalten; in München aber trug er sie in 494 Predigten vor, bis er im J. 1803 am ersten Sonntag nach Ostern, den 8. April, damit zu Ende kam. Am 22. Mai 1803 begann er die Geschichte und Briefe der Apostel in gleicher Weise fortlaufend homiletisch zu behandeln, bis mit der 107. Predigt dieses Cyclus, die er am 2. November 1806 hielt, sein irdisches Tagewerk unerwartet zu Ende war. Wenige Tage darauf, am 8. November, wurde er am Altare krank, während er die Messe las, und diese letzte Krankheit führte rasch sein Ende herbei. Die Erinnerungsschrift Sailer’s über W. ist das schönste Denkmal ihrer Freundschaft und ehrt beide gleich sehr. Als die Grundzüge von Winkelhofer’s Charakter schildert Sailer die „Lauterkeit, Stille, Einfalt, Liebe, Zuversicht, Milde, Demuth“. Sein Gemüth hatte „den schönen Charakter der lauteren Liebe, das heißt, den Charakter, daß es war – offen zum Lernen, stille zum Prüfen, kindlich zum Glauben, rein zum Hoffen, treu zum Lieben, liebend zum Geben, freudig zum Erfreuen, tapfer zum Handeln, muthig zum Dulden, groß zum Entbehren, selig in Ergebung“. Wie er als Mensch war, und in welcher Weise jedes bedrängte und bedrückte Gemüth bei ihm Trost und Aufrichtung fand, das hat Sailer geschildert, besonders wie er es selbst erfuhr, als er nach seiner ungerechten Entlassung in Dillingen am 6. November 1794 in München bei W. eintraf. Sein Leben stand in vollkommener Harmonie mit seinem Beruf; und wie sehr er mit dem letzteren verwachsen war, sagt Sailer mit den Worten: „Sein ganzes Leben war entweder Predigt, oder Stimmung dazu, entweder Verkündung des göttlichen Wortes, oder Vorbereitung dazu“. Wie gewissenhaft er es nicht nur mit der inhaltlichen Vorbereitung seiner Predigt nahm, sondern wie er auch die deutsche Sprache „mit einem philosophischen Auge“ studirte, um sich immer mehr einen klaren und natürlichen Ausdruck zu eigen zu machen, schildert ebenfalls Sailer, der langjährige vertrauteste Genosse seines Lebens und seiner Studien. „Der Eine ewige Text seiner Predigten“ sagt Sailer, „war und blieb Christus“. Der Charakter seiner Predigtweise, wie ihn derselbe Sailer in seiner Denkschrift am schönsten darstellt und durch Beispiele belegt, war einfach, klar und wahr, ohne Ziererei und Künstelei, nicht aus dem nüchternen Verstande, sondern aus dem warmen, gläubigen Herzen kommend: „Sein Herz predigte, durch den Verstand, im Worte.“ Litterarischen Moden und Zeitströmungen machte er keine Zugeständnisse; mitten unter der Herrschaft der seichten rationalistischen Aufklärung machte er seine Kanzel weder zum Tummelplatz für die Meinungen der herrschenden Philosophie, noch für religiöse Neuerungsgelüste, sondern trug unverändert und unbeirrt die alte Wahrheit des Evangeliums vor. Seinem Wirken fehlte es auch nicht an Segen und Erfolg. Er predigte immer vor einer sehr zahlreichen Zuhörerschaft. Der Tod des einfachen Priesters rief in München eine allgemeine Theilnahme hervor bei Vornehmen und Geringen, die in ihm ihren geistigen Wohlthäter verehrten. Seine Stelle hat W., obwol nicht als Gelehrter in der Litteratur glänzend, neben Sailer unter den ehrwürdigen Männern, die auch in der Periode des Rationalismus in der katholischen Kirche Deutschlands ein lebendiges und warmes katholisches Christenthum wach erhalten haben. – Aus Winkelhofer’s Nachlaß gab Sailer mehrere Bände von dessen Predigten heraus, zuerst die „Reden über die Bergpredigt unsers Herrn Jesu Christi“ (München 1809, 2. Aufl. 1812). Es [434] folgten mehrere Sammlungen „Vermischte Predigten“, zusammen sieben Bände, die zum Theil auch specielle Titel haben („Predigten über die Apostelgeschichte“; „Predigten auf die Feste der seligsten Jungfrau Maria und der übrigen Heiligen“; u. a., München 1814–1836), die ersten Bände ebenfalls von Sailer, die folgenden von Riederer herausgegeben. Anderes erschien noch außerhalb dieser Sammlung: „Zusammenhängende Predigten über die christliche Gerechtigkeit“, 6 Bände (München 1833–1842). „Zusammenhängende Predigten über das ganze apostolische Glaubensbekenntniß“, 3 Bände (Regensburg 1839–1841). „Anleitung zum himmlischen Vaterlande“, herausgeg. von Hauber (4. Aufl. München 1830). „Fest- und Gelegenheitspredigten“ (Augsburg 1846).
Winkelhofer: Sebastian W., katholischer Theologe, geboren zu Munzing im Bisthum Passau am 18. Januar 1743, † in München am 18. November 1806. Den Schulunterricht empfing er im Kloster Aldersbach, später im Gymnasium zu Landshut. Am 31. October 1759 trat er zu Landsberg in das Noviciat der Jesuiten ein. Nach zwei Jahren wurde er zum Studium der Philosophie, sowie der griechischen und hebräischen Sprache nach Ingolstadt gesandt. Nach Vollendung dieses dreijährigen Studiums wurde er zwei Jahre in Dillingen, ein Jahr in Ellwangen und ein Jahr in München als Gymnasiallehrer verwendet. 1768 kam er zum zweiten Mal an die Universität Ingolstadt, um während vier Jahren Theologie zu studiren. Mit Eifer betrieb er hier besonders das Studium des Hebräischen, überhaupt das Bibelstudium, auch das Studium der griechischen Väter. 1772 empfing er die Priesterweihe. 1773 übernahm er nach der Aufhebung des Ordens das Amt eines Präses und Exhortators bei der bürgerlichen Congregation S. Mariae de victoria in Ingolstadt. In dieser Zeit beginnt das innige Freundschaftsverhältniß Winkelhofer’s mit dem damals in Ingolstadt studirenden- J. M. Sailer, Winkelhofer, der Mensch und der Prediger. Ein Andenken für seine Freunde, München 1808; 2. Aufl. 1809; in Sailer’s Werken Bd. 21, S. 183–314. – Clem. A. Baader, Lexikon verstorbener Baierischer Schriftsteller des 18. und 19. Jahrh., Bd. II, 2 (1825), S. 232–234. – Christoph v. Schmid, Erinnerungen aus meinem Leben, Bd. II (1853), S. 63–67. – De Backer, Bibliothèque de écrivains de la Compagnie de Jésus, VI. série (1861), p. 794 s. – Nachbildung von Winkelhofer’s Silhouette vor der Einzelausgabe der Schrift Sailer’s.