ADB:Wilczek, Heinrich Wilhelm Graf von
K. Leopold’s I. von den Jesuiten in Breslau katholisch erzogen. Bei seinen hervorragenden durch sorgfältige Erziehung und durch Reisen wohl ausgebildeten Anlagen darf es nicht Wunder nehmen, wenn wir W. schon im zwanzigsten Lebensjahre (1685) im Staatsdienst finden. Doch entsprach der Civildienst nicht ganz seiner Neigung, und es führt ihn bereits das nächste Jahr (1686) nach Ofen, wo er als Volontär an der Belagerung der Festung theilnimmt. Seine hier und in der Schlacht bei Mohács (1687) bewiesene Tapferkeit erwarb ihm den Hauptmannsrang im Regimente des damaligen Generalfeldmarschalls Ernst Rüdiger Graf von Starhemberg gleichzeitig mit der Kämmererswürde. Am 20. Mai 1689 ward W. durch kaiserliches Rescript zum Landrechts-Beisitzer im Fürstenthume Teschen bestellt. Zwei Jahre darauf (1691) wird er Obristwachtmeister im Pálffy’schen und 1694 Oberstlieutenant im Graf Bagni’schen Regimente. Im J. 1697 sehen wir W. bei Zenta, wo er unter den Augen des Prinzen Eugen Einer der ersten die feindlichen Verschanzungen ersteigt und Eugen’s ruhmvollen Sieg mit erringen hilft. Dankbar gedachte der große Feldherr dessen, als W. beim Ausbruche des Spanischen Erbfolgekrieges 1701 mit dem von ihm als Oberstlieutenant commandirten Graf Bagni’schen Regimente [480] nach Italien ziehen sollte und dabei Wien passirte, indem er für W. das Oberstpatent erwirkte. Die weitere Absicht des Prinzen seinem tapferen Schützling ein Regiment zu verschaffen, wurde durch verschiedene W. feindliche Einflüsse vereitelt, ja man wußte sogar zuletzt zu verhindern, daß er das Bagni’sche Regiment nach Italien führte. Durch diese und ähnliche Vorgänge gekränkt, zog W. sich auf seine Güter nach Schlesien zurück. Aber schon am 28. Mai des Jahres 1704 rief ihn ein Rescript des Hofkriegsrathes wieder ins Feld. Uneingedenk der erlittenen Zurücksetzung folgte W. bereitwillig dem kaiserlichen Auftrage. Anlaß bot die Rákóczy’sche Rebellion in Ungarn, die auch in dessen angrenzenden Ländern, wie Mähren und Schlesien ihre Kreise zog. Es galt hier die zu Gunsten der Empörer geplante Zufuhr von Lebensmitteln und Waffen, den Zuzug von Hülfstruppen aus Polen und Schlesien abzuwehren, die in den Grenzländern aufständisch gewordenen Bauern zu Paaren zu treiben und die Unterhandlungen mit Georg Lubomirski und anderen polnischen Magnaten zu pflegen. Zugleich war W. auch die Ueberwachung des Pest-Cordons zugefallen. In der Bewältigung dieser so vielseitigen Aufgaben, die einen als Militär wie als Staatsmann gleich tüchtigen Mann erheischten und die Thätigkeit Wilczek’s bis zum Jahre 1709 vollauf in Anspruch nahmen, muß W. die Zufriedenheit seines Monarchen erworben haben; denn 1706 wurde er als Commandant von Ungarisch Hradisch zum Generalfeldwachtmeister, am 1. Novbr. 1709 zum Feldmarschalllieutenant befördert und am 16. November desselben Jahres in den erbländischen Grafenstand erhoben, wobei ihm und seinen Descendenten auch das ungarische Indigenat verliehen wurde.
Wilczek: Heinrich Wilhelm Graf W., Sohn des Freiherrn Kaspar Wilczek, Herrn auf Königsberg im Herzogthume Troppau, und dessen zweiter Gemahlin Anna Katharina Paczinski, ist geboren am 15. September 1665. Obwol von evangelischen Eltern stammend, wurde er doch auf WunschDas Vertrauen seines kaiserlichen Herrn berief W. im J. 1709 als Gesandten zum Zar in Moskau, doch erst im J. 1711 konnte W. diesen seinen Gesandtschaftsposten antreten, weil vorerst seine Anwesenheit in Ungarn wegen der Hinneigung der Polen zur Rákóczy’schen Partei und wegen der durch Karl XII. hervorgerufenen Verwicklungen nöthig war. Während dieser Zeit (1710) erhielt W. seine Ernennung zum Hofkriegsrath. Im folgenden Jahre (1711) hatte er mit Zar Peter I. und dem König von Polen in Jaroslaw eine Zusammenkunft aus Anlaß der ungarischen Rebellion und wirkte sodann als kaiserlicher Gesandter in Riga und Petersburg, bis er am 26. Februar 1712 zurückberufen und zum Commandanten der Festung Spielberg in Brünn ernannt wurde. Der Hauptgrund dieser Zurückberufung scheint wol die Nothwendigkeit der Schlichtung der zwischen Lubomirski und dessen Officieren bei Auflösung der polnischen Hülfsregimenter entstandenen Mißhelligkeiten gewesen zu sein, wofür ja W. bei seinen jahrelangen Beziehungen zu Lubomirski als der geeignete Mann erschien. Nach Ordnung dieser Angelegenheit begab sich W. um Pfingsten desselben Jahres aus Anlaß der Krönung des Kaisers zum König von Ungarn nach Preßburg. Im darauffolgenden August war W. ausersehen, als kais. Gesandter zur nordischen alliirten Armee nach Pommern zu gehen; doch unterblieb dies, weil W. schon am 3. September mit einer abermaligen Mission an den Zar, vorher aber an den preußischen, dänischen und polnischen Hof abzugehen, beauftragt wurde. Im Begriffe, dem Befehle seines Monarchen nachzukommen, ereilte ihn in Dresden eine neue Weisung, sich als Gesandter an die Höfe von Sachsen-Gotha, Baireuth, Ansbach und Darmstadt zu begeben und nach Verrichtung seiner dortigen Geschäfte sich wieder nach Rußland zu wenden, um nicht den Unwillen des Zaren, mit dem W. in Karlsbad bereits zusammengetroffen war, durch längeres Fernbleiben von seinem Gesandtschaftsposten hervorzurufen. Nach Erledigung seiner Gesandtschaftsgeschäfte wurde W. mittels Hofkriegsrathsrescript vom 14. November 1713 als kais. Commissär und Plenipotentiär zur Versammlung der ungarischen Stände nach Tyrnau geschickt, wo seine Gegenwart [481] von maßgebendem Einflusse auf die zum Zwecke der Sicherung der Pragmatischen Sanction angebahnten Verhandlungen war. Am 8. April 1714 erhob der Kaiser W. in den erblichen Reichsgrafenstand und das darauf Bezug nehmende Diplom erwähnt unter Anführung der Verdienste Wilczek’s ausdrücklich dessen werkthätige Theilnahme am Tyrnauer Tage. Am 14. September 1714 wurde W. angewiesen, den in seine Heimath rückkehrenden König von Schweden, dessen Hofstaat und den Rest seiner Truppen von der siebenbürgischen Grenze durch Ungarn bis an die bairische Grenze zu geleiten. In dieser Absicht ging W. im November über Pest nach Somlyo – traf aber mit dem König, der unerkannt auf Seitenwegen vorausgeeilt war, nicht zusammen, sondern mußte sich begnügen, dessen Gefolge und wenige Truppen unter seine Führung zu nehmen. Bald nachher zog sich W. seiner geschwächten Gesundheit wegen auf seine Güter zurück, wo er bis 1716 verblieb. Im J. 1717 wird er zum Generalfeldzeugmeister und Inhaber des vormals Haßlinger’schen Regiments (heute Nr. 11 Prinz Georg von Sachsen) und zum Commandanten von Groß-Glogau ernannt. Wenige Jahre später (1722) wird er Titular-, 1723 wirklicher Geheimrath, im selben Jahre erhielt er auch den Marschallsstab, alles noch „während seiner Quiescenz“, wie W. die Tage seines Glogauer Dienstes in seinem Tagebuche nennt. In diese Zeit fällt Wilczek’s vergebliche Bewerbung um den Posten eines Commandanten in Siebenbürgen; ebenso scheiterte der Wunsch des Kaisers, ihn als bevollmächtigten Minister der zur Gubernatorin der Niederlande designirten Erzherzogin Elisabeth beizugeben an dem Widerspruche des Prinzen Eugen. Die vom letzteren statt dessen ihm angebotene Stelle eines Commandanten in den Niederlanden, als Nachfolger des Marschalls Daun, lehnte W. ab. Die friedliche Stellung in Glogau erfuhr im J. 1729 eine Unterbrechung. als W. als kais. Botschafter nach Polen entsendet wurde. Eine schwierige Aufgabe erwartete ihn dort, doch seiner Energie, seinem Muthe, seiner Klugheit gelang es die ihm gestellte Aufgabe während eines fünfjährigen Aufenthaltes daselbst glänzend zu lösen, und am 27. Mai des Jahres 1734 konnte W. seinem kaiserlichen Herrn Bericht über seinen Erfolg – die Wahl und Krönung des Kurfürsten von Sachsen zum König von Polen als August III. – erstatten. Nachdem W. noch einmal im J. 1736 seine Muße unterbrechen und 13 000 Russen von der polnischen Grenze zum kaiserlichen Heere an den Rhein hatte führen müssen, zog er sich in den Ruhestand zurück. Doch genoß er denselben nur wenige Jahre und beendete in Breslau, wo er jetzt zumeist sich aufhielt, schon am 19. März 1739 sein thatenreiches Leben. In den bewegtesten Tagen österreichischer Geschichte stand er treu an seines Kaisers Seite, unermüdlich, stets zum Dienste bereit. Von den Männern, die aus dem politischen Hintergrunde jener Zeiten heraustreten, ist W. einer der ersten und besten. Er hat in dem Heldenzeitalter der österreichischen Armee Siege erringen helfen, er fehlte nicht, als der Spanische Erbfolgekrieg die Monarchie bedrohte, nicht, als die Empörung in Ungarn an den Grundfesten des Reiches rüttelte, und als Kaiser Karl VI. an die schwierige Lebensaufgabe ging, durch Errichtung der Pragmatischen Sanction die Erblande seinem Hause zu erhalten, fand er, wie wir oben gesehen, in W. einen „treuen Diener seines Herrn“.
W. vermählte sich am 14. December 1698 mit der am 14. April 1670 geborenen Maria Charlotte Gräfin von St. Hilaire und begründete durch die Aufrichtung je eines Majorates für seine Söhne Kaspar und Balthasar die beiden heute noch blühenden Linien dieses Hauses.