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ADB:Wilhelm (Herzog von Lüneburg)

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Artikel „Wilhelm von Lüneburg“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 727–729, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wilhelm_(Herzog_von_L%C3%BCneburg)&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 06:45 Uhr UTC)
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Wilhelm von Lüneburg, der vierte Sohn Herzog Heinrich’s des Löwen aus seiner zweiten Ehe mit Mathilde, der Tochter König Heinrich’s von England, wurde um das Ende des Monats Juli 1184 zu Winchester in England geboren, wo Herzog Heinrich nach seinem Sturze (1181) damals die Zeit seiner ersten Verbannung zubrachte. Im October 1185 kehrte die Familie nach Deutschland zurück. Als Heinrich dann bei Antritt des Kreuzzuges Kaiser Friedrich’s I. im Frühjahr 1189 abermals auf drei Jahre die Heimath meiden mußte und mit seinem ältesten Sohne Heinrich zu seinem Schwiegervater ging, scheint der kleine W. mit der Mutter, die die Landesverwaltung während der Abwesenheit ihres Gatten führte, aber schon am 28. Juni des ersten Jahres verstarb, in Braunschweig zurückgeblieben zu sein. Bei der endlichen Aussöhnung Kaiser Heinrich’s mit dem alternden Löwen, die 1194 zu Tilleda erfolgte, wurden die beiden jüngeren Söhne des Herzogs, Otto und W., dem Kaiser als Geiseln für die Ausbezahlung der Geldsumme gegeben, die für die Freilassung ihres Oheims Richard Löwenherz von England ausbedungen worden war. Der Kaiser überlieferte W. dem Herzoge Leopold von Oesterreich, der ihn, im Turniere schwer mit dem Pferde gestürzt, dicht vor seinem Tode (31. Dec. 1194) dem Könige Andreas von Ungarn übergab, damit dieser ihn zu seinem Vater zurückgeleiten möchte. Als der Kaiser davon erfuhr, hintertrieb er die Ausführung dieser Absicht; bei dem Tode des Vaters († am 6. Aug. 1195) war W. noch in der Gewalt des Kaisers, aus der er erst nach dessen Abscheiden († am 28. Sept. 1197) frei geworden zu sein scheint. Die Verwaltung des Erbes des Vaters war anfangs von Seiten der drei Brüder eine gemeinschaftliche; doch trat W. natürlich gegen die beiden älteren, Heinrich und Otto, sehr in den Hintergrund. Im J. 1200 begleitete W. Heinrich nach England, um dort die Ansprüche ihres Bruders Otto auf die großen Summen geltend zu machen, die Richard diesem testamentarisch vermacht hatte, vielleicht auch um mit König Johann über den Frieden zu Goleton zu verhandeln, in dem er dem Könige Philipp August von Frankreich gelobt hatte, seinen Neffen Otto nicht weiter zu unterstützen. Auf diese Verpflichtung sich berufend verweigerte Johann die Auszahlung jenes Vermächtnisses, und die Brüder mußten unverrichteter Sache wieder abziehen. Um den Anfang des folgenden Jahres ertheilten sie ihre Zustimmung dazu, daß ihr Bruder König Otto am 3. Februar 1201 in Weißenburg die welfischen Besitzungen in Engern und Westfalen an den Erzbischof Philipp von Köln[WS 1] abtrat. Die guten Beziehungen, die die Welfen um diese Zeit zu dem dänischen Königshause gewannen, sollte eine doppelte Familienverbindung bekräftigen. Als Otto und Herzog Waldemar, der Bruder König Knud’s, im Anfange des Jahres 1202 in Hamburg zusammen kamen, wurde die Verlobung Wilhelm’s mit Helene, der Schwester Knud’s, gefeiert und die Verheirathung Waldemar’s mit der ältesten, damals aber erst siebenjährigen Tochter des Pfalzgrafen Heinrich in Aussicht genommen. Letztere Abrede blieb zwar ohne Folgen, W. aber führte schon im Frühjahr 1202 seine Braut heim, die eine überaus reiche Ausstattung mitbrachte. Diese hat in der Hauptsache wahrscheinlich in den Gütern in Schleswig und Jütland bestanden, die einer ihrer Nachkommen, Herzog Otto der Strenge, 1295 an den Grafen Gerhard von Holstein verkaufte. Weitergehende Hoffnungen auf Ländererwerb, die die welfischen Brüder an jene Familienverbindung knüpfen mochten, sollten nicht in Erfüllung gehn. Obwol die Welfen Ansprüche auf Nordalbingien besaßen, so gab Waldemar II., der inzwischen seinem Bruder auf dem Throne gefolgt war, nur sein eigenes, nicht auch das Interesse seiner Verwandten und Verbündeten [728] berücksichtigend, das von Dänemark unterworfene Holstein nicht an seinen Schwager W., sondern an einen Gegner der Welfen, den Grafen Albert von Orlamünde. Wahrscheinlich war jene Vermählung, der Wunsch oder gar die Verpflichtung, dem jüngsten Bruder eine feste Ausstattung zuzuweisen, auch die Veranlassung, daß die drei Brüder in Paderborn im Anfang Mai 1202 zusammenkamen, und das gesammte von ihrem Vater ererbte Ländergebiet unter sich theilten. W. bekam hier hauptsächlich, wol in Rücksicht auf seine dänischen Beziehungen, die nördlichen Landestheile, das alte billingische Erbe, Stadt und Land Lüneburg mit Dalenburg, Hitzacker, Dannenberg, Lüchow, Berge, Brome und Nienwalde, die überelbischen Lande mit Ausnahme von Ditmarschen, die Eigengüter in der Mark, Haldensleben und den nordöstlichen Theil des Harzes mit Lauenburg, Blankenburg, Regenstein und Heimburg. Scheint bei der Verwaltung der Gebiete der älteren Brüder die hier festgesetzte Trennung in der Folge nicht streng durchgeführt zu sein, so ist dies bei Wilhelm’s Antheile im wesentlichen sicher der Fall gewesen. Er hat sein ihm zugefallenes Gebiet offenbar ganz selbständig regiert und an den Interessen der Brüder im ganzen nicht großen Antheil genommen. Von der großen Politik, die jene fast ganz in Anspruch nahm, hat er sich, so viel es sich verfolgen läßt, ziemlich fern gehalten. Nur vereinzelt, und auch da nicht ganz sicher, läßt sich seine Mitwirkung hier nachweisen. Die Magdeburger Schöppenchronik schreibt ihm im J. 1206 die Belagerung der Lichtenburg zu, eine Rolle, die Arnold von Lübeck wol mit mehr Recht dem Truchsessen Günzelin von Wolfenbüttel zutheilt. Sein Hauptbestreben scheint er auf die Förderung seiner Lande verwandt zu haben. An der Elbe gründete er an der Stelle, wo jetzt Bleckede liegt, zum Ersatze für das zerstörte Bardowik eine neue Stadt, die er Lewenstadt nannte, die aber nicht recht in Aufnahme kam. Unter den geistlichen Stiftungen erfreute sich besonders das Kloster St. Michaelis zu Lüneburg seiner Fürsorge, dessen Abte er von Papst Innocenz III. das Recht erwirkte, eine Insul an hohen Festtagen zu tragen. Den Herzogtitel hat W. niemals geführt; er nennt sich auf seinen Siegeln nach dem Mittelpunkte seiner Herrschaft, dem Schlosse und der Stadt Lüneburg, nur: Willehelmus de Luneburc filius ducis Saxonie. Er ist der einzige der Söhne Heinrich’s des Löwen, der, da Heinrich’s gleichnamiger Sohn schon im Frühling 1214 starb, das Geschlecht der Welfen im Mannesstamme fortführte. Er hatte nur einen Nachkommen, Herzog Otto das Kind, der, 1204 geboren, demnächst den ganzen Besitz des welfischen Hauses in seiner Hand vereinigte. Wenn dieser ohne hochfliegenden Ehrgeiz unter kluger Berücksichtigung der realen Verhältnisse sein Streben auf erreichbare Ziele richtete und dem Besitze seines Hauses als einem neuen Gliede des Reiches seine sichere Grundlage zu geben suchte, so haben wir in dieser weisen Beschränkung wol ein Erbtheil des Vaters zu erblicken, dessen Thätigkeit, so weit wir sehen können, sich in denselben Bahnen bewegte, der aber ein früher Tod schon am 12. December 1213 ein Ende bereitete. W. wurde im Michaeliskloster zu Lüneburg beigesetzt, wo seine Wittwe ihm eine Gedächtnißfeier stiftete und sein Grab bis zum Jahre 1532 alljährlich an seinem Todestage geschmückt wurde. Erst spätere Quellen geben W. den Beinamen des Dicken oder, wie die Magdeburger Schöppenchronik S. 130, des Fetten; „de so vet was, dat sek ver man in sin gordel gorden“, heißt es an letzterer Stelle; die aus dem Mittelalter überlieferten figürlichen Darstellungen Wilhelm’s stehen mit dieser Angabe in Widerspruch. Wenn ferner Gervasius Tilberiensis ihn longaspata (Langschwert) nennt, so wird diese Bezeichnung auf einer Verwechslung mit seinem Oheim Wilhelm, dem natürlichen Sohne König Heinrich’s II. und Rosamunda’s beruhen. Wilhelm’s Wittwe Helena, die sich später [729] auch Ducissa nannte, starb am 22. November 1233 und ist dann ebenfalls im Michaeliskloster bestattet worden.

Vgl. außer den Orig. Guelf. III, 376–386 die einschlagenden Darstellungen der deutschen Reichs- und der braunschweigischen Landesgeschichte.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Erzbischof war zu dieser Zeit Adolf, Graf von Altena.