ADB:Wessely, Joseph Eduard
Friedrich Knolle, der als Inspector des Herzoglichen Museums die dringend nothwendige Neuordnung von dessen reicher Kupferstichsammlung begonnen hatte. Bei der umfassenden Kenntniß, die W. von Kunstdrucken jeder Art besaß, erschien er für die Fortsetzung der Arbeit als der geeignete Mann, und es gelang ihn für diese Aufgabe zu gewinnen. Am 1. April 1878 trat er seine Stellung als Museumsinspector in Braunschweig [145] an, und er hat hier mit ausdauerndem Fleiße, großer Sorgfalt und Sachkunde die Kupferstichsammlung der Anstalt von Grund aus neu geordnet und katalogisirt; durch das liebenswürdige Wesen, mit dem er hier den Benutzern stets entgegen kam, steht er bei ihnen allen in bestem Andenken. Unterm 17. December 1885 wurde ihm der Professortitel verliehen. Neben seinen verdienstlichen Arbeiten entfaltete W. noch eine rege schriftstellerische Thätigkeit; er verfaßte theils Monographien über einzelne Künstler und ihre Werke, wie Jan de Visscher und Lambert Visscher (1866), über Alb. Bloteling (1867), in dem Krit. Verzeichnisse von Werken hervorragender Kupferstecher (Hamburg 1887–89) über Georg Fr. Schmidt (B. 1), Rich. Earlom (B. 2), John Smith (3), Adriaen van Ostade (5) und Jacob Gole (6), theils schrieb er allgemeinere Werke über die Kupferstechkunst und ihre Geschichte, wie den zweiten Band des von Andresen unvollendet hinterlassenen „Handbuchs für Kupferstichsammler“ (1873, Ergänzungsheft 1885), eine „Anleitung zur Kenntniß und zum Sammeln der Werke des Kunstdrucks“ (1876, 2. Aufl. 1886, ins Russische übersetzt 1882); „Das Ornament und die Kunstindustrie auf dem Gebiete des Kupferstichs“ B. I, II (1876–77), „Die Maler-Radirer des 18. Jahrh.“ (1877), eine „Geschichte der graphischen Künste“ (1891); theils behandelte er wie in seiner „Iconographie Gottes und der Heiligen“ (1874) besondere kunstarchäologische Stoffe oder auch Gegenstände von vorwiegend culturgeschichtlicher Bedeutung, wie in seinen „Landsknechten“ (1877) u. a.; außerdem schrieb er eine große Anzahl von Aufsätzen in verschiedenen Encyclopädien, Zeitschriften und Zeitungen, sowie eine erhebliche Reihe von Artikeln für die Allg. D. Biogr. – Ein Schlaganfall, der W. am 25. Juli 1892 traf, nöthigte ihn zur Beschränkung seiner Thätigkeit; er erlangte die alte Frische nicht wieder, litt an Herzschwäche und ist am 17. März 1895 der Influenza erlegen. Ihn überlebten außer seiner Wittwe (die am 1. Mai 1896 starb) fünf Kinder, von denen einige aus der ersten Ehe seiner Frau stammten. Das älteste von diesen, Karl Bourdet, ist Professor an der Kgl. Kunstakademie und Kunstgewerbeschule in Leipzig.
Wessely: Joseph Eduard W., Kunstschriftsteller († 1895), wurde geboren am 8. Mai 1826 in Welletau in Böhmen als der erstgeborene Sohn eines Mühlenbesitzers Franz Wessely. Dem Wunsche seiner Mutter Anna geb. Falta gemäß schlug er die geistliche Laufbahn ein. Er besuchte zunächst von 1834–43 das Gymnasium zu Jungbunzlau und bezog dann die Universität Prag, wo er von 1843 bis 1850 weilte und neben den vorgeschriebenen Lehrgegenständen auch Vorlesungen über classische Litteratur, griechische Philologie, Aesthetik, Geschichte der Philosophie, Staatsgeschichte u. s. w. hörte. Am 1. October 1845 trat er in den ritterlichen Orden der Kreuzherren mit dem rothen Stern; 1850 wurde er zum Priester ordinirt. Da er von Jugend auf eine besondere Vorliebe für die Kunst empfand, so besuchte er auch die Prager Malerakademie. Der Großmeister seines Ordens J. Beer leistete diesen künstlerischen Bestrebungen Wessely’s kräftigen Vorschub und ertheilte ihm 1856 auch die Erlaubniß, zu seiner weiteren Ausbildung auf ein Jahr nach Italien zu gehen, wo er die längste Zeit in Rom zubrachte und sich besonders mit dem Copiren mehrerer classischer Gemälde beschäftigte. Schon früher (1852) hatte er begonnen, Kupferstiche zu sammeln, und seit 1855(–1869) war er auch in der Radirkunst thätig. Diese Beschäftigung setzte er mit regem Eifer in Wien fort, wo ihm 1861 die Seelsorge der Pfarre St. Karl auf der Wieden anvertraut wurde und wo die reiche Kunstsammlung der Albertina u. a. seinen Arbeiten trefflich zu statten kam. Erweitert wurde sein Blick 1865 durch eine längere Studienreise durch Deutschland, Holland und Belgien und einen Besuch der Museen in London und Paris. In demselben Jahre trat er zum ersten Male als Schriftsteller hervor mit einem Werke über Wallerant Vaillant (2. Aufl. 1881). Der Erfolg, den er hiermit hatte, bestimmte ihn, auf dem eingeschlagenen Wege vorwärts zu schreiten. Im J. 1866 verließ er den Orden und seine österreichische Heimath und trat in Breslau, wohin er sich zunächst begab, zu der evangelischen Kirche über. Er schlug sich anfangs mit der Einnahme aus seiner schriftstellerischen Thätigkeit ehrlich durch und siedelte dann nach Berlin über, wo er vom 1. Januar 1869 ab als Diätär am Kgl. Kupferstichkabinette beschäftigt wurde. Inzwischen hatte er sich mit Katharine Bourdet geb. Tille, der Wittwe seines Freundes des Landschaftsmalers Karl Joseph Bourdet in Wien († 1859) verheirathet. Am 1. Mai 1877 wurde er zum Directorialassistenten der Kgl. Museen ernannt. Wenige Monate später (6. Juli) starb in Braunschweig der Kupferstecher