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ADB:Weiß, Adam

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Artikel „Weiß, Adam“ von Gustav Bossert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 554–556, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wei%C3%9F,_Adam&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 04:40 Uhr UTC)
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Weiß: Adam W., Theologe, ca. 1480–1534, einflußreicher Rathgeber des Markgrafen Georg von Brandenburg-Ansbach und Mitarbeiter bei der Reformation der Markgrafschaft, ist zu Crailsheim wahrscheinlich als Sohn des Bürgermeisters Burckhardt Weiß und Neffe des Ansbacher Stiftsherrn Ad. Weiß, um 1480 geboren. Seine akademische Bildung empfing er wol in Mainz, wo er 1512–1521 als theologischer Lehrer thätig war und bis zur Licentiatur aufstieg und auch das der Universität zustehende Kanonikat am Liebfrauenstift zu Frankfurt erhielt. Als baccalaureus biblicus hatte W. über das erste Buch Mose gelesen; 1517/18 wurde er sententiarius. Seine Eröffnungsrede zu den Vorlesungen über die Sentenzen des Petrus Lombardus ist eine unzweideutige Verurtheilung der ganzen scholastischen Theologie durch einen Humanisten, der, wie seine wohlerhaltenen Bücherschätze zeigen, die neuerblühende Litteratur eifrig studirte, den Kampf Reuchlin’s mit Hogstraten verfolgte und voll Begeisterung für Erasmus dessen Ausgabe des Neuen Testaments und des Hieronymus freudig begrüßte. Ueber seine Beziehungen zum Kreise der Humanisten ist nur bekannt, daß er mit K. Hedio, Wilh. Nesen und Peter Eberbach befreundet war. Ende 1521 beriefen ihn die Markgrafen Kasimir und Georg auf die große, reiche Pfarrei Crailsheim, wo W. unter großem Beifall evangelisch predigte. Für den Beginn seiner reformatorischen Thätigkeit erbat er sich am 14. April 1523 den Rath Zwingli’s, mit dem er schon am 12. April 1522 in brieflichen Verkehr getreten war. Nicht unwahrscheinlich ist, daß er sich auch an Luther wandte, dessen Wirken W. schon in Mainz mit Achtung erfüllt hatte, und von dem er lebenslang mit großer Ehrfurcht sprach. In einem Schreiben an Statthalter und Räthe in Ansbach vom 27. Februar 1527 kennzeichnet er seine reformatorischen Principien „er habe nie alt christlich, loblich und leidlich kirchenpreuch frevenlich abgestellt“, „etlich offentlich mißbreuch seien mit stille und fride durchs gotteswort selbst gefallen“, d. h. seine Predigt hatte von selbst zur Beseitigung der auffälligsten Ceremonien geführt, während er sonst, gleich Luther, schonend vorging und noch 1532 seine Vorliebe für den lateinischen Kirchengesang aussprach. Schon 1525 war es ihm gelungen, eine neue Kirchenordnung für Crailsheim zu schaffen. Dagegen schienen ihm die 23 Artikel, welche die weltlichen Stände des fränkischen Kreises am 21. August 1524 als erste Grundlage der Reformation angenommen, nicht genügend. Mit Joh. Rurer arbeitete W. im Namen der sechs hervorragendsten Pfarrer für den Landtag im September 1524 einen evangelischen Rathschlag aus und übte an dem Rathschlag der Prälaten scharfe Kritik. Nach dem Bauernkrieg hatte W. wahrscheinlich die Schrift verfaßt, welche Markgraf Kasimir und Georg unter dem Titel ausgehen ließen: „Anzaigen, wie die gewesen enpörungen vnd auffrüren nit den geringsten tayl aus vngeschickten predigen entstanden sind, vnd vnderricht, wie hinfüro in jren Landen von vestem warem Glauben vnd warer christlicher freyhait des geists gepredigt werden soll“. Am 11. September 1525 erhielt er den Befehl, obwol er nicht Decan des Capitels war, den Pfarrern des Capitels Befehl zu eröffnen, daß sie fortan Gottes Wort rein und lauter predigen sollten. Da Kasimir zauderte, in der Reformation weiter zu gehen, wandte sich W. in der Fastenzeit 1526 in einem kühnen Schreiben an ihn, zeigte ihm, wie der Bauernkrieg, [555] der Kasimir stark beschäftigt hatte, nicht zu geringem Theil von unberufenen, ungelehrten und gewinnsüchtigen Predigern hervorgerufen worden sei, hielt ihm das Vorbild eines Josias vor, wie das zweideutige Licht, in das er sich beim Volk bringe. Kasimir nahm das Schreiben gnädig auf, aber seine Haltung auf dem Speierer Reichstag bewies, daß von ihm nicht viel für den Fortschritt der Reformation zu hoffen war, da er sich in den Dienst der kaiserlichen Religionspolitik stellte. Der Landtagsabschied, der dem Reichstag folgte, war reactionär. Während Kasimir’s Abwesenheit im Türkenkrieg erhob die katholische Partei am Hof unter der Führung von Kasimir’s Gemahlin Susanne von Baiern und dem Ansbacher Stiftsprediger Weinhart ihr Haupt. Wie Rurer durch Drohungen zur plötzlichen Flucht aus Ansbach gedrängt wurde, so wurde auch W. durch anscheinend wohlmeinende Freunde gerathen, zu fliehen, da Statthalter und Räthe ihm mißgünstig geworden seien. Offen wandte sich W. am 27. Februar 1528 an Statthalter und Räthe und erklärte ihnen, daß es ihm nicht zustehe, seine Gemeinde hirtenlos zu lassen. Was er in seinem Amt gethan, sei mit Wissen und Willen des Markgrafen geschehen, abgesehen von seiner Verehelichung, über die er sich vor dem Markgrafen zu rechtfertigen gedenke. Man möge ihm Schutz gegen Vergewaltigung (von Seiten des Bischofs) zu theil werden lassen oder ihn ordentlicherweise seines Amtes entheben. Schon am 28. Februar antworteten Statthalter und Räthe, sie wissen von keiner Ungunst, und sicherten W. Schutz gegen Vergewaltigung, verwiesen ihn aber wegen seiner Verehelichung auf den Artikel des Reichstagsabschieds wegen der verehelichten Priester. Nach Kasimir’s Tod und der Rückkehr seines Bruders Georg stellte W. dem Markgrafen die nächsten Maßregeln zur Förderung der Reformation (Anstellung evangelischer Prediger, Visitation, Abschaffung der Messe, des Concubinats, Errichtung von Schulen, Gründung von Stipendien für Theologen, Wiederherstellung des Kirchenbanns, Bestellung von Ehegerichten, Gründung von Armencassen, Ersatz für die Confirmation, strenge Sonntagsfeier) vor Augen. Am 18. Mai 1528 erging der Befehl, W. und den Prior Schopper von Heilbronn nach Ansbach zu berufen, um mit Althamer „Ordnung und Maß“ der Visitation zu berathen. Sie stellten auf Grund eines wahrscheinlich von W. herrührenden Entwurfs von 40 Artikeln 30 Fragstücke fest, welche den Pfarrern bei der Visitation vorgelegt werden sollten. Da auch Nürnberg an der Visitation theilnehmen wollte, kam es am 14. Juni zu einem Tag in Schwabach, zu welchem auch W. berufen wurde. Hier wurden die 30 Fragstücke, wie ein von den Nürnbergern mitgebrachter Entwurf einer Kirchenordnung angenommen. Nach der Visitation wurde W. zum Superintendenten des Capitels Crailsheim bestellt, während man den Decan, einen Landpfarrer, beließ. Im März 1529 nahm Markgraf Georg W. als Rathgeber mit zum Reichstag in Speier, wo W. wahrscheinlich jenes wichtige Gutachten abfaßte, das Ende März die evangelischen Stände zum Protest gegen die Reichstagsbeschlüsse aufforderte. Der Rath von Crailsheim hatte W. den Schulmeister Balth. Zerrer als Famulus beigegeben. Auch im folgenden Jahr ging W. neben Brenz, Rurer und Matt. Meglin als Georg’s Rathgeber mit zum Reichstag in Augsburg. W. hat ein interessantes Tagebuch über seine Erlebnisse auf dem Reichstage hinterlassen. Er predigte mehrmals in Augsburg und wußte sich auch die Achtung von Gegnern, wie Augustin Marius und Johann Cochläus, zu erwerben, mußte aber wegen Unpäßlichkeit darauf verzichten, der Verlesung der Augustana anzuwohnen, und am 30. Juli heimkehren.

Mit Genehmigung des Markgrafen gründete W. aus Einkünften der Pfarrei eine Kirchenbibliothek, mußte aber Verdächtigungen wegen Veruntreuung jener abgelösten Einkünfte, ja gar wegen üppigen Lebens hören, weshalb er sich am [556] 14. November 1530 zu seiner Rechtfertigung an den Markgrafen wandte, und ihm zugleich die Einführung der Litanei nach dem Vorgange von Nürnberg empfahl. Am 16. November antwortet der Markgraf wohlwollend und billigte den Vorschlag eines Litaneigottesdienstes. Wie in der Markgrafschaft Brandenburg, so wirkte W. mit bei der Reformation der benachbarten Gebiete. Brenz, mit dem W. seit 1523 in Verkehr stand, erbat sich von ihm 1525 seine Gottesdienstordnung. Mit Brenz gemeinsam verschaffte er 1534 Dinkelsbühl den Reformator Bernhard Wurzelmann und berieth Schnepf bei der Reformation in Württemberg. Wenn W. nicht unter den Unterzeichnern des Syngramma suevicum erscheint, so hat das offenbar seinen Grund in der Rücksicht auf Zwingli, mit dem er früher freundschaftlich verkehrt hatte. Sonst sehen wir W. mit Theobald Billikan in dem nahen Nördlingen, Kaspar Löner und Leonhard Culmann im Verkehr. 1524 knüpfte Joh. Poliander einen Briefwechsel mit ihm an. Dagegen fühlte sich W., der ruhige Mann, von Karlstadt’s Wesen abgestoßen. Die hohe Achtung, in der W. stand, beweist nicht nur der Brief Luther’s an Markgraf Georg vom 21. Mai 1528, in dem er W. und Rurer „als feine Leute, würdig, die man in Ehren und Treuen halte“, empfahl, sondern auch die Schriften des früheren Crailsheimer Diakonus Jakob Ratz, der mit größter Ehrerbietung von W. spricht.

Im J. 1526 hatte sich W. mit Elisabeth N. verehelicht, mit der er in glücklicher Ehe lebte. Die letzten Jahre seines Lebens kränkelte er und starb am 25. September 1534. Brenz hielt ihm die Leichenpredigt. Seine Wittwe verehelichte sich an den Pfarrer Balth. Schnurr von Hengstfeld, den Großvater des gleichnamigen Dichters, Pfarrers in Amlishagen und Lendsiedel.

Veesenmeyer, Kleine Beiträge zur Geschichte des Reichstags in Augsburg 1530. Nürnberg 1830, S. 116. – Mein Lebensbild von Weiß im Schwäb. Merkur 1879, Nr. 153 und in der Theol. Realencyclopädie. Zweite Aufl. Suppl. S. 415 ff. – Theol. Studien a. Wttb. 1880, S. 178, 184, 190 ff.; 1882, S. 183, 814; 1883, S. 30; 1885, S. 1 ff.; 1887, S. 76 ff. – Blätter f. württb. Kirchengesch. 1887, S. 2 ff.; 1893, S. 34 ff. – Luther’s Briefe h. v. De Wette 3, 324. – Enders, Luther’s Briefwechsel 4, 57. – Zeitschr. f. Kirchengesch. 13, 320. – Zwinglii opera ed. Schulthess 7, 1, 197, 291. – Sculteti annales 1, 135. – Hausdorff, Lazarus Spengler, S. 225. – Hocker, Heilsbronn. Antiquitäten-Schatz, Suppl. S. 159, 167. – Anecdota Brentiana ed. Pressel 6, 121, 122. – Hartmann, Erh. Schnepf, S. 154. – Georgii, Uffenheimer Nebenstunden, S. 1238–1266. – Weiß, Acta in comitiis Augustanis quaedam in Georgii, Uffenheimer Nebenstunden, S. 673–747, auch in Förstemann’s neuem Urkundenbuch. – Steitz, Tagebuch des W. Königstein, S. 52. – Schülin, Fränk. Ref.-Gesch., 1731. – v. d. Lith, Erläuterungen der Ref.-Historie, 1733. – Engelhardt, Ehrengedächtniß d. Ref. in Franken, 1861. – Pürkhauer, Gesch. d. ev. Kirche in Dinkelsbühl. – Hartmann u. Jäger, Brenz. 2 Bde., 1891 ff.[1] – Kolde, And. Althamer, 1895. – Westermayer, Die Brandenburgisch-Nürnbergische Kirchenvisitation u. Kirchenordnung 1528–1533, 1895. – Acten d. Kreisarchivs Nürnberg, des Consistoriums in Stuttgart, des Oberamts, Decanats u. d. Stadt Crailsheim.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 556. Z. 11 v. u. l.: 1841 f. [Bd. 45, S. 676]