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ADB:Wild, Johannes (Ingenieur)

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Artikel „Wild, Johannes (Ingenieur)“ von Fridolin Becker in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 488–489, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wild,_Johannes_(Ingenieur)&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 08:28 Uhr UTC)
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Wild: Johannes W. Zu Richtersweil, am freundlichen Gestade des Zürichsees, am 13. März 1814 als Sohn einfacher Bürgersleute geboren, verbrachte Joh. W. die Jugendjahre in seiner Heimath und verrieth schon frühe durch seine besondere Geschicklichkeit den späteren Meister. Nach seiner Neigung zur Mathematik und seiner zeichnerischen Begabung wurde er für den Beruf des Ingenieurs bestimmt und bildete sich an den technischen Schulen und der Hochschule Zürichs dazu aus. Schon während seiner Studienzeit bethätigte er sich praktisch an grundlegenden Arbeiten für die schweizerische Landesvermessung, den Basismessungen von Zürich und Aarberg (1834), und zog die Aufmerksamkeit hervorragender Fachmänner auf sich. An den Hochschulen und Kunstakademien von München und Wien vollendete er seine Ausbildung, um 1839 die praktische Thätigkeit zu beginnen, zunächst mit den geodätischen Vorarbeiten für eine Eisenbahn von Zürich nach Basel. Es war dies die Zeit, da in der Schweiz die ersten Eisenbahnen gebaut werden sollten, und da bot sich dem jungen Ingenieur Gelegenheit, nach Maßgabe seiner umfassenden Bildung und des ihm eigenen praktischen Geschickes einen weitgehenden Einfluß auf die Vorbereitung und Ausführung des schweizerischen Bahnnetzes auszuüben. Er verblieb aber nicht allein beim Eisenbahnbau, sondern widmete sich auch dem Wasserbau und nahm Theil an wissenschaftlichen Expeditionen, wie an derjenigen von Agassiz zur Erforschung der Gletscher, wobei er 1842–43 eine Aufnahme des Unteraargletschers lieferte, die seinen Ruf als darstellenden Topographen begründete. Nach seiner Veranlagung ganz besonders zum Vermessungstechniker qualificirt, übertrug ihm die Züricher Regierung die Leitung der topographischen Vermessung des Kantons Zürich. W. erließ dafür die Instructionen und schuf selbst die Vorbilder, in einer Gediegenheit und Vollendung, wie sie heute noch unser Staunen erregen und noch nirgends übertroffen sind. Die Karte des Kantons Zürich im Maaßstabe von 1 : 25000 wurde nicht nur vorbildlich für eine Reihe neuerer Vermessungsarbeiten in der Schweiz, sondern für alle modernen Landesvermessungen überhaupt. 1852, nach Vollendung dieses epochemachenden [489] Werkes, bei welchem nicht bloß eine neue Darstellungsweise, sondern auch so vorzüglich entwickelte Aufnahmemethoden und Hülfsmittel angewendet wurden, daß man heute noch nichts Besseres an deren Stelle zu setzen hat, berief der schweizerische Bundesrath den allseitig bewährten Techniker als Director der Telegraphen, die eben auch für die Schweiz eingeführt werden sollten; es zog ihn aber wieder zum Eisenbahnbau zurück, und so finden wir ihn 1852-55 als Bureauchef des Oberingenieurs für den Bau der Zürich-Bodensee-Bahn.

1855 wurde W. als Professor an die neugegründete schweizerische polytechnische Schule berufen und übernahm mit Carl Culmann den gesammten ingenieurtechnischen Unterricht, neben Straßen- und Wasserbau speciell das Vermessungswesen. 1857–1869 besorgte er gleichzeitig noch das Amt eines Straßen- und Wasserbauinspectors des Kantons Zürich. In diesen Stellungen entfaltete W. eine außergewöhnliche Thätigkeit; die Bundes- wie die Kantonsregierungen, Gesellschaften und Private verlangten seinen Rath und seine Mitwirkung bei allen großen Bauten, namentlich auch für den Ausbau des schweizerischen Alpenstraßennetzes. Besondere Aufmerksamkeit widmete er dem Kataster und der Förderung der eidgenössischen Landesvermessung; ferner gehörte er der ersten schweizerischen metrologischen Commission an.

Allmählich concentrirte sich W. immer mehr auf das Vermessungswesen und auf die Pflichten seines Lehramtes, dem er bis 1889 seine besten Kräfte widmete. In diesem Jahre zog er sich, 75jährig, von seinem Lehrstuhl, den er 34 Jahre unter hoher Verehrung bekleidete, zurück und genoß noch einige Jahre der wohlverdienten Ruhe, bis er am 22. August 1894, über 80jährig, in seiner Heimathgemeinde Richtersweil sein arbeitsreiches Leben schloß. Die Bedeutung Wild’s beruht neben seiner praktischen Bethätigung in der Entwicklungsperiode der Eisenbahnen, Telegraphen und Alpenstraßen und seiner langjährigen Lehrthätigkeit namentlich in der Entwicklung des modernen Vermessungswesens, für den Kataster und die Landesvermessung wie für die Bedürfnisse des Bauingenieurs, die er wie kein zweiter kannte. Eine klare Auffassung, die auch das Schwierigste einfach erscheinen ließ, verband sich bei ihm mit einer erstaunlichen Geschicklichkeit in der Handhabung der Methoden, der Instrumente und des Stiftes. So erzog er nicht bloß die Operateure, er lieferte ihnen selbst auch die Vorbilder in Zeichnung und Lithographie; ein reiches Wissen war bei ihm mit dem höchsten Können gepaart, und so übte der stillbescheidene, körperlich zarte Mann einen eminenten Einfluß aus. Zu schriftstellerischer Thätigkeit blieb ihm keine Muße übrig; von sich aus hat er gar nichts publicirt; gedruckt wurden aus der Menge seiner Arbeiten nur einige Vorträge und Gutachten über wichtige technische Tagesfragen; das vornehmste Denkmal hat er sich geschaffen in seiner Zürcher Karte, einem Meisterwerk für alle Zeiten.

Vgl. R. Wolf, Geschichte der Vermessungen in der Schweiz.